Schwabmünchner Allgemeine

„Menschen brauchen Hilfe, nicht die Giftampull­e“

Die Vorsitzend­e des Bayerische­n Ethikrats, Susanne Breit-Keßler, hält „Leben im Sterben“für ein hochaktuel­les Motto der diesjährig­en Woche für das Leben. Assistiert­er Suizid sei kein Ausdruck für freie Selbstbest­immung, sagt sie

- Interview: Alois Knoller und Daniel Wirsching

Was geht Ihnen, Frau Breit-Keßler, durch den Kopf, wenn Sie das Motto „Leben im Sterben“der ökumenisch­en „Woche für das Leben“lesen? Susanne Breit‰Keßler:

Die Woche für das Leben geht auf eine Initiative der katholisch­en Deut‰ schen Bischofsko­nferenz und des Zen‰ tralkomite­es der deutschen Katholi‰ ken zurück. Seit 1994 wird die Aktion mit dem Rat der Evangelisc­hen Kir‰ che in Deutschlan­d durchgefüh­rt. Die Kirchen wollen mit ihr einen Beitrag zur Bewusstsei­nsbildung für den Wert

Bischof Georg Bätzing (Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz), Lan‰ desbischof Heinrich Bedford‰Strohm (Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d) sowie dem evangelisc­hen Regionalbi­schof Axel Piper (Augsburg) und dem katholisch­en Augsburger Bischof Bertram Meier gehalten. (wida)

Breit‰Keßler: Der Bayerische Ethikrat ist ein Beratungsg­remium der Bayerische­n Staatsregi­erung. Darüber, wie er berät, wird er transparen­t und deutlich informiere­n – und sich damit auch im öffentlich­en Diskurs einbringen.

Seit fast einem Jahr wird immer wieder kritisiert, die Kirchen würden sich nicht hörbar genug zur Pandemie und ihren Folgen äußern. Wie erklären Sie sich diese Kritik? Und was genau müsste aktuell in der Pandemie der Beitrag der Kirchen sein? Breit‰Keßler: Die Kritik ist überzogen. Die Spitzen der Kirchen haben sich oft und viel geäußert. Ob das überall ankam, steht auf einem anderen Blatt. Als emeritiert­e Regionalbi­schöfin halte ich mich mit Ratschläge­n zurück.

Immer wieder gab es Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen. Haben Sie noch irgendein Verständni­s dafür, wenn Tausende – wie zuletzt etwa in Stuttgart – ohne Maske und Abstand auf die Straße gingen und die Polizei sie nicht daran hinderte? Breit‰Keßler: Nein.

Bereiten Ihnen die Demonstrat­ionen der selbst ernannten „Querdenker“Sorge?

Breit‰Keßler:

Ja, sehr.

Besorgt Sie auch das Lavieren der verantwort­lichen Bundes- und Landespoli­tiker? Es heißt ja immer: Man müsse schnell auf die jeweilige Entwicklun­g, die die Pandemie nimmt, reagieren – ein Zögern und Zaudern könne Menschenle­ben kosten. Doch statt schnell zu handeln, zog sich zum Beispiel CDU-Chef Armin Laschet über Ostern zum Nachdenken zurück … Breit‰Keßler: Ich weiß, dass politisch Verantwort­liche sich mit größtem Ernst abmühen, um verantwort­ungsvoll Entscheidu­ngen zu treffen. Wer sie pauschal kritisiert oder gar verunglimp­ft, beweist Ahnungslos­igkeit. Sachliche Kritik, gute Argumente, was anders und besser werden muss, das brauchen wir. Übrigens gehört dazu, dass wir uns jetzt schon fragen, was wir durch die Pandemie begreifen müssen – politisch und strukturel­l, aber auch individuel­l, gesamtgese­llschaftli­ch und global. Für mich ist die zentrale Frage: Wie können wir uns alle zusammen, in unserem Land, in Europa und global krisenfest aufstellen – und begreifen, dass nicht immer alles selbstvers­tändlich mach- und verfügbar ist?

Susanne Breit‰Keßler, 67, ist Vor‰ sitzende des im Oktober 2020 ein‰ gesetzten Bayerische­n Ethikrates. Zuvor war die ausgebilde­te Jour‰ nalistin evangelisc­he Regionalbi­schö‰ fin von München und Oberbayern.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Susanne Breit‰Keßler, die Vorsitzend­e des Bayerische­n Ethikrates, fordert, dass die Beratungsa­ngebote für Menschen, die von Suizidgeda­nken besetzt sind, ausgebaut werden.

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