Nach 20 Minuten waren die letzten Plätze weg
Die Hotline ist geschlossen: 3500 Bürger aus dem Landkreis Augsburg können sich nach Stunden am Telefon nun auf die Corona-Impfung mit AstraZeneca freuen. Das sagen die Glücklichen
Landkreis Augsburg In Windeseile waren am Mittwochmorgen die letzten Plätze für die Impfaktion am Wochenende vergeben. Ab 9 Uhr konnten sich Landkreisbürger telefonisch melden, um 9.22 Uhr schaltete das Landratsamt die Hotline ab. Insgesamt gab es am Dienstag und in den gut zwanzig Minuten tags darauf rund eine Viertelmillion Anrufe. Bei nur 3500 Plätzen ist klar, dass nicht jeder unter den Glücklichen ist, die am Wochenende in den Zentren in Gablingen und Bobingen mit einer Extra-Bestellung von AstraZeneca geimpft werden. Wir haben mit drei erfolgreichen Anrufern gesprochen.
Sage und schreibe 192 mal hat die Gersthoferin Andrea Fendt die Hotline angerufen. „Ich habe mich für meine Mama durchgekämpft“, strahlt sie. Erst vor wenigen Wochen ist ihr Vater gestorben, die Mutter seitdem ganz allein. „Jetzt hat sie wieder Familienanschluss und kann ihre kleinen Enkel sehen.“Dafür hat Andrea Fendt gerne einen Urlaubstag geopfert. „Es war schon anstrengend. Als ich das erste Mal in der Warteschleife war, bin ich nach 30 Minuten rausgeflogen. Beim zweiten Mal hat es dann aber geklappt.“Der Mitarbeiter am Telefon sei sehr nett gewesen und habe die bereits registrierte 68-Jährige sofort im System gefunden. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich mal so über einen Impftermin freuen würde“, sagt Andrea Fendt.
Der große Andrang zwang zwischenzeitlich sogar die Telefonanlage des Landratsamts in die Knie. Landrat Martin Sailer sagt dazu: „Nicht ins Schwächeln geraten sind jedoch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Haus, die sich kurzfristig zur Mithilfe bereit erklärt haben.“
Eine von ihnen war Margit Spöttle, eigentlich Klimaschutzbeauftragte des Landkreises. Am Dienstag hatte sie 120 Telefonate geführt und Termine vermittelt. „Da raucht einem der Kopf, aber die Leute sind froh und dankbar, wenn sie einen Termin bekommen“, berichtete sie am Mittwoch. In der derzeitigen Krise sei es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landratsamt klar, zusammenzustehen. Für diejedie in der Hotline durchkamen, ging dann alles ganz schnell: Drei Minuten dauerte ein Gespräch zur Terminbuchung im Schnitt. Insgesamt verbrachten die Mitarbeiter des Landratsamtes so 175 volle Stunden am Hörer.
Im elften Versuch konnte sich Werner G. Lengenfelder am Dienstag einen Termin sichern. Nach einer halben Stunde in der Warteschleife mit Haindling-Melodien hatte der Musikjournalist, der schon Udo Lindenberg und Peter Maffay interviewte, einen Mitarbeiter der Hotline in der Leitung. „Da ich online schon registriert bin, ging es im Gespräch dann relativ schnell“, sagt er. Schon während er noch telefonierte, habe er die Terminbestätigung per SMS bekommen. „Absolut freundlich, total angenehmes Gespräch“, ist das Fazit des Journalisten.
Über die Extraimpfungen am Wochenende sagt Lengenfelder: „Ich find’ die Aktion gut. Ich bin froh, dass ich dran bin.“Der 60-Jährige ist Diabetiker und hätte sonst wohl noch eine Weile auf die Impfung warten müssen. Seine Hoffnung ist, im Sommer, nach der Zweitimpfung, in sein gewohntes Arbeitsumfeld zurückkehren zu können: In die Konzerthallen und -plätze dieses Landes und die Nähe großer Künstler. „Wenn man den Stempel im Pass hat, ist das vermutlich einfacher“, sagt er.
Auch Karl Poesl aus Deuringen hatte schon am Dienstag Glück. „Ich habe es über Stunden versucht, einmal pro Stunde. Dann bin ich Laufen gegangen und habe erst wieder am Nachmittag gegen 15 Uhr angerufen.“Da hatte Poesl die Hoffnung auf einen der begehrten Termine schon fast aufgegeben. Dann war er auf einmal in der Warteschleife. Er sagt: „Nach zwanzig Minuten hatte ich einen sehr netten Herrn aus Stadtbergen an der Strippe. Alles sehr professionell. Name, Geburtsdatum, dann war die Sache schnell durch meine Registrierung im Internet geklärt. In nullkommanix hatte ich auch schon die Terminbestätigung auf dem Handy.“
Den Mann am anderen Ende der Leitung habe er gefragt, ob er denn schon rote Ohren hätte. Der habe gelacht und gemeint, er hätte im Laufe des Tages 150 Personen am Ohr gehabt. Trotz seiner großen Freude hat Poesl noch einen kleinen Kritikpunkt: „Es wäre andersrum besser gewesen: Wenn man die Menschen angerufen hätte. Dann hätte es den Ärger nicht gegeben.“
Landrat Martin Sailer versteht den Frust derer, die nicht zu den Glücklichen zählen, die einen Termin ergattern konnten: „Uns war von Anfang an bewusst, dass die Nachfrage viel größer sein wird als das Angebot. Deshalb haben wir im Vorfeld auch darauf hingewiesen, dass nur eine Minderheit mit einem Impftermin bedacht werden kann.“Der Politiker betont die Wichtigkeit der Aktion: „Einzig der kontinuiernigen, liche Impffortschritt wird uns in der Corona-Pandemie voranbringen.“
In der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Energie am Mittwoch ärgerte sich Sailer zudem öffentlich über die Darstellung der Impfaktion in unserer Zeitung. Unfair sei es gewesen, zunächst nur jene zu Wort kommen zu lassen, die keinen Termin bekommen haben. Er erinnerte daran, dass die Mitarbeiter der aktuell berechtigten Gruppe für die Impfungen den Wirkstoff von AstraZeneca oftmals wie „Sauerbier“anbieten müssten. Deshalb habe man die Chance für zusätzliche Impfungen nur für die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen ergriffen. Das könne man als Windhund-Verfahren verstehen. „Aber eben deshalb, damit sich wirklich diejenigen melden, die auch Interesse haben.“Es gehe nicht darum, mit dem Leben anderer Impfberechtigter zu spielen. „Stattdessen können wir durch die zusätzlichen Impftermine Leben retten.“