Die nächste Nervenprobe steht bevor
Die Lokführergewerkschaft streikt kommende Woche erneut. Millionen Pendler und Reisende müssen damit rechnen, dass ihre Züge ausfallen oder es zu massiven Verspätungen kommt. Was hinter dem anhaltenden Konflikt steckt
Berlin Die Nervenprobe für Bahnkunden hält an: Ein weiterer Streik der Lokführergewerkschaft trifft nächste Woche am Montag und Dienstag wieder Millionen Reisende und Pendler. Voraussichtlich fährt dann noch ein Viertel der Fernzüge, im Regionalverkehr und bei S-Bahnen peilt die Bahn im Schnitt 40 Prozent an. Zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen sind zu erwarten. Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn. Im Güterverkehr des Staatskonzerns soll sogar schon von Samstag an die Arbeit ruhen.
Für 48 Stunden legt die GDL erneut bundesweit den Bahnverkehr lahm: Der erneute Streik beginnt im Personenverkehr am Montag um 2 Uhr und endet am Mittwoch um 2 Uhr. Damit bleiben die Züge genauso lang stehen wie beim ersten Streik in der vergangenen Woche. Fahrgäste haben jedoch zwei Tage mehr Zeit, sich auf den Streik einzustellen. Tickets, die von dem Streik am Montag und Dienstag betroffen sind, sollen auch schon ab diesem Wochenende bis einschließlich zum 4. September genutzt werden können. Läuft es wie beim ersten Mal, könnten die Züge schon am Mittwochvormittag wieder weitgehend normal fahren. Auch der erneute
dürfte viele Urlaubsreisende treffen. In zehn Bundesländern sind noch Schulferien.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erhöht damit den Druck in der Tarifrunde. Die Mitglieder „streiken für mehr Löhne, für den Schutz ihrer Rente“, sagte Vorsitzender Claus Weselsky am Freitag in Berlin. Die Wut unter den Mitgliedern auf das Management sei groß.
Die Kritik an ihrem Arbeitskampf inmitten einer Corona-Welle wies die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zurück. Vorsitzender Claus Weselsky zitierte das Konzernmanagement, das wiederholt betont hatte, dass Bahnfahren in Hinblick auf Ansteckungen sicher sei. Die Infektionszahlen steigen, die Bahn hatte die Fahrgäste schon beim letzten Mal um größtmögliche Rücksichtnahme gebeten, um Ansteckungen in vollen Zügen zu vermeiden. Auch der FahrgastStreik verband Pro Bahn äußerte Sorge wegen möglicher Infektionsrisiken. Weselsky griff den SPD-Politiker Karl Lauterbach an, der gewarnt hatte, Streiks bei der Bahn führten zu mehr Infektionen. Er sprach von Schmutzkampagnen gegen die Gewerkschaft.
Der Streik im Güterverkehr dauert einen Tag länger als beim ersten Mal. Er beginnt schon am Samstag um 17 Uhr. Die Wirtschaft reagierte darauf alarmiert. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte vor Produktionsausfällen. Der Streik schade dem Standort Deutschland, hieß es beim Verband der Automobilindustrie. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände teilte mit: „Die deutsche Wirtschaft versucht gerade erst, nach der Corona-Pandemie Fuß zu fassen.“Besonders auf die Güterbahn angewiesen sind laut Bundesverband der Industrie etwa die Chemieund Stahlindustrie, aber auch die Autobranche für Transporte zu den Exporthäfen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer warnte vor einem langen Tarifstreit. Sein Appell an beide Seiten: „Zurück an den Verhandlungstisch!“Durch den erneuten Streik verschärfe sich auch die angespannte Rohstoffsituation für die deutsche
Wirtschaft noch zusätzlich. Die Deutsche Bahn hat 2020 rund 43 Prozent aller Güter auf der Schiene transportiert, das übrige Geschäft übernahmen Konkurrenten. Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow appellierte, dass die Bahn mit einem verbesserten Angebot den Streik noch abwendet. „Ich fordere die Bundesregierung auf, der Konzernleitung eine klare Ansage zu machen.“Die Forderungen der Gewerkschaft seien berechtigt.
Die Lokführergewerkschaft kämpft in den Tarifverhandlungen unter anderem für eine bessere Bezahlung und fordert Lohnerhöhungen, wie im öffentlichen Dienst, von rund 3,2 Prozent. Zudem wünschen sie sich eine Corona-Prämie von 600 Euro im laufenden Jahr. Die Deutsche Bahn hatte der GDL zwar 3,2 Prozent angeboten, die Erhöhung soll demnach jedoch später greifen als von der Gewerkschaft gefordert. Bereits bei der Laufzeit des Tarifvertrags liegen die Vorstellungen beider Seiten noch deutlich auseinander. Nur ein verbessertes Tarifangebot der Bahn könne den Streik noch abwenden, machte Weselsky deutlich. Andernfalls drohten weitere Arbeitskampfmaßnahmen. Die Bahn bezeichnete den Streik hingegen als „völlig überflüssig“.