Ein stolzer Blick zurück
Vor 50 Jahren wurde die Universität Augsburg gegründet. Zum Jubiläum gibt es nun die Festschrift „Wissenschaft. Kreativität. Verantwortung“. Darin geht es nicht nur um acht Fakultäten, sondern auch um 1500 Bäume
Wer denkt an 1500 Bäume, wenn er fünfzig Jahre Universität Augsburg Revue passieren lässt? Aber genau sie machen den grünen Campus am südlichen Stadtrand so unverwechselbar. Uni-Kanzler Alois Zimmermann ist für die Bäume auf 467000 Quadratmeter Park genauso verantwortlich wie für 3150 Beschäftigte, 550 Lehrbeauftragte und einen Jahreshaushalt von 182 Millionen Euro. Auch von dieser Seite lässt sich Universitätsgeschichte schreiben. In der mächtigen, 380 Seiten starken Festschrift „Wissenschaft. Kreativität. Verantwortung“hat eben auch das Überraschende und Hintergründige seinen Platz gefunden.
Lange vor ihrer tatsächlichen Gründung per Gesetz zum 1. Januar 1970 und der Eröffnung mit Staatsakt am 16. Oktober 1970 war die Universität in Augsburg sehnlichst erwartet worden. Schon in 1950ern setzten Bestrebungen ein, eine medizinische Akademie zu etablieren; diese Hoffnungen wurden genährt durch den Beschluss des Stadtrats aus dem Jahr 1958, auf dem Kobelfeld ein Zentralklinikum zu errichten. Erst 60 Jahre danach durfte das Krankenhaus den stolzen Titel Universitätsklinik führen. Der jüngsten Fakultät, der Ende 2016 eröffneten medizinischen, wird ein stürmisches Wachstum vorhergesagt.
Die Anfänge der Uni Augsburg lagen indes versteckt im Hinterhof eines Gewerbegebietes. Statt akademischer Herrlichkeit war pragmatische Sachlichkeit angesagt. Modernes schwebte dem Gründungspräsidenten Louis Perridon vor, vernetztes Wissen, das in Kleingruppen bearbeitet wird und kontinuierlichen Qualifikationszuwachs garantiert. Erst 25 Jahre später sollte die Wirtschaftsfakultät auf den Campus umziehen, der auf den einst kargen Schafweiden rund um den alten Flugplatz ab Herbst 1977 errichtet wurde.
Hier dominierte zunächst des Geistes Reich der Theologen, Philologen und Pädagogen mit dem Tempel der Universitätsbibliothek.
Wie aufmerksam sie am Puls der Zeit fühlen, beschreiben die inzwischen acht Fakultäten in ihren Beiträgen. Höchstes Lob zollt etwa der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, seiner juristischen Fakultät. „Ich spüre die stete Leichtigkeit des Aufbruchs“, schreibt er. Die Kolleginnen und Kollegen seien in unprätentiöser Weise immer in Bewegung und auf der Suche nach dem Neuen.
Nichts ist geblieben, wie es war. Mit Einführung der neuen Abschlüsse von Bachelor und Master veränderten sich allerorten die Studienstrukturen. Die Modularisierung zwingt den zerstreuten Professor zur Vergleichbarkeit der Stoffvermittlung, straffe Prüfungsvorgaben engen den Blick auf die Nachbarwiesen ein. Zugleich wird jeder Universität ihre Profilbildung abverlangt, dass Forschung und Lehre eigene Akzente setzen und sich unterscheiden.
Augsburg propagiert Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel seit ihrem Amtsantritt 2011 die „Netzwerkuniversität“. In der Festschrift schreibt sie: „Akteure mit unterschiedlichen Interessen treten in stetige Wechselbeziehungen ein, was die gesamte Struktur im Fluss hält.“Das heißt, dass mehrere Fächer sich an einem Forschungsprofil beteiligen. So sind alle acht Fakultäten im Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung vereinigt, das Medizinrecht, die Gesundheitsökonomie, Musiktherapie, Ethik, Soziologie, die Umweltforschung und ganz besonders eng an der Medizin die Informatik.
Vielfältig sind die Beziehungen der Universität in die Stadt hinein. Augsburg wäre stiller ohne das Leopold-Mozart-Zentrum. Die musikalische Abteilung stemmt rund 200 Veranstaltungen im Jahr, denn die Aufführungspraxis gehört zur Ausbildung eines Profi-Musikers zwingend dazu. Bespielt die ganze Stadt, vom prunkvollen Goldenen Saal bis zur ehemaligen Werkhalle im Textilund Industriemuseum. Die Lange Nacht der Wissenschaft füllt das ganze Rathaus und noch mehr mit seinen Geistesblitzen.
Beliebte Reihen wie die „Großen Werke der Weltliteratur“ziehen schon mal 400 Zuhörer an. Das Jakob-Fugger-Zentrum präsentiert ausgezeichnete internationale ForIn scher wie Achille Mbembe. Die älteste Vermittlungsinstanz zwischen der Wissenschaft an der jungen Universität und der Praxis ist das Augsburger Konjunkturgespräch, das seit 1975 alljährlich Schwabens Unternehmer anzieht. Denn ein bisschen Unterhaltung darf dabei sein, wie damals zum Abschied von IfoDirektor Hans-Werner Sinn im Streitgespräch mit der Linken Sahra Wagenknecht.
Nicht zuletzt brachte die Universität junges Leben in die Stadt. Studierende bevölkern Kneipen und Clubs, genießen Augsburgs italienisches Flair, sie shoppen und jobben. Nicht zuletzt steigerten über 20000 Studierende die Einwohnerzahl auf die großstädtische 300 000er Marke. Doris Schneider, die Geschäftsführerin des Studentenwerks, stellt fest, dass deren Zusammensetzung immer diverser wird, es treffen vermehrt Nationalitäten und Kulturen auf dem Campus aufeinander, und auch das Alter spreizt sich vom gerade Volljährigen bis zum berufserfahrenen Quereinsteiger.
Dynamisch entwickelt sich die 50-jährige Universität weiter. In wenigen Jahren erhebt sich neben der Uniklinik ein zweiter Campus oder besser gesagt: eine Wissenschaftsstadt. Eines Tages braucht es auch nicht mehr des Zusatzes „Universitätsstadt“auf den Ortstafeln.
»
Hrsg. von Hubert Zapf, Verlag Schnell + Steiner, 383 S., 20 ¤