Weihnachten findet statt – und jetzt aber mal Ruhe!
Was war das für eine Aufregung um die bevorstehenden Feiertage und wie viele Menschen an die Nordmanntanne dürfen. Appell für einen umso stilleren Advent
Nun wissen wir es also nach dieser weiteren turbulenten, Schlagzeilen und Eilmeldungen produzierenden Woche: Außer einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen fürchtet die Politik hierzulande anscheinend nichts mehr, als den Bürgern das Weihnachtsfest zu vermiesen. Und daran ändert auch kein Virus etwas, wie übrigens auch ein Herodes der christlichen Überlieferung nach nichts am Verlauf der Heilsgeschichte ändern konnte.
Und schon an dieser Stelle muss man aber einwenden: Geht es denn überhaupt noch um diese Geschichte, um das, was an Weihnachten eigentlich gefeiert wird? Wenn das, wie Umfragen nahelegen, für eine Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr gilt (sei’s bewusst, sei’s, weil sie kaum einmal mehr wissen, wo Bethlehem liegt), so ist das in einem weitgehend säkularen Staat kein Problem. Umso mehr aber verwundert dann doch die gewaltige Aufregung darüber, wie viele Menschen aus wie vielen Haushalten denn nun genau unter wie vielen Quadratmetern Nordmanntanne sitzen dürfen (Gänse unter vierzehn Jahren werden nicht mitgerechnet). Jetzt aber ist also auch das geregelt, und, halleluja: Weihnachten findet statt!
Es passt vielleicht nicht in diese Zeit, aber ein bisschen muss man schon polemisch werden, wenn jene Feiertage, in die in gewöhnlichen Jahren viele gestresst hineinstolpern, mit Schwiegermutter, wegen Socken oder Söder streiten, nun zu einer Frage des nationalen und individuellen Wohls und Wehes werden. Das liegt auch an Medien und Politik, den bisweilen schrillen Tönen vom„Kampf ums Fest“(Spiegel) oder gar den „härtesten Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben“(Armin Laschet). Mit Verlaub: Selbst bei einem Punsch-Verbot in Haushalten mit ungerader Postleitzahl wäre eine solche Blut-Schweiß-und-Tränen-Tonalität leicht übertrieben.
Ebenso wie im Übrigen die Einlassung von Friedrich Merz, dass es den Staat nichts angehe, wie er mit seiner Familie Weihnachten feiere – der billig kalkulierte Applaus im Rennen mit Laschet um den CDUParteivorsitz dürfte nämlich rasch verstummen, wenn man die Aussage nur leicht modifiziert, etwa die derzeit viel bemühte „Großfamilie“ einfügt und Weihnachten mit Hochzeit ersetzt.
Was geht den Staat also an? Was in all dem Getöse jedenfalls fast schon untergeht: Dieser Staat, vielmehr die Länder und der Bund, hat sich angesichts der bevorstehenden Feiertage schlicht pragmatisch gezeigt und der Lebensrealität, wenn auch vielleicht nicht den epidemiologischen Erkenntnissen, Rechnung getragen: Auch ohne temporäre Lockerungen und selbst unter Androhung, mindestens den Knecht Ruprecht, wenn nicht gar Karl Lauterbach vorbeizuschicken, wären in diesen und – wie Mobilitätsdaten zeigen – zunehmend corona-müden Zeiten wohl Menschen aus mehr als zwei Haushalten zusammengekommen. Und dass sich die Omi nun beim Plätzchenverteilen nicht wie eine Hasch-Dealerin, jedenfalls nicht irgendwie „illegal“vorkommt, ist immerhin gut, auch wenn sich jede Familie nach wie vor gut überlegen sollte, inwieweit sie den Rahmen ausschöpft. Und damit wäre es auch gut, wäre nicht die Tonlage wie gesagt mittlerweile eine so schiefe, in jeder Hinsicht. In den Wochen vor Ostern – übrigens eigentlich der höhere Feiertag – hat anders als jetzt ja auch kein Politiker gesagt: Wenn ihr schön brav seid, dann hoppelt vielleicht noch der Hase!
Nun aber darf zumindest das Christkind kommen und die Playstation persönlich vorbeibringen, und an diesem Wochenende beginnt der Advent. Vielleicht ja die Gelegenheit, diesen mal wieder ernst zu nehmen. Und – anders als im sonstigen Dezemberrummel – endlich mal ein wenig Ruhe zu geben.
Wenn ihr brav seid, hoppelt vielleicht noch der Hase!