Schwabmünchner Allgemeine

„Mitarbeite­r sind die Kronjuwele­n von Porsche“

Personal-Vorstand Andreas Haffner sagt, den Begriff „Personalab­bau“gebe es bei dem Autobauer nicht. Warum der Manager Beschäftig­te nicht in Altersteil­zeit abdrängt und nichts von Abfindungs­programmen hält

- Interview: Stefan Stahl

Herr Haffner, Sie nennen Mitarbeite­r „die Kronjuwele­n“von Porsche, eine Formulieru­ng, die aus anderen großen Unternehme­n so selten zu hören ist. Kronjuwele­n sind ja auch teuer. Andreas Haffner: Für Porsche sind unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r die Kronjuwele­n. Auf Kronjuwele­n muss man besonders achtgeben. Und sie müssen regelmäßig poliert werden, damit sie ihren Glanz behalten. Denn eines ist klar: Diese Firma wäre nicht so erfolgreic­h, wenn wir nicht so tolle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hätten.

Wie poliert Porsche Mitarbeite­r?

Haffner: Indem wir alles unternehme­n, um sie langfristi­g an uns zu binden. Nach der aktuellen GallupStud­ie fühlen sich gut zwei Drittel der Beschäftig­ten in Deutschlan­d ihrem Betrieb nur wenig verbunden und machen Dienst nach Vorschrift. Sie beklagen, dass ihre Arbeit nicht wertgeschä­tzt wird. Das ist bei Porsche zum Glück ganz anders. Wir geben Mitarbeite­rn viel Freiheit und vermitteln ihnen, dass wir sie und ihre Arbeit schätzen. Wir sind wie eine Familie, die mit viel Herzblut zusammenhä­lt, auch wenn wir uns intensiv fordern.

Wie lässt sich Ihr positives PorscheBil­d belegen?

Haffner: Die Fluktuatio­n liegt unter einem Prozent. Die meisten unserer Mitarbeite­r bleiben ein ganzes Arbeitsleb­en lang. Jährlich ermitteln wir ein Stimmungsb­arometer. 93 Prozent der Mitarbeite­r sagen: Porsche ist für sie ein attraktive­r Arbeitgebe­r. Mehr als 80 Prozent sind extrem zufrieden mit ihrer Arbeit. Das ist ein Spitzenwer­t. Trotz Corona erhalten die Mitarbeite­r für das Geschäftsj­ahr 2020 eine freiwillig­e Sonderzahl­ung von bis zu 7850 Euro.

Der Bonus fiel aber um knapp 2000 Euro geringer als 2019 aus. Drückt das nicht zumindest etwas auf die gute Kronjuwele­n-Stimmung der verwöhnten Beschäftig­ten?

Haffner: Ganz im Gegenteil: Nach Bekanntgab­e der Sonderzahl­ung habe ich über hundert Dankes-Mails erhalten. Unsere Mitarbeite­r können das ganz gut einordnen. Mancher war sogar verblüfft, dass wir in harten Corona-Zeiten einen solchen Bonus zahlen. Aber die Mannschaft hat sich das verdient. Ganz wichtig: Bei uns bekommen die Mitarbeite­r nicht einen bestimmten Prozentsat­z des Gehalts als Bonus. Alle bekommen den gleichen Bonus. Die Kolleginne­n und Kollegen in der Küche ebenso wie Ingenieure der höchsten Tarifgrupp­e.

Das hört sich nach ein bisschen LuxusSozia­lismus bei Porsche an.

Haffner: Das hat nichts mit LuxusSozia­lismus zu tun. Unser Unternehme­nserfolg ist das Resultat einer tollen Mannschaft­sleistung. Bei Porsche ist es gelebte Tradition, dass wir diejenigen gleichbere­chtigt am Erfolg beteiligen, die ihn durch harte Arbeit erwirtscha­ften. Bei uns gibt es auch keine Neiddiskus­sion.

Wirklich? Das wäre ja menschlich.

Haffner: Mir hat unlängst ein Entwickler geschriebe­n, dass er es richtig findet, allen die gleiche Sonderzahl­ung zu gewähren. Das zeichnet die Porsche-Familie aus. Ebenso, dass wir im Gastronomi­ebereich rund 500 Personen selbst beschäftig­en und die Gastronomi­e eben nicht outsourcen. Selbst im Reinigungs­bereich haben wir zum Teil noch eigene Mitarbeite­r. Auch diese bekommen den Bonus – abhängig von der Arbeitszei­t und Betriebszu­gehörigkei­t – in voller Höhe.

Um sich so viel Großzügigk­eit und Familienge­ist leisten zu können, braucht man entspreche­nde Gewinne. Manch Zulieferbe­trieb mit dürftigere­n Renditen kann sich das nicht leisten. Haffner: Das bestreite ich nicht. Porsche hat ja 2020 ein operatives Ergebnis von rund 4,2 Milliarden Euro und eine Umsatzrend­ite von 14,6 Prozent eingefahre­n. Wir könnten aber auch sagen, wir wollen noch mehr Rendite erwirtscha­ften. Aber wir haben ganz bewusst entschiede­n, über den Bonus einen Teil unseres Erfolges an die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zurückzuge­ben.

Entspreche­nd müsste sich Porsche vor Bewerbunge­n kaum retten können.

Haffner: Wir haben rund 36 000 Mitarbeite­r und sind in der glückliche­n Lage, weit über 100000 Bewerbunge­n im Jahr zu bekommen. Sicherlich tragen dazu auch unsere TopPlätze in Arbeitgebe­rrankings bei. Bei einer Umfrage des Instituts für Automobilw­irtschaft haben wir erst jüngst wieder bei Studenten und Young Profession­als den ersten Platz in der Automobili­ndustrie belegt.

Aber die Transforma­tion der Branche, also die Digitalisi­erung und Elektrifiz­ierung, wirbeln auch Porsche durcheinan­der. Beschäftig­te müssen sich radikal umstellen. Das liegt vielen nicht.

Haffner: Die Veränderun­gen sind gewaltig. 20 bis 25 Prozent der Mitarbeite­r werden in fünf Jahren nicht mehr auf ihrem heutigen Arbeitspla­tz sitzen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Von 500 Ingenieure­n, die sich bei Porsche mit Verbrennun­gsmotoren beschäftig­t haben, werden wir einen Großteil auf neue Antriebste­chnologien umschulen müssen.

Wie funktionie­rt das?

Haffner: Um die Bedarfe für die Zukunft zu ermitteln, erstellen wir für jedes Vorstandsr­essort sogenannte Transforma­tionslandk­arten. Dabei schauen wir uns jeden einzelnen Mitarbeite­r an und prüfen, wen wir um- oder weiterqual­ifizieren müssen. Alleine in den kommenden fünf Jahren investiere­n wir dafür einen hohen zweistelli­gen Millionenb­etrag. Wir nehmen die Mitarbeite­r dabei an die Hand, sie müssen aber auch mitlaufen.

Das klingt anstrengen­d. Wie funktionie­rt das?

Haffner: Im engen Zusammensp­iel aller Beteiligte­n und mit umfassende­r Kommunikat­ion. Zudem nutzen wir entspreche­nde Werkzeuge, beispielsw­eise ein Skill-Matching-Tool.

Was ist das denn?

Haffner: Ein Mitarbeite­r, der sich verändern möchte, gibt freiwillig seinen Lebenslauf in ein Computerpr­ogramm ein. Dabei macht er auch Angaben zu seinen Qualifikat­ionen, sogenannte­n Skills. Dann kommt Künstliche Intelligen­z zum Einsatz. Sie ‚matcht‘ die Angaben des Mitarbeite­rs mit offenen Stellen in unserem Unternehme­n. Das System zeigt dem Mitarbeite­r auch auf, wie er sich weiterqual­ifizieren kann, um einen bestimmten Job zu bekommen. Am Ende entscheide­t natürlich immer noch das direkte Gespräch.

Was passiert mit Mitarbeite­rn, denen all das zu viel wird? Versucht Porsche solche Stellen dann doch wie viele andere Firmen über Altersteil­zeit abzubauen, ja sogar Beschäftig­te mit Abfindunge­n aus der Firma zu drängen? Haffner: Wir lassen keinen Beschäftig­ten zurück. Wir bauen kein Personal ab. Mit aktuell rund 36000 Mitarbeite­rn haben wir eine gesunde Größe, die wir beibehalte­n wollen. Wir haben also auch keine Abfindungs­programme. Das wäre aus meiner Sicht der falsche Weg. Gerade die Erfahrung der älteren Kolleginne­n

und Kollegen enorm wertvoll. ist für uns

Und wie sieht es mit Altersteil­zeit aus?

Haffner: Die bieten wir in einem begrenzten Umfang an. Aber nochmals: Ältere Mitarbeite­r sind für uns keine Belastung. Ihr Know-how ist für uns extrem wichtig. Ein älterer Facharbeit­er löst ein technische­s Problem oft viel schneller als ein junger Ingenieur. Und im Zusammensp­iel profitiere­n beide. Wir drängen ältere Beschäftig­te nicht in die Altersteil­zeit ab. Wir qualifizie­ren sie weiter. Sie sind fester Bestandtei­l unseres Umbaus im Unternehme­n.

Dennoch nutzen rund 400 Mitarbeite­r allein in diesem Jahr das Angebot der Altersteil­zeit bei Porsche.

Haffner: Das ist richtig, aber auf freiwillig­er Basis. Wenn ein langjährig­er Mitarbeite­r in Altersteil­zeit gehen möchte, sei es aus gesundheit­lichen Gründen oder weil er die Transforma­tion der Branche nicht mehr mitmachen möchte, dann sind wir natürlich gesprächsb­ereit. Das Angebot ist auch attraktiv: Diese Mitarbeite­r bekommen de facto 95 Prozent ihres letzten Nettogehal­ts. Grundsätzl­ich stellen wir aber erfreut fest, dass die meisten älteren Mitarbeite­r den Wandel zur Elektromob­ilität mitgestalt­en möchten.

Stellen Sie ältere Bewerber neu ein?

Haffner: Wir stellen durchaus auch ältere Mitarbeite­r ein. Bei Porsche versuchen wir für jeden Mitarbeite­r einen guten Job zu finden – solange er es will und gerne bis zum regulären Eintritt ins Rentenalte­r.

Ist Porsche eine Art Job-Paradies?

Haffner: Nein, das würde ich so nicht sagen. Auch bei uns fließt der Honig nicht von den Wänden. Unsere Mitarbeite­r müssen hart arbeiten für ihr Geld. Aber das Gesamtpake­t passt ganz offensicht­lich. Die Kolleginne­n und Kollegen sind gerne bei Porsche. Nicht wenige weinen sogar, wenn der Tag des Ruhestands gekommen ist.

Andreas Haffner, 55, kam 2015 nach vielen Jahren bei Volkswagen aus der Konzernzen­trale in Wolfs‰ burg zu Porsche nach Stutt‰ gart‰Zuffenhaus­en als Vorstand für Personal‰ und Sozial‰ wesen sowie als Arbeitsdir­ektor

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Foto: Marijan Murat, dpa In der deutschen Fahrzeugin­dustrie werden in vielen Unternehme­n in den nächsten Jahren reichlich Arbeitsplä­tze abgebaut. Bei Porsche sieht die Situation anders aus. Hier werden reichlich Beschäftig­te umgeschult.
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