So gefährlich ist Cannabis
Auch im Augsburger Land machen viele Jugendliche ihre ersten Drogenerfahrungen mit Marihuana. Die Entzugserscheinungen aus medizinischer Sicht und die Erfahrungen eines Ex-Konsumenten und der Drogenhilfe
Landkreis Augsburg Im Prozess gegen einen Dealer, der an zwei Jugendliche Drogen verkauft hatte, wurde schnell deutlich, dass auch im Augsburger Land der Konsum von Cannabis bei Heranwachsenden weit verbreitet ist (wir berichteten). Auch die 15 und 16 Jahre Teenager, die an einer Überdosis Ecstasy starben, hatten ihre erste Drogenerfahrungen mit einem Joint gemacht. Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf: Wie gefährlich ist Cannabis? Macht die Droge überhaupt körperlich abhängig? Wir haben bei Medizinern, einem ehemaligen Konsumenten und der Drogenhilfe Schwaben nachgefragt. Die Antworten überraschen.
Peter* hat seinen ersten Joint mit 15 Jahren geraucht. Zunächst blieb es beim gelegentlichen Kiffen. „Doch nach einiger Zeit stieg mein Konsum exponentiell an“, erzählt der 24-Jährige. Als er vor zwei Jahren verhaftet wurde, lagen in seinem Kellerabteil 16 Kilogramm Marihuana. Peter hatte zuletzt im großen Stil gedealt und auch das Augsburger Land mit Gras versorgt (wir berichteten). Täglich rauchte er bis dahin zehn bis 15 Gramm. „Ich zerkleinerte das Marihuana in einem Grinder (eine Art Mühle, Anmerkung der Redaktion) und drehte meine Zigaretten statt mit Tabak ausschließlich mit Gras.“Ein Konsum, den er sich nur leisten konnte, da er die Drogen kiloweise in Holland einkaufte und mit satten Gewinn in der Region wieder veräußerte. Doch von einem Tag auf den anderen war Schluss mit der exzessiven Kifferei.
„Nach der Wohnungsdurchsuchung kam ich zunächst in eine Ar
bei der Polizei“, erinnert er sich. Am nächsten Tag wurde er der Richterin vorgeführt, die ihn sofort in die Untersuchungshaft schickte. Statt der täglichen Zehn-GrammPortion Marihuana gab es nun im Gefängnis ein kostenloses Päckchen Sozialtabak. Für den ganzen Monat. „Ich konnte mir ja keine Zigaretten kaufen, da die Polizei mein gesamtes Bargeld beschlagnahmt hatte.“Körperlich konnte Peter den radikalen Entzug einigermaßen gut wegstecken. Die abrupte Abstinenz hatte jedoch andere Auswirkungen.
„Cannabis macht im Vergleich zu anderen Drogen, die ich ausprobiert habe, definitiv nicht körperlich anhängig“, betont er. Es entwickle sich jedoch mit der Zeit eine starke psychische Abhängigkeit. „Bei mir war es so, dass ich ohne Gras gereizt und allgemein schlecht gelaunt, also ziemlich dünnhäutig war.“Zudem habe er kaum schlafen können und viel schwitzen müssen. „Dies ging einige Wochen so, bis sich alles wieder normalisiert hat.“Ausgelöst wurden seiner Meinung nach diese körperlichen Symptome aber einzig und allein durch die Psyche.
Peters persönliche Erfahrungen decken sich mit denen der Drogenhilfe Schwaben. „Der CannabisEntzug ist vergleichbar mit dem Nikotin-Entzug bei Rauchern“, sagt Geschäftsführer Uwe Schmidt. Es sei einen riesiger Unterschied zum Alkohol- oder Heroin-Entzug. Innere Unruhe, Schwitzen und Nerrestzelle vosität seien die klassischen Symptome, mit denen ehemaliger Kiffer zu rechnen hätten. Wie genau sich der Konsum von Cannabis auf den Körper auswirke und was passiere, wenn die Droge nicht mehr zur Verfügung steht, erklärt der Ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses (BKH), Professor Alkomiet Hasan.
„Cannabis wirkt auf die sogenannten Cannabisrezeptoren, insbesondere kommt es zu Effekten in den Regionen des Gehirns, die für das Belohnungssystem verantwortlich sind“, sagt Hasan. Cannabis könne je nach Situation entspannend und beruhigt wirkend, aber auch die Aktivität steigern. Als große Gefahr sieht Prof. Hasan, dass psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen auftreten könnten. Dies hänge unter anderem davon ab, wie Cannabis konsumiert werde. Also durch Inhalieren des Rauchs, orale Zufuhr mit Tropfen oder das Essen von sogenannten Hasch- oder Graskeksen.
Wird Cannabis abrupt abgesetzt, seien typische Symptome Reizbarkeit, Schlafstörungen, Angst oder depressive Stimmungen. Je höher der Konsum, desto ausgeprägter seien diese. Ein signifikant erhöhtes Risiko, Psychosen wie etwa Schizophrenie zu entwickeln, bestehe, wenn der entsprechende Konsum in der Jugend erfolge. „Das reifende jugendliche Gehirn ist viel sensitiver für diese unerwünschten Wirkungen des Cannabis“, warnt Hasan. Es bestünde ein direkter Zusammenhang mit der Menge an in der Jugend konsumierten Cannabis und der Entwicklung von schweren psychischen Erkrankungen. Desinteresse, Passivität, Apathie und ein allgemeiner Mangel an Motivation seien die Folge. Doch Cannabis kann auch heilsam sein. „Der medizinische Gebrauch von Cannabis macht große Fortschritte“, sagt Hasan. Mögliche Anwendungsbereiche seien bestimmte Schmerzstörungen oder Schmerzzustände bei schweren somatischen oder neurologischen Erkrankungen. Privater Konsum und die Anwendung des medizinischen Cannabis dürften jedoch nicht gleichgesetzt werden. „Die engmaschige ärztliche Begleitung und vor allem die Überwachung von Nebenwirkungen und der Entwicklung von Abhängigkeit sind wichtig.“Medizinisches Cannabis sei eine neue Therapieoption, die CannabisAbhängigkeit hingegen eine behandlungsbedürftige Erkrankung.