Es geht nicht darum, die Beschlüsse einstimmig zu fassen
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Sie dürfen gerne ein Beispiel nennen.
Weber: Ich glaube schon, dass wir in Augsburg die Pandemie und alles, was mit ihr zu tun hat und unter Beachtung auch der Fehler, die passiert sind, gut im Griff haben. Ich habe Zeiten in diesem Jahr erlebt, wo täglich unzählige Verfügungen des Freistaates und ministerielle Schreiben eingingen. Die müssen ausgewertet, eingeordnet, umgesetzt werden. Ich habe Mitarbeitende erlebt, die bis zum Rand der Erschöpfung auch an Wochenenden in Videokonferenzen präsent waren. Wenn am Adventssonntag Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten tagen, dann sitzt der operative Krisenstab, der nicht nur aus der Stadtspitze besteht, vor der Pressekonferenz und danach werden die Aufgaben verteilt, weil man keine Zeit verlieren will. Oder das Stammpersonal des Gesundheitsamtes, das mit seinem Fachwissen als Multiplikator eine Schaltzentrale für die Bekämpfung der Pandemie ist. Oder die Lehrer, Erzieher, die den Laden am Laufen gehalten haben. Ich bin stolz und dankbar auf diese Teams, die so viel geleistet haben.
Sie sind seit Mai im neuen Amt. Hat Corona in dieser Zeit alles bestimmt?
Weber: Nein, aber vieles. Es sind aber auch viele andere Themen bearbeitet worden, eine Stadt steht ja nicht still und man darf nicht den Blick für das große Ganze verlieren. Es sind viele Beschlüsse gefasst worden – zu den Schulsanierungen, zur Linie 5, zum Klimaschutz und dann der Doppelhaushalt, der nur mit sieben Gegenstimmen verabschiedet wurde. Das war viel Arbeit, diese Mehrheiten zu gestalten, aber das hat mich glücklich gemacht, weil es zeigt, dass das gemeinsame Verantwortungsbewusstsein der Stadträte für Augsburg groß ist. Oder auch das Thema der digitalen Endgeräte für Schüler oder das Hundert-Millionen-Programm für künstliche Intelligenz… Es ist so viel dieses Jahr passiert. Corona hat nur alles überschattet. Man redet ja auch über nichts anderes mehr, das geht einem ja im Privaten auch schon so.
Sie hatten sich viel vorgenommen für die Zeit nach der Wahl. Welche Projekte, die jetzt nicht umgesetzt werden konnten, schmerzen Sie besonders? Weber: Da gibt es ganz viele, aber eines, das mir wirklich am Herzen lag, war das Thema Bildungsbüros. Das wollten wir dezentral aufziehen, nun muss man aufgrund der Finanzsituation sehen, wie man das machen kann. Oder zum Beispiel auch das Thema, die – ich nenne es jetzt mal so – Start-up-Denke in den Schulen zu etablieren. Es sind halt nicht nur finanziell, sondern auch personell Grenzen da, wenn zum Beispiel eine ganze Wirtschaftsförderung seit Monaten nichts anderes macht, als eine Hotline zu bedienen und den Unternehmen zu helfen, über die Existenzkrise hinwegzukommen. Das ist nun die vordringlich wichtigere Aufgabe.
Sie hatten vor der Wahl gesagt, Sie wollen sich um mehr Miteinander auch mit der Opposition bemühen. Bei den Beschlüssen zur Linie 5 und zum Theater war die Opposition geschlossen dagegen. Was ist denn geworden aus diesem Mehr an Miteinander? Weber: Ich möchte nicht sagen, dass das Klima rauer geworden ist, das finde ich nicht, weil man trotzdem einen guten Umgang miteinander pflegt. Ich denke aber, der Stadtrat ist in den vergangenen Monaten diskussionsfreudiger geworden und das ist etwas Positives. In den letzten Jahren gab es oft den Vorwurf, dass alles zu weichgespült ist, dass aufgrund der Großen Koalition nichts mehr infrage gestellt wurde. Das, was jetzt geschieht, tut der Demokratie doch gut.
Trotz der harten Debatten und einer teils spürbaren Distanz?
Weber: Dass manche Dinge nicht funktionieren, da ist auch Corona schuld. Mir wäre es wichtig gewesen, dass wir als Gremium mehr zusammenwachsen. Teambuilding heißt das auf Neudeutsch. Mit den Stadträten, die neu sind und nicht meiner Fraktion angehören, habe ich bis auf Hallo und Tschüss noch nicht viel gesprochen. Aber es ist auch wichtig zu verstehen, wo die Schwerpunkte der Menschen liegen, was sie gerne mögen und umsetzen mögen, um das in die Arbeit zu integrieren. Was ich mit mehr Miteinander gemeint habe, ist aber etwas anderes.
Was haben Sie denn gemeint?
Weber: Es ging mir nicht darum, dass künftig alle Beschlüsse einstimmig sein sollen, dass nicht mehr diskutiert wird oder so lange, bis sich alle einig sind. Was ich meinte, war, dass die Opposition einen größeren Spielraum bekommt – und zwar vor allem auch in Gremien, die nicht Stadtrat oder Ausschuss heißen, für die ja festgelegt ist, wie viele von welcher Fraktion oder von den Einzelstadträten dort vertreten sind. Es hat in den letzten Jahren kein einziges Mal Ausschussvorsitzende gegeben aus Reihen der Opposition. Das habe ich geändert. Oder nehmen Sie zum Beispiel die Aufsichtsräte. Da sitzen jetzt auch Vertreter der Opposition. Das war mir wichtig. Wir hatten in den letzten Monaten auch schon Situationen, in denen Oppositionsvertreter in Aufsichtsräten gegen etwas gestimmt haben. Das hat es früher nicht gegeben. Diese Zusammensetzung hätte ich so nicht gestalten müssen, aber mir war das einfach wichtig, dass es eine Einbindung über die Koalition hinaus gibt.
Nicht alle teilten die Begeisterung für eine schwarz-grüne Regierungskoalition ...
Weber: Ein Wort zur Koalition. Ich glaube, dass der Wählerwille nach dem 15. März deutlich ablesbar war. Schwarz und Grün haben eine sehr deutliche Mehrheit zusammen und ich glaube, dass das momentan das interessanteste Angebot ist. Diese Konstellation kann dafür sorgen, dass man Ökologie und Ökonomie verbindet. Das ist auch der Geist, un- ter dem der Koalitionsvertrag hier entstanden ist. Das wird nicht nur in Augsburg, sondern auch aus München und Berlin beäugt. Da schauen jetzt viele, wie das in der Großstadt funktioniert.
Und, wie funktioniert’s?
Weber: Man darf eine Koalition nicht darauf runterbrechen, dass die Partner immer einer Meinung sein müssen. Wir sind nach wie vor zwei Parteien mit eigenen Gedanken und DNA. Da gibt es natürlich Diskussionen, aber nicht auf persönlicher Ebene. Das sind gute, sachliche Diskussionen. Der Koalitionsausschuss ist ein Gremium, das Spaß macht. Da wird um Themen gerungen, tief diskutiert. Das finde ich auch für unsere Stadt so wichtig. Wir als CSU müssen unsere Wähler mitnehmen und CSU-Politik machen, das gilt für die Grünen auch. Da die Schnittmengen rauszufinden, ist spannend.
Vom Klimacamp einmal abgesehen, wo sind andere Reibungspunkte zwischen Ihrer Partei und den Grünen, wo muss man Kompromisse machen?
Weber: Das hört sich so an, als wären
Kompromisse etwas Schlechtes. Ich finde Kompromisse gut, aber der Wille zum Kompromiss, der zu jeder Gesellschaft gehört, wird immer kleiner. Reibungspunkte gibt es in der Koalition bei vielen Themen, zum Beispiel auch bei der Frage, wie gestaltet man eine Innenstadt, wie geht man mit einem Stadtsommer um. Da geht es oft darum, wie genau etwas aussieht. Es gibt pragmatischere Ansätze und grundsätzlichere. Aber Kompromisse sind etwas, was unsere Gesellschaft handlungsfähig macht. Wenn wir Kompromisse finden, ist das Lebensgefühl der Augsburgerinnen und Augsburger bestmöglich abgebildet.
Wenn Corona hoffentlich irgendwann nicht mehr alles bestimmt, was wollen Sie politisch zügig anpacken?
Weber: Ich möchte die Frage eine Ebene höher ansiedeln. Die wichtigere Frage wird sein: Wie geht es unserer Stadt, was braucht sie und wie überwindet sie diese Pandemie. Es gibt nicht wenige, die extrem darunter leiden – Kulturschaffende, Gastronomie, Einzelhandel aber auch viele, die in Kurzarbeit sind oder in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind. Es wird eine Riesenherausforderung, die Spätfolgen dieser Pandemie zu überwinden.
Spielen die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags da überhaupt noch eine Rolle?
Weber: Es gibt im Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün viele gute Antworten, wie eine Stadt sich entwickeln muss. Das wird gerade überprüft und angepasst an die Situation. In acht Monaten Pandemie hat sich vieles verändert. Politik heißt auch, permanent nachzujustieren und das zu verändern, was die Gegenwart einem mit auf den Weg gibt.
Eine letzte Frage, Frau Weber. Wie werden Sie dieses Weihnachtsfest verbringen?
Weber: Wir werden im allerkleinsten – wie soll es in diesem Jahr auch anders gehen – Familienkreis feiern.
● Eva Weber, 43, ist CSUPolitikerin, bei der Kommunal wahl 2014 trat sie erstmals auf der CSU Liste an. In der Amtsperiode bis 2020 war sie Wirt schafts und Finanz referentin sowie zweite Bürgermeiste rin. Weber ist die Tochter des CSUPo litikers und ehe maligen Staatssekre tärs Alfons Zeller. Weber ist verheiratet .