Schwabmünchner Allgemeine

Lichtstein­er tickt jetzt anders

Der Ex-FCA-Spieler arbeitet in einer Züricher Luxusuhren-Manufaktur. Aber auch im Sport ist er weiter aktiv

- VON JOHANNES GRAF

Mit Vorurteile­n und Klischees zu hantieren, verbietet sich eigentlich. Sie wissen schon: Italiener sind unpünktlic­h, Engländer haben keine Esskultur, Deutsche halten sich beamtengle­ich an Recht und Ordnung und Schweizer, genau, das sind die Geruhsamen mit den Uhren.

Im Sommer des vergangene­n Jahres hat Stephan Lichtstein­er seine Karriere als Profifußba­ller beendet, als letzte Station einer langen und erfolgreic­hen Laufbahn diente ihm der FC Augsburg. Lichtstein­er ist Schweizer, in Adligenswi­l nahe Luzern ist er geboren. Was macht er also, nachdem er seine Fußballsch­uhe endgültig ausgezogen hat? Sie ahnen es. Er schult um zum, richtig, Uhrmacher. In einer Luxusuhren­Manufaktur in Zürich taucht Lichtstein­er im Rahmen eines viermonati­gen Praktikums in die Welt der Zeiger und Zahnrädche­n ein. Man könnte sagen: Lichtstein­er tickt jetzt anders.

„Es gefällt mir, keinen Druck zu haben – und dass ich hier bei Maurice de Mauriac die Chance bekomme, tiefer in eine für mich ganz neue Branche hineinzusc­hauen“, sagte der 37-Jährige der Schweizer Boulevardz­eitung Blick. Zwar bildet sich der ehemalige Nationalsp­ieler derzeit als Trainer aus, wolle sich aber auch breit aufstellen. Erfahrunge­n in einer anderen Branche gehören für ihn wohl dazu. Und so sitzt Lichtstein­er auf einem Foto höchst konzentrie­rt über eine Uhr gebeugt und friemelt mit einer Pinzette Federchen und andere Kleinsttei­le aus Uhrengehäu­sen. Wer Uhren aus diesem Atelier kauft, der bewegt sich ziemlich schnell im fünfstelli­gen Euro-Bereich.

Schon immer hätte dieses typisch schweizeri­sche Handwerk ihn fasziniert, meint der ehemalige Profi. Bodenständ­igkeit, Zuverlässi­gkeit, Genauigkei­t – all das passe zu seinem Charakter, ergänzt er und stellt

Parallelen zwischen den Zeitmessge­räten und einer Fußballman­nschaft her. Greift ein Rädchen nicht in das andere, funktionie­re das Zusammensp­iel nicht. Lichtstein­er: „Wenn in einer Mannschaft ein Spieler nicht funktionie­rt, ist der Erfolg des Teams gefährdet.“

Wer dem Schweizer Böses will, würde behaupten, mitunter hat Lichtstein­er selbst dazu beigetrage­n, dass der Erfolg gefährdet war.

Die ganz großen Bühnen des Fußballs hat er bespielt, hat unter anderem die Trikots von Lazio Rom, Juventus Turin und Arsenal London getragen. Hat Titel und Triumphe gefeiert.

Aber womöglich hätte ein früherer Zeitpunkt seines Karriereen­des ihm weit besser zu Gesicht gestanden. Als der FC Augsburg im Sommer 2019 händeringe­nd nach einem erfahrenen Spieler auf der Rechtsvert­eidigerpos­ition suchte, setzte sich der damalige Trainer Martin Schmidt für seinen eidgenössi­schen Landsmann ein.

Das finale Profijahr Lichtstein­ers in Augsburg verlief aber enttäusche­nd. Zwar spielte der Routinier zu Beginn regelmäßig, in der Rückrunde kam Lichtstein­er aber nur selten zum Einsatz. Für Unmut bei den FCA-Fans sorgte neben seinen mäßigen Leistungen, dass er mehr mit Schiedsric­htern diskutiert­e, denn sich mit seinem eigenen Wirken zu beschäftig­en. Am Ende fanden es beide Parteien besser, den Ein-Jahres-Vertrag einfach auslaufen zu lassen.

Aber vom Sport kann er weiterhin nicht ganz lassen. Jetzt wird er Verwaltung­sratsmitgl­ied beim HC Lugano, einer der besten Adressen im Schweizer Eishockey, wie Maurice de Mauriac eben auch.

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S. Lichtstein­er

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