Und heimlich Butter
Otti Schneider, Lechbruck
1. Alles musste verdunkelt sein. Aus keinem Haus oder Fenster durfte Licht durchscheinen. Es gab auch keine Straßenbeleuchtung. Doch das war am 28. April vorbei.
2. Am 27. April wurden teilweise noch vorhandene Lebensmittel verteilt.
3. Am 28. April mussten für circa drei bis vier Tage viele Leute aus den Häusern, weil dort das amerikanische Militär übernachtete. Sie haben dort nur geschlafen, aber nichts zerstört.
4. Die meisten haben zum ersten Mal im Leben „Schwarze“gesehen. Auch Bananen und Orangen kannten viele nicht. Aber die Kinder waren sehr schlau, haben sofort erfasst, dass man mit Betteln Schokolade bekommt. Kaugummi war auch neu.
5. Über den Notsteg auf der eingestürzten Lechbrücke durfte man nachts nicht gehen. Es standen Wachposten dort.
6. Beim Bäcker nebenan sind lange Warteschlangen gestanden, es gab auf Marken Kartoffelbrot.
Später sind wir in die Trauchgauer Berge, um Reste vom deutschen Militär zu suchen. Wolldecken und Stahlhelme. Aus den Wolldecken gab es Kindermäntel und aus dem Lederteil im Stahlhelm das Oberteil für Sommerschuhe für Kinder. Die Sohle war aus alten Fahrradreifen oder geflochtenem Stroh.
Was man noch alles verwendet hat:
– Aus Grieben Plätzle gebacken. – Aus Fett Seife gemacht.
– Aus gesammelten Ähren, die manchmal nach der Ernte noch auf dem Acker lagen, Musmehlmus, das gab’s dann zum Frühstück. – Heimlich gab’s auch noch Butter, aber da durfte man sich nicht erwischen lassen.
– Aus Haselnussstöcken geschält und kleine Stücke geschnitten, zwei Kerben, dann Gummistücke von einem alten, kaputten Fahrradschlauch, das waren unsere Haarwickel.
– Tabak haben alle Männer selbst angebaut.
– Aus alten Plakaten, Filmreklame und so haben wir die Rückseite zugeschnitten und genäht als Schulhefte benutzt.
– Alte Stricksachen aufgetrennt und dann über ein Brett gespannt, dass die Wolle wieder glatt wird, und was Neues gestrickt.
– Hemden für Herren unten Stoff weggeschnitten, den kaputten Kragen abgetrennt und mit dem abgeschnittenen Stoff einen neuen Kragen genäht, unten irgendwas anderes hingenäht. Aber oben war das Hemd wieder wie neu.
– Viel Gemüse und Kartoffeln selbst angebaut.
– Beeren gesammelt, Nüsse und Bucheckern, Blätter von Birke und Brombeeren für Tee.
– Pech von den Tannen auf offene Wunden.