Prozess um Briefdiebe: Toaster hilft der Polizei weiter
Eine kriminelle Bande, zu der zwei Fahrer der Post gehören, steckt Sendungen in die eigene Tasche – und packt sie in Augsburg aus. Die Ermittler kommen den Tätern auf kuriose Art auf die Schliche
Acht Monate schon hatte der 31-jährige Angeklagte in Auslieferungsund in Untersuchungshaft verbracht. Deswegen muss ein verurteilter Mechaniker jetzt nicht länger hinter Gitter. Den Rest einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten darf er unter Bewährung auf freiem Fuß verbringen. Der Mann wurde verurteilt, weil er gemeinsam mit vier anderen Personen mehrere hundert Briefe der Deutschen Post gestohlen und – soweit vorhanden – den wertvollen Inhalt behalten hatte.
Ein Beamter der Augsburger Polizei erläuterte als Zeuge vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Ulrike Ebel-Scheufele, was sich zugetragen hatte: So seien vom Angeklagten, dessen Lebensgefährtin sowie von einem weiteren Paar und einem fünften Mann zwischen November 2018 und Mai 2019 hunderte von Postbriefen im süddeutschen Raum entwendet worden. Eines Tages dann sei ein Geschädigter bei der Polizei erschienen und habe den Diebstahl eines Postbriefes
angezeigt, in den er einen Geschenkgutschein in Höhe von 25 Euro gesteckt hatte. Die Polizei machte sich an die Arbeit und konnte wenig später ermitteln, dass der gestohlene Gutschein eingelöst wurde. Ein Toaster war an eine Augsburger Adresse bestellt worden.
Es habe daraufhin eine Durchsuchung in der Wohnung gegeben, in der zeitweise alle fünf Beschuldigten gewohnt hatten. Dabei wurde der fragliche Toaster gefunden – und: In mehreren Säcken fanden sich hunderte von geöffneten und zum Teil zerrissenen oder geschredderten Briefen. Sie alle hatten der Angeklagte und seine Komplizen, alle stammen aus Rumänien, an sich genommen und geplündert. Während die anderen beiden Männer als Fahrer der Post die Briefe an sich nahmen, sei es Aufgabe der übrigen drei Beteiligten gewesen, diese Sendungen zu öffnen und dabei Gefundenes zu verwerten. Exakt 284 Fälle des Diebstahls wurden jetzt in der Sache angeklagt, unterteilt in 48 Fälle mit einem Beuteschaden über 25 Euro und 236 Fälle, wo der Schaden unter dieser Grenze lag. Die größte Beute in einer Sendung waren zwei Flugtickets im Wert von 200 Euro.
Um sicherzugehen, dass die Beute mit den verdächtigten Personen in Zusammenhang steht, wurden von der Polizei DNA-Tests vorgenommen, die diesen Zusammenhang bestätigten. Im Falle des Angeklagten dauerte es eine Weile, bis er zum
Fall für die deutsche Justiz wurde. Unmittelbar nach der Durchsuchung waren er, seine Partnerin und deren Kind Anfang Mai 2019 nach England verschwunden. Erst als sie im April 2020 nach Deutschland zurückkehren wollten, wurde der 31-Jährige in Dover verhaftet. Bis Oktober musste er in Großbritannien in Auslieferungshaft verbringen, bis er nach Deutschland in Untersuchungshaft kam.
Unmittelbar nach Verlesen der Anklageschrift bat die Verteidigerin des Angeklagten, Juliane Kirchner, um ein Rechtsgespräch, um auszuloten, welche Strafe es für ihren Mandanten im Falle eines Geständnisses geben könnte. Wenig später folgte jenes Geständnis, das dem Mann eine Freiheitsstrafe zwischen 15 und 21 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, in Aussicht stellte. Wegen des großen Vertrauensverlustes in die Deutsche Post, den der Angeklagte bei vielen Kunden zu verantworten hat und wegen mehrerer Vorstrafen orientierte sich Staatsanwalt Robert Birkner in seinem Plädoyer an der Obergrenze. Verteidigerin Kirchner plädierte hingegen für nur 13 Monate, da ihr Mandant mit seinem Geständnis eine aufwendige Beweisaufnahme erspart habe.
Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Ebel-Scheufele verurteilte den Angeklagten letztlich als Mittäter zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen Diebstahls, die es zur Bewährung aussetzte.