Neusässer ist verzweifelt vor Klinikaufenthalt
Ein 78-jähriger Neusässer pflegt seit Jahren seine kranke Frau. Nun muss er selbst ins Krankenhaus – und findet keinen Kurzzeitpflegeplatz für seine Ehefrau. Vor ähnlichen Problemen stehen viele Menschen im Kreis
So hat sich Josef Tosi aus Ottmarshausen das nicht vorgestellt: Endlich hat er den Termin für eine nötige Operation in der Augsburger Uniklinik bekommen, im September soll der Eingriff stattfinden. Doch noch kann sich Josef Tosi nicht auf seinen Krankenhausaufenthalt vorbereiten. Er hat noch ein großes Problem: Er weiß nicht, wohin mit seiner Frau Berta in dieser Zeit. Seit zehn Jahren kümmert sich der Ottmarshauser um seine Frau, die inzwischen in Pflegegrad fünf eingestuft ist und an einer Demenz leidet. Bei 20 Pflegeheimen im Landkreis hat der 78-Jährige inzwischen wegen eines Kurzzeitpflegeplatzes angerufen – ohne Erfolg. Josef Tosi vermisst in solch einem Fall praktische Hilfe, auch von Beratungsstellen.
Kurzzeitpflegeplätze sind im Landkreis Augsburg rar. Landratsamtssprecherin Annemarie Scirtuicchio erläutert, dass es inzwischen insgesamt 35 Plätze seien. 15 davon befinden sich in der einzigen Kurzzeitpflege-Einrichtung des Landkreises im Seniorenzentrum Diedorf, die von der ökumenischen Sozialstation und dem Roten Kreuz betrieben wird. Die anderen 20 sind in den Pflegeheimen zwischen dem Lechfeld und Meitingen verteilt. Dass sie für kurze Betreuungszeiten vorgehalten werden, hat auch mit der Politik im Landkreis zu tun: Vor gut zwei Jahren hat der Kreisausschuss beschlossen, Kurzzeitpflegebetten pro Jahr mit 2500 Euro zu fördern, hinzu kommt ein Zuschuss von 15 Euro pro Tag bei einer Belegung. Voraussetzung ist, dass die Betten eigens für kurze Pflegeperioden zur Verfügung stehen müssen. Bevor es den Zuschuss im Landkreis gab, habe es diese Betten so nicht gegeben, bestätigt die Sprecherin des Landratsamts. Denn in den Jahren zuvor war die Situation im Landkreis Augsburg noch enger.
Gab es im Jahr 2000 noch 75 reine Kurzzeitpflegeplätze, waren es im Jahr 2009 bloß noch 24 bis zum niedrigsten Stand von 15 vor zwei
Jahren in der spezialisierte Einrichtung in Diedorf. Alle anderen Pflegeeinrichtungen nahmen damals nur dann Gäste für einen kurzen Zeitraum auf, wenn zufällig gerade ein Platz frei war. Verantwortlich für die Entwicklung hat die Fachfrau für Seniorenfragen im Landratsamt, Regina Mayer, schon vor zwei Jahren auf einer Sitzung im Kreisausschuss vor allem die Politik der Pflegekassen gemacht. Sie habe die Träger von Kurzzeitpflegeplätzen in eine derart schwierige finanzielle Situation gebracht, dass sie dieses Angebot nicht mehr machen wollten. Der Landkreis reagierte mit einer eigenen Förderung. Doch damit sind nicht alle Probleme überwunden. Kurzzeitpflege wird vor allem von pflegenden Angehörigen in Anspruch genommen, wenn diese einmal Entlastung benötigen und in den Urlaub oder zur Kur fahren – oder eben selbst ins Krankenhaus müssen. Außerdem stehen sie Menschen zur Verfügung, die nur für kurze Zeit Pflege benötigen. Dazu gehören Personen, die eventuell nach einem Krankenhausaufenthalt noch nicht sofort wieder selbstständig zu Hause leben können. Das Problem dabei: Für die Einrichtungen sei der personelle Aufwand, einen Gast in Kurzzeitpflege aufzunehmen, genauso groß wie für eine vollstationäre Langzeitpflege, beschreibt Annemarie Scirtuicchio. „Das Problem im Fall von Herrn Tosi ist unseres Erachtens zwar sicherlich auch ein Problem der Verfügbarkeit von Plätzen, mehr noch aber ein Problem des kurzen Zeitraums, für den der Ehemann einen Platz sucht“, so die Sprecherin weiter. Hinzu komme, dass ein Platz in der Regel nicht nahtlos nachbelegt werden könne, sondern zwischen den einzelnen Belegungszeiträumen Leerlauftage sind. „Bei einem Aufenthalt von nur vier Tagen fallen diese Leerlauftage mehr ins Gewicht, als wenn ein Gast zwei Wochen bleibt und am Anfang und am
Ende des Tages einen oder zwei Tage frei bleibt. Viele Einrichtungen lehnen eine Aufnahme für so kurze Zeiten deshalb aus wirtschaftlichen Gründen ab“, sagt sie. Genauso hat es auch Josef Tosi erlebt. Für 14, 21 oder 29 Tage hätte er seine Frau schon unterbringen können, so einige Antworten auf seine Anfragen. „Mir scheint, hier stehen wirtschaftliche Interessen vor den menschlichen“, sagt er. Und verdeutlicht: „Meine Frau ist hilflos.“Seit zehn Jahren ist er Tag und Nacht für sie da, nur vier Stunden pro Woche werde er durch den Pflegedienst des Roten Kreuzes entlastet. Hunderte Nächte pro Jahr könne er durch den Aufwand nicht richtig schlafen – das zehre. Ende August gönnt er sich zum zweiten Mal in den zehn Jahren eine Woche Urlaub.
Der sei schon länger geplant, für diese Zeit hat er für seine Frau einen Platz in einem Augsburger Pflegeheim gefunden. Für die wichtigen
Tage im September klappe das aber nicht. „Dabei ist das doch jetzt ein Notfall.“Josef Tosi sieht die Politik in der Pflicht, hier zu handeln. „Es kann doch nicht sein, dass ich jetzt auch noch selbst die Politiker anrufen soll“, sagt er. Das sei ihm am Telefon von einem Pflegeheim geraten worden.
Gerade in Tosis Heimatstadt Neusäß, in der überdurchschnittlich viele ältere Bürger leben, gibt es so gut wie keine Kurzzeitpflegeplätze. Der Stadtrat hat sich mit dem Thema bereits beschäftigt. Aber: Ohne einen Träger, der in Neusäß Kurzzeitpflegeplätze schaffen will, kann auch die Kommunalpolitik nichts ändern. Auch von der Seniorenberatung des Landkreises wünscht er sich wirklich praktische Hilfe – aber die komme nicht von dort. Dennoch rät das Landratsamt, sich in solch einem Fall an die Seniorenberatung zu wenden: Auch wenn dort keine Plätze verteilt würden, könnten Alternativen aufgezeigt werden.