So viel Geld war mit den MaskenDeals zu kassieren
Eine hessische Textilfirma soll rund 200 Millionen Euro eingenommen haben – mit der Hilfe zweier Abgeordneter. Die Dimension des Geschäfts erklärt auch die horrenden Provisionen. Was geschieht nun mit Alfred Sauters Spende?
Augsburg Die dubiosen Masken-Geschäfte von Politikern werfen abgesehen von der strafrechtlichen und der moralischen Komponente auch ein Schlaglicht darauf, wie viel Geld mit Lobbyismus tatsächlich zu verdienen ist. Auf den ersten Blick mag es grotesk erscheinen, dass Alfred Sauter und Georg Nüßlein jeweils 1,2 Millionen Euro für eine im Aufwand doch recht überschaubare Tätigkeit kassiert haben beziehungsweise kassieren sollten. Erst recht vor dem Hintergrund, dass ja noch drei weitere Vermittler in die Deals involviert waren, denen offenbar ebenfalls siebenstellige Summen zugesagt worden sind. Doch für den hessischen Maskenhersteller hat sich diese hohe Investition trotzdem gelohnt.
Nach Recherchen unserer Redaktion verkaufte das Unternehmen, dem der Bundestagsabgeordnete Nüßlein staatliche Aufträge zugeschanzt haben soll, rund 55 Millionen Masken an verschiedene Ministerien und Behörden. Der Stückpreis lag demnach zwischen 3,70 und 3,80 Euro. Angesichts eines Gesamtvolumens von mehr als 200 Millionen Euro erklären sich dann auch die hohen Provisionszahlungen von insgesamt fünf bis sechs Millionen Euro an die Helfer im Hintergrund. Der Landtagsabgeordnete Sauter hat selbst bestätigt, dass er in seiner Funktion als Anwalt zumindest für einen der Deals den Vertrag aufgesetzt hat. Es ging um ein Geschäft mit dem bayerischen Gesundheitsministerium. Dass diese Leistung allein 1,2 Millionen Euro wert gewesen sein soll, glauben die Ermittler nicht. Mit einem Anwaltshonorar ist eine solche Summe jedenfalls kaum zu erklären. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der frühere bayerische Justizminister auch schon an der Anbahnung des Deals beteiligt war. Aus rechtlicher Sicht geht es vor allem um die Frage, ob er seinen Status als Abgeordneter genutzt hat, um ein Geschäft in Gang zu bringen, an dem er wiederum als Anwalt Geld verdient hat.
Der 70-Jährige räumte zu Beginn der Ermittlungen ein, dass er über das Honorar für seine anwaltliche Tätigkeit hinaus einen zusätzlichen „Geldbetrag“bekommen hat. Nach Sauters Erzählung habe er dieses Geld nach Abzug aller Steuern von Anfang an spenden wollen. Zwar ist tatsächlich eine Spende bei einer Günzburger Stiftung eingegangen. Allerdings erst am 8. März, als die Razzien bei Nüßlein und in der Geschäftsstelle des Günzburger CSUKreisverbandes
längst stattgefunden hatten und auch Sauter schon ins Visier der Ermittler geraten war. Abgesehen davon bleibt die Frage, warum das Geld so nebulöse Umwege über Liechtenstein, die Karibik und eine Firma gehen musste, die Sauters Familie gehört und von seinem Günzburger Parteifreund Manfred Krautkrämer treuhänderisch verwaltet wird, wenn Sauter ohnehin vorhatte, es ordentlich zu versteuern und einem guten Zweck zuzuführen.
Bei den anderen vier Vermittlern sind die Provisionen nicht oder zumindest nicht vollständig angekommen, nachdem die Liechtensteiner Finanzaufsicht Verdacht geschöpft hatte. Das Fürstentum will seinen Ruf als Steueroase und Spielwiese für Leute, die Geld waschen oder verschwinden lassen wollen, loswerden. Das wurde Nüßlein zum Verhängnis. Er erhielt zwar 660000 Euro, doch eine solch hohe Zahlung an einen Abgeordneten kam der Bank komisch vor. Weitere Überweisungen wurden gestoppt, stattdessen erhielt die deutsche Justiz einen Tipp von den Liechtensteiner Kollegen – damit kam die MaskenAffäre ins Rollen.
Eigentlich hätte auch Nüßlein 1,2 Millionen Euro bekommen sollen. Wenn man das in Relation zu den 10 083,47 Euro Entschädigung setzt, die er als Abgeordneter monatlich bekommt, war das ein einträgliches Geschäft – allerdings eben moralisch fragwürdig und möglicherweise auch strafbar.
Wer in dem 200-Millionen-EuroGeschäft welche Rolle spielte und was aus dem restlichen Geld wurde, das in Liechtenstein hängen geblieben ist, ist noch Teil der Ermittlungen. Es könnte noch auf Konten des Lobbyisten und Ex-Managers Thomas Limberger liegen, der die Provisionen über ein kompliziertes Firmengeflecht an Nüßlein und Sauter weitergegeben haben soll. Er selbst steht nun unter Bestechungsverdacht und gehört zu den fünf Beschuldigten in dem spektakulären Verfahren.
Unsere Recherchen und die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München belegen schon jetzt, wie viel Geld zu Beginn der Pandemie mit dem Handel von damals dringend gebrauchter medizinischer Schutzausrüstung zu verdienen war. Sie zeigen aber auch, wie sicher sich Lobbyisten und Abgeordnete gefühlt haben müssen. Sauter hält den Verdacht gegen sich bis heute für „abenteuerlich“. Ob die Günzburger Bürgerstiftung – die er übrigens selbst mitgegründet hat und deren Stiftungsratsvorsitzender Parteifreund Krautkrämer ist – die Spende von 470000 Euro behalten darf, erscheint fraglich. Krautkrämer, der in dem Verfahren ebenfalls als Beschuldigter geführt wird, hat aber schon eine Idee. Er schrieb jetzt an die Stiftung: „Wenn die Bürgerstiftung aufgrund der Gesamtumstände die Annahme der Spende ablehnt, haben meine Mandanten auch kein Problem damit, wenn die Spende auf das Konto, von dem sie kam, zurücküberwiesen wird. Man wird dann über eine andere Verwendung entscheiden.“Nur: Da wird die Generalstaatsanwaltschaft wohl noch ein Wörtchen mitreden wollen.