„Bin ich schon dran?“
Der dritten Folge des Digitalprojekts „W – eine Stadt sucht ihre Wohnung“gelingt auch ohne unmittelbaren Kontakt Nähe zum Publikum – und der Zuschauer wird zum Kollegen im künstlerischen Prozess
Laura (Elif Esmen), die Stararchitektin mit den hochfliegenden Ideen, wacht in einem Krankenhaus auf. Nur langsam kehren die Erinnerungen zurück. Der Investor Shark Trust hatte sie engagiert, um das Denkmalviertel von Adelma zu sanieren. Doch er riss die Häuser ab und Laura begreift: Sie ist in einem realen Thriller gelandet, Wohnraum ist Ware und dem freien Spiel des Marktes, der Korruption und Gewalt überlassen. Auch einen Toten gab es schon: Karl Kalender, der widerständige Moderator des lokalen Fernsehsenders, war erschossen worden, Laura selbst kam nur knapp mit dem Leben davon. Karl Kalender ist jetzt zur Kultfigur der Widerstandsgruppe „W“gegen die Eliten von Adelma geworden.
Die Bühnen des Staatstheaters im Martinipark liegen seit einem Jahr brach. Kein Publikum, niemand. Doch alle paar Wochen erwacht das Gelände zum Leben. Dann kommt Regisseur Nicola Bremer mit seiner Stirnkamera vorbei und inszeniert auf der Probebühne fünf Tage lang
„W – Eine Stadt sucht ihre Wohnung“. Die Fisheye-Kamera auf dem Kopf, begrüßt Bremer die Schauspieler Elif Esmen, Julius Kuhn, Sebastian Müller-Stahl und Pascal Riedel, eine weitere Handvoll Techniker und vor allem die Zuschauer an ihren Bildschirmen zur dritten Folge des Politthrillers in Adelma. Aus dem Homeoffice auf zugeschaltet ist Maurice Chef, CEO von Shark Trust, gespielt von Kai Windhövel, der als Bild im Bild per Video aus seinem Augsburger Homeoffice zugeschaltet ist.
Hier fiebert niemand auf eine perfekt geglättete Endpremiere hin, sondern präsentiert sich im „Making-of“. Die Probenarbeit mit ihrer zentralen Frage „Bin ich schon dran?“– das ist die Aufführung. Mehrere verteilte Kameras erzeugen Nähe zum Geschehen und zu den Schauspielern – ein Vorteil gegenüber dem analogen Zuschauerraum mit seiner scharfen räumlichen Trennung. Eine lockere Moderation gibt zudem den Zuschauerchat an die Bühne weiter. Vor allem hier entspinnt sich ein bisweilen saMalle tirisches Hin und Her: Zuschauer nicht nur als Zeugen, sondern als Kollegen im künstlerischen Prozess – ein Beteiligungsformat, das charmant und auf der Höhe von Politik, Zeit und Technik daherkommt.
Der Fortgang der aktuellen dritten von fünf Folgen jedenfalls ist noch bis einschließlich Samstag kostenlos zu beobachten. Es geht um das Mysterium der verschwundenen Bürger, um den ermordeten Kalender, die Immobilienmafia, den korrupten Bürgermeister und die Gruppe „W“. Wird Laura sich von dem Aktivistentrupp – der aussieht wie die Trump-Fans beim Sturm des Capitols – radikalisieren lassen? Wird sie sich auf illegale Aktionen einlassen oder brav weiter an ihren roten Miniholzhäusern für die Menschen der Stadt planen? Für Folge vier dieses neuartigen, deutschlandweit von der Fachwelt beobachteten Projekts wird der Mann mit der Fisheye-Kamera dann im Frühjahr wieder anreisen.
OStream Bis 27. März täglich von 1922 Uhr unter twitch.tv/staatsthea teraugsburg