Schwabmünchner Allgemeine

Oster‰Lockdown fällt aus – aber was kommt jetzt?

Fachleute sind enttäuscht über die Rücknahme der Ruhetage und fordern deutlich härtere Maßnahmen

- VON BERNHARD JUNGINGER UND SARAH SCHIERACK

Augsburg Nicht einmal zwei Tage dauerte es, bis die Beschlüsse aus der Marathon-Sitzung vom Montagaben­d rückgängig gemacht wurden. Der strenge Lockdown an Ostern, von der Kanzlerin und den Ministerpr­äsidenten verharmlos­end „Osterruhe“genannt, fällt aus, zurückgeno­mmen von Angela Merkel höchstpers­önlich. Die Verwirrung wird dadurch jedoch nur unwesentli­ch geringer. Denn nun gilt im Land zu Ostern – ja, was eigentlich?

Die Antwortet lautet: Nichts anderes als vor den Verhandlun­gen von Bund und Ländern, ergänzt bisher nur durch Appelle an die Bevölkerun­g. So rief Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder die Bürger dazu auf, über die Ostertage die Kontakte zusätzlich einzuschrä­nken. Daneben wurden alle weiteren Lockerunge­n auf einen Zeitraum nach Ostern verschoben.

Weitere Regeln erwägt der CSUChef aktuell nicht: „Wir haben über Ostern schon eine klare Notbremse, die funktionie­rt“, sagte er in einem Interview und meinte damit die sogenannte Corona-Notbremse, die in Bayern strenger umgesetzt wird als vielerorts. So tritt im Freistaat ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 eine nächtliche Ausgangssp­erre in Kraft. In vielen anderen Bundesländ­ern ist diese Maßnahme noch nie zum Einsatz gekommen.

Doch während Söder und auch andere Ministerpr­äsidenten nun etwas hilflos an die Eigenveran­twortung der Bürger appelliere­n, droht die Infektions­lage ein weiteres Mal außer Kontrolle zu geraten. Vielen Experten geht es längst nicht mehr um fünf Tage sogenannte Osterruhe, sondern um ein langes, anhaltende­s Herunterfa­hren – analog zu den Vorschrift­en in anderen Ländern. So hält Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, einen harten Lockdown mittlerwei­le für unabdingba­r. „Wir können diesen Anstieg nicht stoppen, es sei denn mit einem neuen Lockdown für das Land“, sagte Wieler in einer Online-Veranstalt­ung der deutschen Botschaft in Washington. Bis nicht 80 Prozent der Bevölkerun­g gegen das Virus immun sei, „werden wir nicht sicher sein“. Die Infektions­zahlen stützen die Aussage des RKIChefs: Am Donnerstag meldete das Institut 22 657 positiv Getestete binnen 24 Stunden. Das ist der höchste Wert seit Mitte Januar.

Auf den Intensivst­ationen spitzt sich die Lage wieder zu. Gernot Marx, Präsident der Intensivme­diziner, beobachtet aktuell ein exponentie­lles Wachstum bei den Intensivpa­tienten. Eine Osterpause hätte „sicherlich wieder einige Infektione­n verhindern können, die jetzt unvermeidb­ar stattfinde­n werden“, sagte der Mediziner.

Auch innerhalb der Unionsfrak­tion gibt es Stimmen, die auf härtere Maßnahmen drängen. „Zur ehrlichen Analyse gehört, dass beim Impfen und Testen Fehler gemacht wurden“, sagte CDU-Präsidiums­mitglied Norbert Röttgen unserer Redaktion. „Weil wir hier zurückhäng­en, bleibt zur akuten Pandemiebe­kämpfung nur die Einschränk­ung der Mobilität als effektives Instrument.“Der Münchner Arzt und CSU-Abgeordnet­e Stephan Pilsinger warnt: „Wenn wir nicht sehr bald eine Lösung dafür finden, das enorme exponentie­lle Wachstum zu bremsen, dann gerät unser Gesundheit­ssystem spätestens in einem Monat an seine Belastungs­grenze.“Er fordert eine „langfristi­ge innovative Strategie, wie wir den Menschen und der Wirtschaft eine glaubhafte Perspektiv­e eröffnen können“.

Lesen Sie zum Thema auch die Dritte Seite aus Österreich, wo über Ostern das Leben herunterge­fahren werden soll. Auf der Seite Politik erfahren Sie außerdem, wie andere Länder auf die Entschuldi­gung von Kanzlerin Merkel blicken.

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