Ungepflegtes Kurzpassspiel
Bei keiner Bundesligamannschaft kommen so wenige Pässe an wie beim FCA
Augsburg Es sind fast Laborbedingungen, unter denen die Bundesligamannschaften derzeit arbeiten. Ohne Spiele trainieren die Teams derzeit nur, zudem unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gelegenheit, an den eigenen Schwächen zu arbeiten. Auch der FC Augsburg hat Nachholbedarf. In den bisher 25 Spielen der Saison hat keine BundesligaMannschaft derart unpräzise Pässe gespielt wie der FCA. Nicht einmal drei von vier Bällen kamen beim Mitspieler an. Und auch die Statistiken der einzelnen Profis sind mager.
Torwart Tomas Koubek brachte gerade einmal etwas mehr als die Hälfte seiner Bälle beim Mitspieler an. Seine 54 Prozent an erfolgreichen Pässen sind mit Abstand der schlechteste Wert all der Bundesligaspieler, die mindestens die Hälfte der Einsatzzeit absolviert haben. Der Tscheche ist bekannt dafür, kein mitspielender Torwart zu sein. Doch Kollegen zeigen, dass es anders geht: Pässe von Bayerns Manuel Neuer kamen zu 86 Prozent an, Yann Sommer von Borussia Mönchengladbach schaffte 80 Prozent. Und nicht nur Koubek vertritt den FCA in der wenig schmeichelhaften Statistik weit vorne.
Marco Richter steht mit einer Passquote von 61,8 Prozent auf Rang fünf, Ruben Vargas mit 62,1 Prozent auf Rang sieben. Das überrascht vor allem bei Vargas, der in seiner Premierensaison in der Bundesliga zu den stärksten FCA-Spielern zählt. Doch den Spielern vorzuwerfen, sie seien unkonzentriert oder technisch schwach, greift zu kurz. Denn die Spielweise der Mannschaft bedingt einen Großteil der Fehlpässe.
Der Einfluss von Ex-Trainer Martin Schmidt, der kurz vor der Spielpause der Bundesliga entlassen wurde, ist unübersehbar. Er stand in bisher allen gespielten BundesligaPartien der Saison an der Seitenlinie und prägte einen Spielstil, der meist dem Gegner den Ball überließ: Meist hoch attackierend, mal tief stehend, lauerte seine Mannschaft auf Ballverluste des Gegners, um dann schnell umzuschalten – so schnell, dass die Präzision oft auf der Strecke blieb. Durchschnittlich schmale 36 Prozent Ballbesitz pro Spiel sprechen für sich.
Wenn von den dribbelstarken Flügelstürmern Richter und Vargas Pässe gefragt sind, dann nicht selten scharfe Hereingaben vors Tor, wo meist Gegenspieler warten. Für beide Angreifer geht es weniger darum, besonders viele Pässe anzubringen – sondern einmal im Spiel den Mitspieler zu finden, der ihre Vorlage verwertet. Deshalb sind auch bei anderen Vereinen neben den Torhütern vor allem Stürmer die Spieler mit den schlechtesten Zuspielen.
Der Mainzer Torhüter Robin Zentner, Union-Torjäger Sebastian Andersson und Frankfurts Flügelstürmer Filip Kostic liegen ebenfalls auf den vorderen Plätzen. Mit einer derartigen Passquote wären sie als Spielgestalter im zentralen Mittelfeld alle überfordert. Anders als Daniel Baier. Der gehörte zeitweise zu den passsichersten Spielern der Bundesliga. Inzwischen liegt er aber als nach wie vor bester FCA-Spieler mit einer Quote von 81 Prozent angekommener Pässe auf Platz 59. Das sind 14 Prozentpunkte hinter Ligaprimus Axel Witsel vom BVB.
Dabei muss eine Spielweise, die viele Fehlpässe mit sich bringt, nicht einmal zum Problem werden. Vor der Winterpause war der FCA mit dieser Taktik erfolgreich. Und Werder Bremen und der SC Paderborn sind in Sachen Passsicherheit im oberen Mittelfeld der Liga. Punkte brachte ihnen das kaum: Sie belegen die Abstiegsplätze. Sollte man in Augsburg dennoch an der Genauigkeit feilen wollen, ist das auch während Corona kein Problem: Passübungen eignen sich besonders fürs Training mit Sicherheitsabstand.