Urlaub, wie es ihn noch nie gab
Die EU-Kommission legt Vorschläge für Reisen, Aufenthalt und Heimkehr aus den Ferien vor
Brüssel Die Schutzmaske wird zum Begleiter in den Urlaub, während des Aufenthaltes und auf der Rückreise. Um dieses wichtige Utensil drehte sich alles, was die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel für die schönsten Wochen des Jahres an Vorgaben, Leitlinien und Gesetzesvorschlägen präsentierte. VizeKommissionspräsidentin Margrethe Vestager drückte das fast schon bedauernd aus: „Der Sommerurlaub 2020 wird anders, als wir es bisher gewohnt waren.“
Ob beim Einchecken im Flugzeug oder beim Besteigen eines Zuges oder Busses – schon da müssen Airlines und Flughafen- sowie Bahnhofsbetreiber für die Einhaltung des Mindestabstandes sorgen, heißt es in dem Papier. Massenaufläufe soll es weder bei der Sicherheitskontrolle noch im Wartesaal am Gate oder beim Einsteigen geben. Die Maske bleibt auf. Eine Vorschrift, wie viele Sitze in der Bahn, im Bus oder im Flieger frei bleiben müssen, gibt es nicht. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson betonte: „Wir empfehlen das nicht.“Flugzeuge hätten ohnehin Filter und einen intensiven Luftaustausch. Das Gepäck wird desinfiziert. Am Zielort sollen nach dem Willen der Kommission die gleichen Vorschriften gelten – bis hin zur Bereitstellung von Zimmern, in denen Urlauber, die sich vor Ort mit dem Coronavirus infiziert haben, isoliert werden können.
Das seien alles Vorschläge, betonte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Man wolle den Mitgliedstaaten, aber auch den Reiseunternehmen, Airlines und übrigen Verkehrsträgern Anregungen geben. Auch einen konkreten Termin, bis zu dem die Mitgliedstaaten die Grenzen wieder öffnen sowie die freie Ein- und Ausreise ermöglichen, gab es nicht – und auch keine Anspielung darauf, dass am Mittwoch zur gleichen Zeit Deutschland, Österreich, die Schweiz und Luxemburg konkrete Angaben für den Neustart der Reisefreiheit verkündeten. Brüssel sieht sich als der Moderator zwischen den Mitgliedstaaten. Die vielleicht entscheidende Wende steckt in dem Satz, dass die bisherigen „pauschalen Einschränkungen der Freizügigkeit durch gezielte Maßnahmen ersetzt werden“sollen. Die EU entlässt die Mitgliedstaaten in die Selbstständigkeit, wie es zuvor schon Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den deutschen Bundesländern getan hatte.
Stattdessen betonte die EU-Kommission gestern europäische Grundsätze. So dürfen die Regierungen ihre Grenzen nicht nur für die Einwohner bestimmter Mitgliedstaaten öffnen. Dies wäre eine Diskriminierung, die „strikt verboten“ist, wie es Ylva Johansson ausdrücklich betonte. In zwei Punkten machten die Kommissare am Mittwoch in Brüssel den urlaubshungrigen Europäern allerdings keine Hoffnung. „Es wird in dieser Sommerzeit sicherlich nicht zu Veranstaltungen auf irgendwelchen Inseln kommen, bei denen sich Zigtausende zum Feiern treffen“, sagte Vestager. Und auch Reisen in Länder außerhalb der Europäischen
Union würden weiter nicht möglich sein. Es werde „noch lange“dauern, ehe diese „große Freiheit“für Urlauber wiederhergestellt sei.
„Wir brauchen gemeinsame Gesundheitsund Hygienestandards für Hotels und Restaurants“, kommentierte der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im EUParlament, Jens Gieseke. „Auch für Flug- oder Bahnreisen sind strenge Schutzkonzepte nötig.“Umstritten ist dagegen zwischen den EU-Institutionen die jetzt absehbare Praxis der scheibchenweisen Grenzöffnung zwischen den Mitgliedstaaten. „Wenn sogar die Weltgesundheitsorganisation von Grenzschließungen abrät, müssen wir sofort zurück zu freien Binnengrenzen in Europa zurückkehren“, erklärte der FDP-Europapolitiker Moritz Körner. „Ich bin entsetzt, wie leicht wir diese europäische Errungenschaft in der Krise aufgeben.“