Hat Arzt Erdogan beleidigt?
Deutscher Urlauber sitzt in Antalya in Haft
Istanbul Einem deutschen TürkeiUrlauber drohen bis zu vier Jahren Gefängnis, weil er Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben soll. Der 63-jährige Kristian B., ein Zahnarzt aus Wuppertal, sitzt seit einem Monat in Untersuchungshaft, weil er bei einem Streit am Gepäckband nach der Ankunft am Flughafen in Antalya über Erdogan geschimpft haben soll. Der Fall belastet die gespannten deutsch-türkischen Beziehungen kurz vor der Entscheidung der EU über Sanktionen gegen Ankara zusätzlich.
Kristian B. wartet in U-Haft in Antalya auf den Prozessbeginn, wie sein Anwalt Ahmet Ünal Ersoy unserer Redaktion in Istanbul sagte. Laut Ersoy, Vertrauensanwalt des deutschen Konsulats in der Urlauberstadt, geht es um einen Vorfall am 4. November. Der herzkranke B. habe auch aus Sorge vor einer Corona-Ansteckung eine neben ihm stehende Frau am Gepäckband aufgefordert, mehr Abstand zu halten, und sei mit ihr in Streit geraten. Die Frau habe die Flughafenpolizei alarmiert. Die Beamten hätten B. mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe die Frau, das „Türkentum“und Erdogan beleidigt. Ein Haftrichter ordnete U-Haft an. Anwalt Ersoy wies die Vorwürfe zurück und kritisierte die Justiz, überreagiert zu haben. B. habe weder den Staat noch Erdogan beleidigt, sondern sei ein Freund der Türkei. Er habe keine Probleme mit der Türkei, den Türken oder Muslimen. Schließlich habe er sich trotz Corona-Pandemie für eine Reise entschieden. Die Bundesregierung ist informiert: Der Angeklagte werde konsularisch betreut, hieß es im Auswärtigen Amt.
Die Regierung in Ankara äußerte sich nicht. Laut Gerichtsakten wird B. vorgeworfen, die Türkei als „Scheiß-Land“beschimpft zu haben. Er habe gesagt: „Alle Muslime sind Mörder. Ihr seid alle Mörder.“Fest steht: In der Vergangenheit sind mehrfach Urlauber wegen angeblich staatsfeindlicher Äußerungen inhaftiert und angeklagt worden. Mit dem Fall B. verschärfen die Behörden ihre Linie: Die Beschwerde der Frau am Gepäckband reichte. Bei Präsidentenbeleidigung geht die Justiz rigoros vor: 2019 gab es 36000 Verfahren, fast 4000 Menschen wurden bestraft.