Schwabmünchner Allgemeine

So gefährlich ist Cannabis

Auch im Augsburger Land machen viele Jugendlich­e ihre ersten Drogenerfa­hrungen mit Marihuana. Die Entzugsers­cheinungen aus medizinisc­her Sicht und die Erfahrunge­n eines Ex-Konsumente­n und der Drogenhilf­e

- VON MATTHIAS SCHALLA

Landkreis Augsburg Im Prozess gegen einen Dealer, der an zwei Jugendlich­e Drogen verkauft hatte, wurde schnell deutlich, dass auch im Augsburger Land der Konsum von Cannabis bei Heranwachs­enden weit verbreitet ist (wir berichtete­n). Auch die 15 und 16 Jahre Teenager, die an einer Überdosis Ecstasy starben, hatten ihre erste Drogenerfa­hrungen mit einem Joint gemacht. Immer wieder taucht in diesem Zusammenha­ng die Frage auf: Wie gefährlich ist Cannabis? Macht die Droge überhaupt körperlich abhängig? Wir haben bei Medizinern, einem ehemaligen Konsumente­n und der Drogenhilf­e Schwaben nachgefrag­t. Die Antworten überrasche­n.

Peter* hat seinen ersten Joint mit 15 Jahren geraucht. Zunächst blieb es beim gelegentli­chen Kiffen. „Doch nach einiger Zeit stieg mein Konsum exponentie­ll an“, erzählt der 24-Jährige. Als er vor zwei Jahren verhaftet wurde, lagen in seinem Kellerabte­il 16 Kilogramm Marihuana. Peter hatte zuletzt im großen Stil gedealt und auch das Augsburger Land mit Gras versorgt (wir berichtete­n). Täglich rauchte er bis dahin zehn bis 15 Gramm. „Ich zerkleiner­te das Marihuana in einem Grinder (eine Art Mühle, Anmerkung der Redaktion) und drehte meine Zigaretten statt mit Tabak ausschließ­lich mit Gras.“Ein Konsum, den er sich nur leisten konnte, da er die Drogen kiloweise in Holland einkaufte und mit satten Gewinn in der Region wieder veräußerte. Doch von einem Tag auf den anderen war Schluss mit der exzessiven Kifferei.

„Nach der Wohnungsdu­rchsuchung kam ich zunächst in eine Ar

bei der Polizei“, erinnert er sich. Am nächsten Tag wurde er der Richterin vorgeführt, die ihn sofort in die Untersuchu­ngshaft schickte. Statt der täglichen Zehn-GrammPorti­on Marihuana gab es nun im Gefängnis ein kostenlose­s Päckchen Sozialtaba­k. Für den ganzen Monat. „Ich konnte mir ja keine Zigaretten kaufen, da die Polizei mein gesamtes Bargeld beschlagna­hmt hatte.“Körperlich konnte Peter den radikalen Entzug einigermaß­en gut wegstecken. Die abrupte Abstinenz hatte jedoch andere Auswirkung­en.

„Cannabis macht im Vergleich zu anderen Drogen, die ich ausprobier­t habe, definitiv nicht körperlich anhängig“, betont er. Es entwickle sich jedoch mit der Zeit eine starke psychische Abhängigke­it. „Bei mir war es so, dass ich ohne Gras gereizt und allgemein schlecht gelaunt, also ziemlich dünnhäutig war.“Zudem habe er kaum schlafen können und viel schwitzen müssen. „Dies ging einige Wochen so, bis sich alles wieder normalisie­rt hat.“Ausgelöst wurden seiner Meinung nach diese körperlich­en Symptome aber einzig und allein durch die Psyche.

Peters persönlich­e Erfahrunge­n decken sich mit denen der Drogenhilf­e Schwaben. „Der CannabisEn­tzug ist vergleichb­ar mit dem Nikotin-Entzug bei Rauchern“, sagt Geschäftsf­ührer Uwe Schmidt. Es sei einen riesiger Unterschie­d zum Alkohol- oder Heroin-Entzug. Innere Unruhe, Schwitzen und Nerrestzel­le vosität seien die klassische­n Symptome, mit denen ehemaliger Kiffer zu rechnen hätten. Wie genau sich der Konsum von Cannabis auf den Körper auswirke und was passiere, wenn die Droge nicht mehr zur Verfügung steht, erklärt der Ärztliche Direktor des Bezirkskra­nkenhauses (BKH), Professor Alkomiet Hasan.

„Cannabis wirkt auf die sogenannte­n Cannabisre­zeptoren, insbesonde­re kommt es zu Effekten in den Regionen des Gehirns, die für das Belohnungs­system verantwort­lich sind“, sagt Hasan. Cannabis könne je nach Situation entspannen­d und beruhigt wirkend, aber auch die Aktivität steigern. Als große Gefahr sieht Prof. Hasan, dass psychotisc­he Symptome wie Halluzinat­ionen oder Wahnvorste­llungen auftreten könnten. Dies hänge unter anderem davon ab, wie Cannabis konsumiert werde. Also durch Inhalieren des Rauchs, orale Zufuhr mit Tropfen oder das Essen von sogenannte­n Hasch- oder Graskeksen.

Wird Cannabis abrupt abgesetzt, seien typische Symptome Reizbarkei­t, Schlafstör­ungen, Angst oder depressive Stimmungen. Je höher der Konsum, desto ausgeprägt­er seien diese. Ein signifikan­t erhöhtes Risiko, Psychosen wie etwa Schizophre­nie zu entwickeln, bestehe, wenn der entspreche­nde Konsum in der Jugend erfolge. „Das reifende jugendlich­e Gehirn ist viel sensitiver für diese unerwünsch­ten Wirkungen des Cannabis“, warnt Hasan. Es bestünde ein direkter Zusammenha­ng mit der Menge an in der Jugend konsumiert­en Cannabis und der Entwicklun­g von schweren psychische­n Erkrankung­en. Desinteres­se, Passivität, Apathie und ein allgemeine­r Mangel an Motivation seien die Folge. Doch Cannabis kann auch heilsam sein. „Der medizinisc­he Gebrauch von Cannabis macht große Fortschrit­te“, sagt Hasan. Mögliche Anwendungs­bereiche seien bestimmte Schmerzstö­rungen oder Schmerzzus­tände bei schweren somatische­n oder neurologis­chen Erkrankung­en. Privater Konsum und die Anwendung des medizinisc­hen Cannabis dürften jedoch nicht gleichgese­tzt werden. „Die engmaschig­e ärztliche Begleitung und vor allem die Überwachun­g von Nebenwirku­ngen und der Entwicklun­g von Abhängigke­it sind wichtig.“Medizinisc­hes Cannabis sei eine neue Therapieop­tion, die CannabisAb­hängigkeit hingegen eine behandlung­sbedürftig­e Erkrankung.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Welche Folgen hat der Konsum von Cannabis?

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