So erleben Azubis die CoronaZeit
Die Pandemie zwingt viele Firmen und ihre Mitarbeiter dazu, ganz neue Wege zu probieren. Doch wie gehen diejenigen damit um, die noch ganz am Anfang ihres Berufslebens stehen? Azubis und Ausbildungsexperten berichten
Augsburg Mobiles Arbeiten aus dem Homeoffice, immer wieder Kurzarbeit und Kundenkontakt nur aus der Distanz: Seit gut einem Jahr hat die Corona-Krise unseren Alltag im Griff und fordert von vielen Arbeitnehmern maximale Flexibilität im Job. Doch wie geht es jenen, die ihren Beruf erst erlernen? Azubis sind auf engen Austausch zu Kollegen und Ausbildern angewiesen, auch mit geltenden Kontaktbeschränkungen. Einige Eindrücke:
Seine Ausbildung zum Augenoptiker hat sich Antonio Lorenzo Stocker anders vorgestellt: „In meinem Beruf gehe ich viel auf meine Kunden ein. Wir wollen Menschen ja helfen, sie beraten und ihnen nicht einfach nur etwas verkaufen.“Der 22-Jährige aus dem Kreis Augsburg lernt bei Gronde in der Augsburger Innenstadt. Doch dann kam das Coronavirus – und mit ihm Maskenpflicht und Abstandsgebote. „So stark auf Distanz zu gehen, das finde ich wirklich schwierig.“
Besonders schmerzt es Stocker, dass er seinen Blockunterricht seit Dezember im Homeschooling anstatt an der Berufsschule verbringt. „Ich mag meine Mitschüler, die Schule in München und auch mein Wohnheim dort sehr, das ist wie ein Studentenleben.“Zwar sei er beim Lernen zu Hause flexibler, kann die Theorie so schnell oder langsam lernen, wie er es möchte. Aber der Austausch mit den anderen Azubis fehle schon enorm, so der angehende Optiker. „Das ist für mich ein großer Ansporn.“
Extrem gewöhnungsbedürftig sei es auch, bei der Beratung nicht das ganze Gesicht der Menschen zu sehen, sagt Stocker. „Wer sich eine neue Brille kauft, möchte doch eine Fassung, die gut ins Gesicht passt.“Kunden bleibe dabei nur die Möglichkeit, mit einem Handspiegel in den Innenhof zu gehen. „Wenn dort niemand anders ist, können sie sich ohne Maske mit der Brille ansehen.“
Manche Corona-Regel macht auch Adrian Zeddel in seiner Ausbildung zu schaffen: „In der Autowerkstatt ständig Maske zu tragen, das ist bei körperlichen Arbeiten schon schweißtreibend“, sagt der 18-Jährige aus dem Kreis DonauRies, der sich bei Abel und Ruf in Donauwörth zum Kfz-Mechatroniker ausbilden lässt. „Man bekommt einfach nicht so viel Luft – und die fehlt einem besonders, wenn man etwas Schweres anpacken muss.“Seine Lehrzeit hat er im vergangenen Herbst ohne richtigen Einstand begonnen, bedauert er. Auch Weihnachtsfeier oder Betriebsausflug waren angesichts von Corona natürlich nicht drin. „Das geht einem schon ab. Gerade da lernt man sich ja noch mal besser kennen“, meint Zeddel und hofft, dass es in den nächsten drei Jahren Lehrzeit klappt.
Er freut sich, dass erfahrene Kollegen trotz der Umstände nie sauer oder gestresst reagierten, wenn er etwas nicht gewusst habe, was eigentlich nicht schwierig war. „Sie haben Verständnis, dass ich erst im ersten Lehrjahr bin und wegen Corona ein paar Sachen untergehen.“
Teils chaotisch sei es in Lockdown-Zeiten anfangs an der Berufsschule zugegangen, erinnert sich Zeddel: „In der Regel habe ich montags und donnerstags Unterricht, aber je nach Infektionslage fiel spontan der Unterricht aus und wir sollten im Betrieb bleiben – oder wir hatten kurzfristig doch Schule und ein paar Azubis waren in ihrem Betrieb, weil sie nicht damit gerechnet hatten.“Seit Mitte Dezember lernt Zeddel nur noch im Homeschooling und schaltet sich mit Lehrern und anderen Azubis in Videokonferenzen zusammen.
Für Handwerksbetriebe ist Ausbildung in Corona-Zeiten eine Herausforderung, sagt Stefan Schröter, Ausbildungsberater der Handwerkskammer (HWK) Schwaben. Friseure, Kosmetiker, Maßschneider
oder Uhrmacher mussten im Lockdown zeitweise komplett schließen, betont er. „Obwohl sie ihren Beruf selbst nicht ausüben konnten, haben sie versucht, die Ausbildung aufrechtzuerhalten.“Aber auch Azubis in Berufen wie Gebäudereiniger, Kfz-Mechatroniker, Augenoptiker oder Bäcker bekamen die Folgen der Corona-Maßnahmen zu spüren. Zwar durften sie unter strikter Einhaltung der Hygienemaßnahmen arbeiten, sagt Schröter. „Dabei hat sich die Arbeit aber stark verändert oder die Nachfrage war geringer.“
Im Bereich von Handel und Industrie leidet die Ausbildung laut IHK besonders stark in den Branchen, die nach wie vor von Schließungen betroffen sind: Gastronomie, Tourismus, der Veranstaltungssektor und der Einzelhandel. Hier haben Azubis unter Umständen einen Rückstand beim Lernstoff, den es aufzuholen gilt.
IHK-Ausbildungsexperte Christian Fischer sagt: „Die Herausforderungen sind immens, insbesondere wenn Ausbildung durch geschlossene Betriebe erschwert oder gar unmöglich ist. Aber auch wenn Azubis nicht in verschiedenen Abteilungen eingesetzt werden können. Für die Auszubildenden, die gerade erst ihre Ausbildung begonnen haben, ist es noch schwieriger, da ihnen teilweise wichtige Grundlagen fehlen.“
Betriebe, für die der Kundenverkehr zeitweise komplett wegfiel, mussten sehr kreativ werden, um Ausbildung überhaupt zu gewährleisten, sagt auch der HWK-Ausbildungsberater
Schröter: „Friseure gaben ihren Azubis etwa Übungsköpfe mit nach Hause, damit sie Frisieren im Homeoffice üben konnten.“Auch durften sich Lehrlinge später zu Ausbildungszwecken gegenseitig die Haare schneiden, als klar war, dass im Ladengeschäft die praktische Ausbildung weiterhin möglich ist.
Ganz andere Aufgaben als im Ausbildungsplan festgelegt hat im Corona-Jahr auch Ramona Stegherr übernommen. Die 17-Jährige macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau im Legoland in Günzburg. Kurzarbeit war im ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr gar kein Thema, als sie in der Finanzabteilung arbeitete. Im Gegenteil: „Aufgrund der Corona-Vorgaben mussten viele Gäste ihren Aufenthalt bei uns stornieren. Weil es so viel Arbeit mit der Rückabwicklung der Buchungen gab, durfte auch ich Stornierungen bearbeiten und Gutscheine für die Gäste ausstellen.“
Manchmal wurde es für sie auch stressig. Aber trotz der Schwierigkeiten war es auch eine neue Herausforderung, sagt Stegherr. Als das Legoland im Sommer 2020 schließlich öffnen durfte, mussten alle zusammenhelfen, um die strengen Hygienemaßnahmen umzusetzen. Plötzlich übernahm jeder Mitarbeiter Aufgaben im Park, erinnert sich die 17-Jährige: „Wir Azubis haben regelmäßig die Desinfektionsspender aufgefüllt. Außerdem habe ich auch des Öfteren am Drehkreuz beim Einlass geholfen.“Derzeit ist die angehende Bürokauffrau im Bereich Maintenance beschäftigt, wo alle Bereiche des Parks auf die Eröffnung zur neuen Saison vorbereitet werden. Stegherr sagt: „Seit Mitte Dezember bin ich aber zu 20 Prozent in Kurzarbeit, arbeite also an vier Tagen pro Woche.“Denn noch ist völlig unklar, wann der Freizeitpark wieder öffnen darf.
Ungewiss ist auch, wie die Zukunft für die Ausbildungsbetriebe aussieht. Für die kommenden Jahre stehen Unternehmen vor einer großen Herausforderung: Sie müssen trotz der Kontaktbeschränkungen Azubis für die nächsten Lehrjahre finden. Nachwuchsfindung sei in Corona-Zeiten sehr schwierig, sagt HWK-Ausbildungsberater Schröter. Sonst stellen Betriebe über Schulen, Azubimessen oder Betriebspraktika Kontakt zu jungen Leuten her. „Praktika waren zeitweise gar nicht möglich, sie dürfen jetzt wieder mit Hygienemaßnahmen stattfinden. Und bei Ausbildungsmessen wie bei der fitforJOB! können sich Betriebe nicht wie sonst vor Ort, sondern nur digital präsentieren.“
Schnell droht ein Rückstand beim Lernstoff