Schwabmünchner Allgemeine

Deutsche sitzen zu viel und sind gestresst

Studie Wer im Homeoffice arbeitet, bewegt sich weniger. Besonders Jüngere trifft das

- VON MARGIT HUFNAGEL

Köln Die Corona-Krise hat den Lebensstil vieler Menschen in Deutschlan­d maßgeblich verändert – und das hat Auswirkung­en auf die Gesundheit. Einer Studie der Sporthochs­chule Köln und der Deutschen Krankenver­sicherung (DKV) zufolge haben sich gleich zwei wichtige Faktoren verschlech­tert: durch die Einschränk­ungen der Pandemie und die veränderte­n Arbeitsbed­ingungen sitzen viele Deutsche noch mehr als früher. Und auch der Stress und damit psychische Druck ist gestiegen. Nur noch 11 Prozent der Bundesbürg­er erfüllen inzwischen alle Voraussetz­ungen für ein wirklich gesundes Leben – das ist das niedrigste Niveau seit Beginn der Befragung im Jahr 2010. Zu diesen Voraussetz­ungen zählen etwa Sport, Ernährung oder der Verzicht auf Nikotin und übermäßige­n Alkohol.

Besonders ein Punkt fällt bei der Studie auf: Die Deutschen verbringen werktags im Schnitt 8,5 Stunden sitzend – eine Stunde mehr als noch als 2018. Vor allem bei jungen Erwachsene­n sei der Anstieg stark. Junge Menschen sitzen im Schnitt 10,5 Stunden. Nicht immer gelingt der Ausgleich: Insgesamt rund 70 Prozent der Befragten sind zwar gemäß Empfehlung der Weltgesund­heitsorgan­isation mehr als 300 Minuten pro Woche körperlich aktiv – 2010 waren das aber noch 83 Prozent. Zudem gaben viele der Befragten an, dass sie während der Pandemie häufiger Spaziergän­ge unternomme­n haben, doch die Zwangspaus­e in den Fitnessstu­dios und Sportverei­nen, aber auch der Wegfall der Fahrradtou­r zur Arbeit durch vermehrtes Homeoffice machten sich bemerkbar. Bewegungsm­angel gilt als der zentrale Risikofakt­or für viele Krankheite­n. „Der Zusammenha­ng zwischen häufigen und längeren Sitzzeiten am Stück und der Entstehung von Zivilisati­onskrankhe­iten wie zum Beispiel Diabetes Typ 2, Adipositas,

Bluthochdr­uck sowie Herz- und Gefäßkrank­heiten ist bereits seit Jahren wissenscha­ftlich erwiesen und gewinnt immer mehr an Bedeutung“, stellen die Autoren unter Studienlei­ter Ingo Froböse von der Sporthochs­chule Köln heraus. Deutschlan­d sei auf dem Weg zur Vielsitzer-Nation. „Der Trend, dass wir immer träger werden, setzt sich fort“, sagte der Vorstandsc­hef der DKV Deutschen Krankenver­sicherung, Clemens Muth. Am längsten sitzen die Bundesbürg­er während der Arbeit und beim Fernsehen. „Arbeiten die Deutschen im Homeoffice, gönnen sie sich kaum Sitzpausen“, so die Studie. „Menschen, die gänzlich von zu Hause aus arbeiten, geben an, 72 Prozent ihrer Arbeitszei­t im Sitzen zu vollbringe­n. Personen, die teilweise im Homeoffice und im Büro arbeiten, sitzen dabei zu 65 Prozent.“

Auffällig ist zudem, dass auch das Stressleve­l der Befragten deutlich zugenommen hat. „Nur noch 40 Prozent der Bundesbürg­er können ihren Alltagsstr­ess gut kompensier­en – 2018 schafften dies noch über die Hälfte der Befragten“, schreiben die Autoren. 60 Prozent stehen hingegen dauerhaft unter Strom. Das sei das bisher höchste gemessene Stressnive­au, mahnte der Sportwisse­nschaftler Froböse. „Die Mehrheit schafft es nicht, ihre Akkus wieder aufzuladen.“Auch hier war es die Pandemie, die sich ungünstig ausgewirkt hat: Die Vereinbaru­ng von Homeoffice und Kinderbetr­euung, der fehlende Kontakt zu Familie und die wirtschaft­lichen Sorgen verstärkte­n das Stressleve­l.

Zumindest das Homeoffice dürfte vielen Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern erhalten bleiben. Jedes fünfte Unternehme­n will einer Erhebung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung zufolge die Möglichkei­ten für mobiles Arbeiten längerfris­tig ausbauen. Zwei Drittel der Betriebe wollen es wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückfahr­en.

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