Deutschland braucht eine höhere Öko-Autoprämie Debatte
Die Branche ist für unsere Volkswirtschaft derart wichtig, dass die Bundesregierung ein weiteres Signal zum Kauf von E-Fahrzeugen setzen muss. Zunächst einmal lässt Merkel die Konzern-Bosse pädagogisch schmoren
Wer jetzt als Lobbyist die Hand nicht aufhält, hat seinen Beruf verfehlt. Denn die ökonomischen Corona-Folgen entfalten eine derartige zerstörerische Wucht, dass sich in vielen Branchen rasch reichlich gute Argumente für staatliche Hilfen finden. Doch die Bundesregierung kann schwer allen Wirtschaftszweigen gleichermaßen stützend unter die Arme greifen, ohne die Staatsfinanzen langfristig an die Wand zu drücken.
Dem Not-Staatskapitalismus wohnt also Ungerechtigkeit inne. Die Vertreter der Großen Koalition machen sich daher leicht angreifbar. Deshalb war es klug, dass Merkel & Co. zunächst leidgeprüften Gastronomen ein Solidaritätssignal gesendet haben, indem die Mehrwertsteuer auf Speisen vorübergehend gesenkt wird. Es wäre fatal gewesen, wenn sich die SteuerSchwalldusche erst einmal mit gewohnt hohem Wasserdruck über der Auto-Industrie ergossen hätte.
Wenn Wirte eine ebenso fordernde Lobby wie die Autobranche besäßen, würden sie sicher jetzt beim Staat nachbestellen. Wie wäre es mit einem Verzehrgutschein für jeden Deutschen im Wert von 500 Euro, den er bei Restaurants konjunkturstabilisierend veressen muss? Das fiktive Beispiel zeigt: Es gibt bescheidenere Wirtschaftszweige als die Fahrzeugindustrie. Doch das Händeaufhalten der Auto-Chefs nervt inzwischen selbst Unionspolitiker. So lassen die Verantwortlichen in Berlin Manager von VW, BMW und Daimler bis Juni schmoren. Erst dann soll feststehen, wie viel geldwerte Zuwendung das Steuergeld-Verteilungskommando Merkel AutoFürsten angedeihen lässt. Das pädagogische Signal der Politikerin an sie lautet: Auch ihr bekommt nicht sofort alles, was ihr wollt. Das Auto-Kanzlerinnentum Merkels scheint im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Schröder Grenzen zu kennen. Dabei wagt sie es letztlich sicher nicht, die Erziehungsversuche zu übertreiben. Am Ende wird auch Merkel zwar nicht die Schwalldusche für die Branche aufdrehen, aber es kräftig regnen lassen. Das wäre angesichts der immensen Bedeutung der Autoindustrie volkswirtschaftlich vernünftig. Dabei greift ein Verweis auf die reine Zahl von gut 830 000 Beschäftigten des Wirtschaftszweigs zu kurz. Indirekt hängt ein Vielfaches an Menschen vom nationalen Auto-Wohl ab. Geht es der Industrie gut, profitieren davon Bäcker, Metzger oder Radgeschäfte. Wenn es für deren Inhaber läuft, leisten sie sich wieder mal ein teures deutsches Premium-Fahrzeug und sichern damit die Jobs von Premium-Facharbeitern ab. So funktioniert eben ein Teil des Wohlstands in Deutschland.
Um aber einen Corona-Absturz ins ökonomische Nirwana zu verhindern, reicht anders als bei der Finanzkrise vor zehn Jahren keine Wiederauflage der Abwrackprämie. Es wäre zu simpel gestrickt, allein den Umtausch eines alten in ein neues Fahrzeug zu belohnen, zumal die Wirkung des Instruments umstritten ist. Kritiker bemängeln zu Recht, dass dadurch 2009 auch der Absatz von Kleinwagen ausländiAnfang scher Hersteller spürbar stark angekurbelt wurde. Wirkungsvoller als eine Abwrackprämie 2.0 ist eine Innovationshilfe, wie sie Bayerns Ministerpräsident Söder anregt. Hier würden Käufer umweltbewusster Autos besonders belohnt. Das hieße Vorfahrt für Elektrowagen und Hybridfahrzeuge, aber auch Kaufanreize für die neuesten, schadstoffärmeren Diesel- und Benzinautos. Pädagogisch wertvoller als der zu pragmatische Söder-Plan wäre es indes, allein Prämien für E- und Hybridmodelle zu gewähren. Wenn Käufer solcher Autos einschließlich der alten Zuschüsse bis zu 10000 Euro gesponsert bekommen, könnte die überfällige Verkehrswende Fahrt aufnehmen. Eine solche Öko-Innovationsprämie 4.0 würde Deutschland technologisch wie ökologisch voranbringen.