Schwabmünchner Allgemeine

Kampfflugz­eug stürzt ab: Das Wunder von Bobingen

Vor 70 Jahren entgeht Bobingen knapp einer Katastroph­e. Eine amerikanis­che F-84 stürzt in der Stadt ab

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Bobingen Wie durch ein Wunder wurde niemand getötet oder ernsthaft verletzt, als 1951 eine amerikanis­che F-84E im Tiefflug über Bobingen explodiert­e.

Das Flugzeug war am Morgen mit zwei anderen Maschinen in Fürstenfel­dbruck gestartet. Der Flug führte die Dreier-Formation über Augsburg in den Süden. Gegen 9.30 Uhr befanden sich die einsitzige­n Kampfflugz­euge der US Air Force knapp vor dem Ort, als plötzlich eine Maschine zurückfiel. Über die Wertachaue­n schoss sie in Richtung Ortsmitte und explodiert­e mit einem Knall in 30 Metern Höhe. So wurde es damals im Bobinger Boten beschriebe­n.

Das Flugzeug schlug im Garten eines Anwesens in der Römerstraß­e auf. Sofort stieg eine Rauchsäule auf. Brennende Wrackteile flogen wie Geschosse durch die Gegend. Sofort lag der Geruch von Kerosin in der Luft. Kinder, die gerade an der Singold spielten, kamen mit dem Schrecken davon. Anders war es mit

Frau, die gerade von der Hauptstraß­e in die Römerstraß­e lief.

Ein kleines Trümmertei­l traf sie am Bein. Die Frau zog sich eine Schürfwund­e am Schienbein zu. Vor Schreck stürzte sie und verstaucht­e sich leicht. Weitere Verletzung­en gab es damals offenbar nicht – vielleicht lag es daran, dass sich an diesem Vormittag niemand auf den Straßen rund um die Absturzste­lle aufgehalte­n hatte. Nicht auszudenke­n, was alles hätte passieren können: Ein Maschineng­ewehr des Flugzeugs schlug durch das Dach eines Anwesens und landete schließlic­h in einer Wohnung. Laut dem Bobinger Boten wurden auch noch weitere Dächer beschädigt.

Schnell rückten die Feuerwehr und die Werksfeuer­wehr der damaligen Seidefabri­k an. Die Freiwillig­en sperrten den Bereich um das

Flugzeug ab. Überall lagen Trümmertei­le und Munition. Den im Wrack vermuteten Piloten entdeckte die Feuerwehr nicht. Das hatte einen einfachen Grund.

Denn Duncan H. Mackenzie hatte sich rechtzeiti­g vor dem Absturz mit dem Schleuders­itz aus dem Kampfflugz­eug katapultie­rt. Laut dem damaligen Zeitungsbe­richt gelang es ihm, in rund 300 Metern Höhe auszusteig­en. Der Wind trieb ihn dann waagerecht etwas ab und er landete in einem Baum in den Wertachaue­n. Offenbar hatte er kleine Verletzung­en im Gesicht. Der Mann schaffte es vom Baum und lief dann zur Absturzste­lle. Dort erkundigte er sich sofort, ob jemand zu Schaden gekommen war. Seine Kollegen in den beiden anderen F-84E kreisten währenddes­sen um die Absturzste­lle.

Wenig später sperrte die damalige Landpolize­i die Stelle ab und kümmerte sich um die Munition. Dann übernahm die amerikanis­che Unfallkomm­ission. Wie sich später herausstel­lte, hatte das Flugzeug mit Düsenantri­eb einen Triebwerks­einer schaden. Näher beschriebe­n hat das Unglück auch Werner Bischler in seinen „Geschichte(n) aus der Militärges­chichtlich­en Sammlung Lechfeld“.

Die Hintergrün­de für den Absturz sind bislang nicht bekannt. Ofbrennend­e fen bleibt auch die Frage, ob Duncan H. Mackenzie noch versucht hatte, seine Maschine von der Siedlung fernzuhalt­en. Das Unglück erinnert auch an den Unfall von 1964: Pilot Ludger Hölker hatte nach einem Motorschad­en seines Kampfflugz­eugs

im September 1964 die abstürzend­e Maschine über Straßberg hinweg in den Wald gelenkt. Im vorderen Cockpit saß der 30-jährige Oberleutna­nt, dahinter der 42-jährige Major Walter Sütterlin. Nach über einer Stunde sank beim Radaranflu­g zur Landung im Lechfeld die Triebwerks­leistung.

Versuche, sie wieder zu erhöhen, scheiterte­n. Hölker übernahm die Führung der Maschine und beschloss, den Schleuders­itz nicht zu betätigen, um das Luftfahrze­ug im Sinkflug erst über Bobingen und Straßberg hinweg kontrollie­rt zu steuern, galt es doch, einen Absturz in besiedelte­s Gebiet zu verhindern. Der überlebend­e Sütterlin berichtete später, dass Hölker den Ausstieg bewusst verzögerte: „Noch nicht! Erst müssen wir über die Häuser weg!“, erinnerte er sich an die Worte seines Kollegen. Hölker prallte gegen einen Baum und starb kurz danach im Krankenhau­s. Er hatte das riskante Flugmanöve­r geschafft und die Bewohner Straßbergs vor einer Katastroph­e bewahrt.

Der Pilot opferte sich, um das Leben der Menschen in den Häusern zu retten

 ?? Foto: picture alliance, dpa (Archivbild) ?? Düsenjäger vom Typ F‰84 wie auf diesem undatierte­n Archivbild setzte die US Air Force auch im Koreakrieg ein.
Foto: picture alliance, dpa (Archivbild) Düsenjäger vom Typ F‰84 wie auf diesem undatierte­n Archivbild setzte die US Air Force auch im Koreakrieg ein.

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