Warum Stadtvögel jetzt besonders viel singen
Amsel, Rotkehlchen und Co. lassen sich einiges einfallen, um den Lärm in der Großstadt zu übertönen. Zur Balzzeit im Frühling kann man spektakuläre Gesänge von allerlei Vögeln hören
In einer Großstadt ist es nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Auch für die heimischen Gartenvögel nicht. Amseln trällern schon im Morgengrauen in voller Lautstärke, während man sich im Bett noch verschlafen die Augen reibt. Rotkehlchen singen bis in die Abenddämmerung, wenn die Gartenstühle draußen längst wieder zusammengeklappt sind. Damit versuchen Amsel, Rotkehlchen und Co. gegen den Lärm in ihrer Umgebung anzukämpfen. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum man jetzt mitten in Augsburg so viel lautes Vogelgezwitscher hört.
Martin Trapp vom Landesbund für Vogelschutz in Augsburg kennt sich aus mit Phänomenen der Natur. Er verweist auf Studien, wonach sich viele Großstadt-Piepmätze innerhalb weniger Generationen an den Lärmpegel angepasst haben, der von Menschen erzeugt wird. StadtNachtigallen steigern ihre Lautstärke proportional zum Pegel der Hintergrundgeräusche, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. An Werktagen singen einige Vögel morgens besonders laut.
Eine andere Strategie, um wahrgenommen zu werden, verfolgen Kohlmeisen. Ornithologen fanden heraus, dass sie in Städten höher, schneller und kürzer pfeifen als in freier Natur, offenbar, damit sie sich vom tiefen Brummen des Verkehrslärms abheben. Andere Stadtvögel werden zu Frühaufstehern oder Nachtschwärmern, damit sie in den ruhigeren Randzeiten besser zu hören sind. Laut einer Studie wachen Stadtvögel im Schnitt 30 Minuten früher auf und gehen rund neun Minuten später schlafen als ihre Artgenossen auf dem Land.
Trapp sagt, „gerade jetzt im Frühling gibt es einen Wettbewerb der schönsten Sänger“. Heimische Singvögel kommen nach der kalten Jahreszeit aus den Wäldern zurück in die Gärten, weil sie in Siedlungsgebieten im Frühjahr Futter und Brutkästen finden. Parallel treffen Zugvögel wie Stare und Schwalben ein, die aus ihren Winterquartieren im Süden nach Schwaben zurückkehren. In der Paarungszeit sind viele Vögel sehr mit sich selbst beschäftigt und weniger scheu. Damit ist jetzt die beste Gelegenheit, um Allerweltsvögel mit ihren Angewohnheiten in Gärten und Parks zu beobachten.
„Die Stare polstern ihre Nistkästen aus und schmücken sie mit Blüten“,
erzählt Trapp. Mit etwas Glück und Geduld kann man Männchen mit einer Blume am Einschlupfloch winken sehen, um Weibchen anzulocken. Grünspechte liefern sich während der Balz spektakuläre Verfolgungsjagden. Das Werben um einen passenden Partner sei bei den Spechten besonders intensiv, so der Experte, weil sie den Rest des Jahres Einzelgänger sind. Wer markante Vogelstimmen hören will, dem empfiehlt Trapp einen Spaziergang entlang der Wertach oder durch den Stadtwald. Dort singt beispielsweise die Drossel jedes Motiv mehrfach hintereinander, bevor sie zum nächsten übergeht. Wer genauer hinhört, kann auch daheim vor der Haustüre die eine oder andere Entdeckung machen. Amseln und Stare lassen sich nach Beobachtungen von Wissenschaftlern zunehmend von Geräuschen der Menschen inspirieren. Sie trällern inbrünstig ihren „Vogel-Sprech“vor sich hin und integrieren HandyKlingeltöne oder Wecker-Alarm.