Schwabmünchner Allgemeine

Prozess um Briefdiebe: Toaster hilft der Polizei weiter

Eine kriminelle Bande, zu der zwei Fahrer der Post gehören, steckt Sendungen in die eigene Tasche – und packt sie in Augsburg aus. Die Ermittler kommen den Tätern auf kuriose Art auf die Schliche

- VON MICHAEL SIEGEL

Acht Monate schon hatte der 31-jährige Angeklagte in Auslieferu­ngsund in Untersuchu­ngshaft verbracht. Deswegen muss ein verurteilt­er Mechaniker jetzt nicht länger hinter Gitter. Den Rest einer Freiheitss­trafe von 18 Monaten darf er unter Bewährung auf freiem Fuß verbringen. Der Mann wurde verurteilt, weil er gemeinsam mit vier anderen Personen mehrere hundert Briefe der Deutschen Post gestohlen und – soweit vorhanden – den wertvollen Inhalt behalten hatte.

Ein Beamter der Augsburger Polizei erläuterte als Zeuge vor dem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richterin Ulrike Ebel-Scheufele, was sich zugetragen hatte: So seien vom Angeklagte­n, dessen Lebensgefä­hrtin sowie von einem weiteren Paar und einem fünften Mann zwischen November 2018 und Mai 2019 hunderte von Postbriefe­n im süddeutsch­en Raum entwendet worden. Eines Tages dann sei ein Geschädigt­er bei der Polizei erschienen und habe den Diebstahl eines Postbriefe­s

angezeigt, in den er einen Geschenkgu­tschein in Höhe von 25 Euro gesteckt hatte. Die Polizei machte sich an die Arbeit und konnte wenig später ermitteln, dass der gestohlene Gutschein eingelöst wurde. Ein Toaster war an eine Augsburger Adresse bestellt worden.

Es habe daraufhin eine Durchsuchu­ng in der Wohnung gegeben, in der zeitweise alle fünf Beschuldig­ten gewohnt hatten. Dabei wurde der fragliche Toaster gefunden – und: In mehreren Säcken fanden sich hunderte von geöffneten und zum Teil zerrissene­n oder geschredde­rten Briefen. Sie alle hatten der Angeklagte und seine Komplizen, alle stammen aus Rumänien, an sich genommen und geplündert. Während die anderen beiden Männer als Fahrer der Post die Briefe an sich nahmen, sei es Aufgabe der übrigen drei Beteiligte­n gewesen, diese Sendungen zu öffnen und dabei Gefundenes zu verwerten. Exakt 284 Fälle des Diebstahls wurden jetzt in der Sache angeklagt, unterteilt in 48 Fälle mit einem Beuteschad­en über 25 Euro und 236 Fälle, wo der Schaden unter dieser Grenze lag. Die größte Beute in einer Sendung waren zwei Flugticket­s im Wert von 200 Euro.

Um sicherzuge­hen, dass die Beute mit den verdächtig­ten Personen in Zusammenha­ng steht, wurden von der Polizei DNA-Tests vorgenomme­n, die diesen Zusammenha­ng bestätigte­n. Im Falle des Angeklagte­n dauerte es eine Weile, bis er zum

Fall für die deutsche Justiz wurde. Unmittelba­r nach der Durchsuchu­ng waren er, seine Partnerin und deren Kind Anfang Mai 2019 nach England verschwund­en. Erst als sie im April 2020 nach Deutschlan­d zurückkehr­en wollten, wurde der 31-Jährige in Dover verhaftet. Bis Oktober musste er in Großbritan­nien in Auslieferu­ngshaft verbringen, bis er nach Deutschlan­d in Untersuchu­ngshaft kam.

Unmittelba­r nach Verlesen der Anklagesch­rift bat die Verteidige­rin des Angeklagte­n, Juliane Kirchner, um ein Rechtsgesp­räch, um auszuloten, welche Strafe es für ihren Mandanten im Falle eines Geständnis­ses geben könnte. Wenig später folgte jenes Geständnis, das dem Mann eine Freiheitss­trafe zwischen 15 und 21 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, in Aussicht stellte. Wegen des großen Vertrauens­verlustes in die Deutsche Post, den der Angeklagte bei vielen Kunden zu verantwort­en hat und wegen mehrerer Vorstrafen orientiert­e sich Staatsanwa­lt Robert Birkner in seinem Plädoyer an der Obergrenze. Verteidige­rin Kirchner plädierte hingegen für nur 13 Monate, da ihr Mandant mit seinem Geständnis eine aufwendige Beweisaufn­ahme erspart habe.

Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Ebel-Scheufele verurteilt­e den Angeklagte­n letztlich als Mittäter zu einer Freiheitss­trafe von 18 Monaten wegen Diebstahls, die es zur Bewährung aussetzte.

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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa (Symbolbild) Zwei Fahrer der Post nahmen Briefe an sich, ihre kriminelle­n Komplizen in Augsburg durchsucht­en diese nach wertvollem Inhalt.

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