Schwabmünchner Allgemeine

Ist er der neue Bundestrai­ner? Porträt

Ralf Rangnick wäre ein passender Nachfolger für Joachim Löw. Denkt zumindest Ralf Rangnick. Manchmal aber steht er sich auch selbst im Weg

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Nur weil sich Ralf Rangnick mit seinen 62 Jahren auf der Zielgerade­n seiner Karriere befindet, bedeutet es nicht, dass ein Job als Nationaltr­ainer der logische Abschluss seiner Laufbahn wäre. Rangnick selbst sieht das wahrschein­lich anders. An Selbstvert­rauen hat es ihm noch nie gemangelt. An Sendungsbe­wusstsein auch nicht. Wenn es der Karriere von Ralf Rangnick überhaupt an etwas mangelt, dann an Titeln. Der Mann, der neben Hansi Flick und Stefan Kuntz als ernsthafte­ster Löw-Nachfolger gehandelt wird, hat erst einen Titel als Trainer gewonnen. Mit Schalke gewann er 2011 den DFBPokal gegen den Zweitligis­ten Duisburg. Ins Finale geführt hatte die Mannschaft noch Felix Magath, ehe er seinen Job an Rangnick abgeben musste.

Schon damals eilte Rangnick der

Ruf voraus, den Fußball vielschich­tiger zu beobachten als die meisten anderen Trainer. Nachdem er 1998 im „Aktuellen Sportstudi­o“an einer Taktiktafe­l die hierzuland­e noch als revolution­är geltende Viererkett­e erklärte, verspottet­en ihn viele als „Fußballpro­fessor“. Der Professor überholte die meisten seiner Kritiker. Intellektu­ell ist er den meisten Widersache­rn im Fußballges­chäft überlegen. Er versucht gar nicht erst, das zu verheimlic­hen. Abitur, Spielertra­iner mit 25 Jahren, bester Absolvent seines Jahrgangs bei der Fußball-LehrerAusb­ildung – Erfolge machen selbstsich­er.

Dass er als potenziell­er Bundestrai­ner gilt, hat Rangnick seinem

Ruf als Visionär und beeindruck­ender Taktiker zu verdanken. Mögen ihm bei seinen Stationen in Hoffenheim und Leipzig auch finanziell­e Möglichkei­ten zur Verfügung gestanden haben, die nur an diesen beiden Standorten vorzufinde­n sind, zeigte sich Rangnick als Mann mit einem herausrage­nden Gespür für Talente. Allzu oft aber stand ihm seine nur schwach ausgeprägt­e Kompromiss­bereitscha­ft im Weg. Die längste Wegstrecke legte er konsequent­erweise im Red-Bull-Imperium zurück, wo er sich zwischen 2012 und 2020 nahezu alleine entscheide­n möchte, in welcher Funktion er wirken will. Sympathie schlug ihm als Gesicht der durchkapit­alisierten Erfolgsges­chichte nicht entgegen. 2011 konnte er sich immerhin noch einer Welle des Mitgefühls sicher sein, als er den Trainerjob beim FC Schalke 04 wegen eines Burn-outSyndrom­s niedergele­gt hatte. An seiner Seite stand damals noch Ehefrau Gaby, 2017 trennte sich das Paar nach 28 Jahren Ehe. Sie haben zwei erwachsene Söhne.

Nachdem Rangnick sein Engagement für Red Bull im vergangene­n Jahr beendet hatte, wurde er mit zahlreiche­n anderen Jobs in Verbindung gebracht. Ihn störte es zumindest nicht, dass er schon als neuer starker Mann des AC Mailand oder Trainer englischer Traditions­vereine galt. Zuletzt ließ er sein Ego vom FC Schalke streicheln, ehe er dem Klub absagte. Das würde er beim DFB nicht machen. Tilmann Mehl

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Foto: dpa

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