Ein neues Wohnquartier in Bad Wörishofen
Eine Investorengruppe um Tricor-Chef Martin Müller errichtet für mehr als 20 Millionen Euro eines der größten Wohnbauprojekte der Region. Es soll zukunftsweisende Technik geben – und Autos für die Mieter
Bad Wörishofen Dass Martin Müller keine halben Sachen macht, weiß jeder, der den Tricor-Chef kennt. Das zeigt sich nun auch bei einem Wohnbau-Projekt, das Müller gemeinsam mit anderen ehemaligen Tricor-Aktionären in Bad Wörishofen plant. Ein ganzes Wohnquartier soll in Bad Wörishofen neu entstehen, eine „Mini-Gartenstadt“, wie es Paola Rauscher von den Grünen im Stadtrat nannte. Das Quartier soll nicht nur ausschließlich Mietwohnungen bieten, sondern auch ein zukunftsweisendes Energieversorgungskonzept bis hin zu Autos für die Mieter, welche die Investoren stellen.
Im Mittelpunkt steht das Gelände, auf dem einst Schwermer Süßwaren im Stadtteil Gartenstadt herstellte. Eine Investorengruppe aus ehemaligen Aktionären der Tricor AG hat das 14.703 Quadratmeter große Gelände im Oktober gekauft. Jüngst zeigte Architekt Peter Baur von der NMJJ-Projektentwicklungsgesellschaft auf, wie das neue Quartier gestaltet werden soll.
Verschwunden sind die zunächst geplanten oberirdischen Garagenplätze. Stattdessen gibt es nun zwei große Tiefgaragen und nur noch vereinzelte Stellplätze auf dem Gelände selbst. Das Areal wird durch eine Straße mit Wendehammer erschlossen, welche die Investoren der MWWHG bauen und dann an die Stadt Bad Wörishofen übergeben wollen. Auch andere öffentliche Wege durch das Wohnquartier sind geplant, zudem ein zentral gelegener Spielplatz, der ebenfalls öffentlich sein wird. Bebaut wird das Gelände
mit Doppelhäusern, Reihenhäusern und Mehrfamilienhäusern. Geplant sind acht Doppelhaus-Teile, 24 Reihenhaus-Teile, dazu drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 58 Wohnungen. Direkten Zugang zu den Tiefgaragen hat aber nur ein Teil der Gebäude. Insgesamt entstehen 33.000 Kubikmeter umbauter Raum.
Ungefähr 220 Menschen sollen in dem neuen Quartier mit dem Namen „Wohnen mit Genuss“einmal leben, berichtete Baur. Das Gebiet schließt direkt an das bislang letzte kleine Baugebiet der Stadt am Saloberweg der Gartenstadt. Dort entstehen derzeit die ersten Häuser. Martin Müller sagte unserer Redaktion, man werde 20 bis 25 Millionen Euro in das Wohnquartier investieren und dieses auch selbst betreiben. Die Tricor AG hat mit dem Projekt aber nichts zu tun.
Die Gebäude sollen eine zukunftsweisende Wärmeversorgung erhalten, gespeist durch die Umwandlung von Sonnenenergie zu Methangas (Power-to-Gas), in Kombination mit einer Kraft-Wärme-Kopplung. Fotovoltaikanlagen auf den Dächern liefern den Strom für diesen Prozess der Elektrolyse. Entstehen soll ein geschlossener Kreislauf regenerativer Energien.
Geplant sind Batteriespeicher und unterirdische Speicher für das Methangas. Auch die Elektromobilität soll auf dem Gelände sichtbar werden. Ladestationen in den Tiefgaragen für die Mieterparkplätze sind eingeplant, so genannte Wallboxen. Dazu soll es öffentliche Ladestationen geben, zudem Fahrzeuge für Carsharing, welche die Investoren
stellen. „Viele Mieter werden dann feststellen, dass sie ein zweites Auto gar nicht brauchen“, sagt Architekt Baur. Stattdessen hätten sie Zugriff auf voraussichtlich vier Autos. Das alles koste extra Geld, welches die Investoren aber aus Überzeugung gerne ausgeben wollten, berichtete Baur. Das Quartier soll Modellcharakter haben. „Die Technik ist fast CO2-neutral und zukunftsweisend“, sagte er. Zudem senke sie die Nebenkosten für die Mieter. Zur geplanten Wärmeversorgung gebe es bislang kaum mehr als Pilotprojekte. In Bad Wörishofen will man das Thema nun im großen Stil umsetzen, das hatte bereits Müller gegenüber unserer Redaktion angekündigt. Architekt Baur nannte noch einen anderen Punkt: „Bad Wörishofen hat einen hohen Bedarf an preisgünstigem Wohnraum“, berichtete er im Stadtrat. Bekanntlich gilt in Bad Wörishofen die staatliche Mietpreisbremse, das ist nur in wenigen schwäbischen Gemeinden der Fall.
Im Stadtrat gibt es für das Projekt großen Rückhalt. Die Ratsmitglieder genehmigten das Konzept einstimmig. Nun muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Die Investoren bereiten derweil den Abriss des rund 8000 Quadratmeter großen Schwermer-Gebäudes vor. Etwa 110 Bäume habe man dazu bereits gefällt, sagte Baur. Weitere werden folgen, die Rede war von etwa 40 Bäumen. 30 Bäume werde man auf dem Gelände neu pflanzen, für den Rest andere Standorte oder Lösungen suchen. Der Abriss des Schwermer-Gebäudes verzögere sich allerdings, berichtete Baur. Es liege noch keine Freigabe vom Landratsamt vor. Zuerst müsse untersucht werden, ob sich nicht Fledermäuse und andere Tiere im Gebäude eingenistet haben. Das werde im Juni oder Juli klar sein.
Spätestens im August soll der Abbruch beginnen, im September die Erschließungsarbeiten, danach der eigentliche Bau. Im Oktober 2022 soll das neue Wohnquartier fertig sein. Wie hoch dort die Mietpreise ausfallen? Darauf konnte Architekt Baur keine Antwort geben. Es werde aber noch im einstelligen EuroBereich pro Quadratmeter sein. Bei den geplanten Penthouses werde man dagegen nicht mit Preisen von unter zehn Euro für den Quadratmeter hinkommen.
Aus Sonnenenergie soll Gas zum Heizen werden
Investoren engagieren sich aus Überzeugung