Angriff auf Olaf Scholz
In der Union kracht es wegen des Machtkampfs zwischen Söder und Laschet. Lachender Dritter ist bisher SPD-Kanzlerkandidat Scholz. Jetzt wollen CDU/CSU Versäumnisse und Fehler des Finanzministers zum Thema machen
Berlin Nach dem Geschmack von CDU und CSU ist Finanzminister Olaf Scholz von der SPD bisher viel zu gut durch den Wirecard-Skandal gekommen. Obwohl die ihm unterstellte Finanzaufsichtsbehörde Bafin einen Fehler nach dem anderen machte und dafür mitverantwortlich ist, dass Kleinsparer enorm viel Geld verloren, ist die Affäre am Kanzlerkandidaten der Genossen bislang praktisch spurlos vorbeigezogen. Die Union hat sich nun vorgenommen, das zu ändern.
Entlastung kann sie gut gebrauchen, weil sich ihre Vorkämpfer Markus Söder und Armin Laschet ein geradezu filmreifes Duell um die Macht liefern. „Wir erleben einen Finanzminister, der bei der Aufklärung auf der Bremse tritt. Wir bräuchten jemanden, der auf das Gaspedal tritt“, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer am Mittwoch
in Berlin. Hauer ist Obmann der Union im Untersuchungsausschuss zum Skandal um den ehemaligen DAX-Konzern aus Aschheim bei München.
Die Liste der Verfehlungen im Wirecard-Skandal ist lang und das Finanzministerium ist mit seinem Chef Scholz an vielen zumindest indirekt beteiligt. Einige Beispiele: Scholz’ Staatssekretär Jörg Kukies (SPD) entwirft im vergangenen Jahr Pläne, wie er das damals unmittelbar vom Konkurs bedrohte Skandalunternehmen mit Geld aus den Corona-Hilfspakten retten könnte. Eben jener Kukies wollte auch die staatseigene KfW-Bank dazu bringen, Wirecard noch einmal mit einem Kredit aus der Klemme zu helfen – und zwar, wohlgemerkt, einen Tag vor der Pleite im Juni 2020. Und der Staatssekretär war auch zur Geburtstagsfeier von Ex-WirecardChef Markus Braun in die Firmenzentrale nach Aschheim gefahren, als schon Sonderprüfungen der Bücher liefen.
Ein weiterer Staatssekretär des Finanzministers, Wolfgang Schmidt, lobbyierte für den Zahlungsdienstleister in China. Der enge Vertraute von Olaf Scholz will sich aber nicht mehr daran erinnern können, wie oft er mit seinem Chef über das Unternehmen Wirecard gesprochen hat. „Scholz war über alle Vorgänge informiert, er steht damit im Zwielicht“– diesen Schluss jedenfalls zieht der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses.
Der folgenreichste Fehler ist für Michelbach und Hauer das Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien, das die Finanzaufsicht im Februar 2019 verhängte. Damit sollte Spekulationen gegen das Papier ein Riegel vorgeschoben werden, um das Unternehmen zu schützen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Bedingungen für ein solches Verbot gar nicht gegeben waren. Die Bundesbank war dagegen und auch die Schutzstelle an der Frankfurter Börse. Scholz’ Ministerium billigte dennoch den schweren Eingriff in den Finanzmarkt. „Mit diesem Gütesiegel sind viele Kleinanleger
eingestiegen. Das hat sie Milliarden gekostet“, beklagte Michelbach. In der nächsten Woche will er den Finanzminister zusammen mit seinen Kollegen im Untersuchungsausschuss ausquetschen. Die Abgeordneten haben sich mehrere Stunden Zeit dafür reserviert.
Insgesamt sind durch die Pleite infolge des Wirtschaftsskandals 22 Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet worden. Die Gläubiger haben knapp 12,5 Milliarden beim Insolvenzverwalter angemeldet, die er ihnen zurückbeschaffen soll. Doch die Hoffnung darauf tendiert gegen null. Der einstige Dax-Konzern hatte wenig Substanz und viele Scheinbuchungen in der Bilanz. Die Summe von 1,9 Milliarden Euro ging verloren, wurde der Firma entzogen oder existierte nie. Ex-Vorstandsvorsitzender Braun sitzt in der Nähe von Augsburg in Untersuchungshaft, sein Compagnon Jan Marsalek ist flüchtig.