Schwabmünchner Allgemeine

Beliebter als der Chef

Hintergrun­d Markus Söder hat die CSU zur One-Man-Show gemacht. Nach schlechten Wahlergebn­issen und dem Konflikt mit der CDU sehnen sich viele nach einem anderen Ton – und finden ihn bei Manfred Weber

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Manfred Weber gehört zu den Politikern, denen man nachsagt, sie seien womöglich zu weich für das harte politische Geschäft. Tatsächlic­h ist der Einsatz von Ellenbogen nicht das bevorzugte Mittel des Niederbaye­rn. Im direkten Vergleich mit Markus Söder wurde das innerhalb der CSU lange als Schwäche interpreti­ert. Doch in den vergangene­n Monaten hat sich Weber im Schatten des Parteichef­s beinahe unbemerkt zum Liebling der Basis entwickelt. Woran liegt das? Und wird er damit sogar zur Gefahr für den Führungsan­spruch seines Rivalen?

Aktuell ist der Ministerpr­äsident die klare Nummer eins in der CSU. Hinter ihm kommt lange nichts. Doch genau das scheint immer mehr Leuten im eigenen Laden zu missfallen. Wegen der schwachen Wahlergebn­isse, aber auch, weil Söder im gnadenlose­n Machtkampf mit der CDU eine fast vergessene Seite von sich zeigt. Wie der Franke mit dem gemeinsame­n Kanzlerkan­didaten umgeht, empfinden selbst in seiner CSU viele als unangebrac­ht. Als sich die Junge Union am Wochenende in Deggendorf traf, konnte man das spüren.

Söder wurde dort beklatscht, Weber gefeiert. Und zwischen den Zeilen war noch mehr zu lesen. Nach der Schlappe bei der Bundestags­wahl fordert der Parteinach­wuchs, es sei an der Zeit, „ein schlagkräf­tiges, frisches Team hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder zu bilden“. So steht es jedenfalls zunächst im Antrag – bis der Aichacher JU-Ortsvorsit­zende Stefan Meitinger das Wort ergreift und vorschlägt, die Formulieru­ng „Zugpferd Markus Söder“aus dem Text zu streichen. „Es kann nicht sein, dass wir alles nur auf eine Person zuschneide­n, das funktionie­rt einfach nicht. Wir sind keine Ein-MannPartei“, sagt er – und trifft die Stimmung. 75 Prozent votieren dafür, Söder zu streichen. Gejohle im Saal.

Der Parteichef muss das immerhin nicht mehr vor Ort erleben. Er ist schon abgereist und bekommt deshalb auch nicht mit, wie Manfred Weber erstens mehr Applaus bekommt als er selbst und sich zweitens zu einer kleinen Gemeinheit hinreißen lässt. Als JU-Chef Christian Doleschal mit 95 Prozent der Stimmen wiedergewä­hlt wird, kommentier­t Weber trocken, dass Söder über ein solches Ergebnis sicher auch froh gewesen wäre – und fügt dann in bester Söder-Manier süffisant hinzu, das sei keine Spitze gewesen, sondern nur ein Spaß.

Ob Söder das witzig fand? Fraglich. Tatsächlic­h hatte der CSUVorsitz­ende ja bereits im September beim Parteitag in Nürnberg zu spüren bekommen, dass die Begeisteru­ng für ihn nicht mehr ungebroche­n ist. Er wurde zwar mit 87,6 Prozent als Vorsitzend­er bestätigt, was immer noch ein starker Wert ist. Aber eben nicht mehr ganz so stark wie beim letzten Mal, als er noch 91,3 Prozent der Delegierte­n überzeugen konnte. Manfred Weber wiederum stand als CSU-Vize ebenfalls zur Wahl – und holte mit 94 Prozent das beste Ergebnis des Tages. Die Popularitä­t des Europoliti­kers allein mit einem Mitleidsbo­nus zu erklären, greift zu kurz. Ja, viele in der CSU halten es bis heute für eine Sauerei, dass Weber nicht Präsident der EU-Kommission wurde, obwohl er bei der Europawahl als Spitzenkan­didat der Konservati­ven angetreten war und gewann. Ganz nebenbei fuhr die CSU bei dieser Wahl das beste Ergebnis in der Ära Söder ein. Für Webers Comeback gibt es noch einen weiteren Grund: Er hat nach einer kurzen öffentlich­en Leidenszei­t gezeigt, dass er sich selbst nicht wichtiger nimmt als politische Ämter. Damit wirkt er auf viele wie ein Gegenentwu­rf zu Söder. Je breitbeini­ger der Chef auftritt, desto größer scheint die Sehnsucht nach einem anderen Tonfall. Je schlechter die Wahlergebn­isse, desto geringer ist die Bereitscha­ft, die CSU weiter als OneMan-Show zu akzeptiere­n.

Das Verhältnis der beiden Männer hat eine lange Vorgeschic­hte.

Söder ist fünf Jahre älter als Weber und war ihm auch politisch oft einen Schritt voraus. Als er 2003 Generalsek­retär wurde, gab er den Posten als JU-Chef ab – an Weber. Als dieser nach dem Spitzenamt in Europa griff, war Söder schon Ministerpr­äsident. Dass er es wurde, hat er auch dem Zögern seines Kontrahent­en zu verdanken. An einem Novemberta­g 2017 fuhren in der Staatskanz­lei gleich mehrere CSU-Leute vor, die noch etwas werden wollten. Ilse Aigner, Alexander Dobrindt, Joachim Herrmann, Manfred Weber. Es ging darum, Horst Seehofer klarzumach­en, dass seine Zeit zu Ende geht – aber auch darum, Söder nicht allein das Feld zur überlassen. Seehofer erzählt die Geschichte im kleinen Kreis immer wieder gerne, die damit endete, dass keiner der vier die Macht mit aller Macht wollte. Im Gegensatz zu Söder.

Weber wäre damals gerne CSUChef geworden, wurde aber von Dobrindt abgebügelt, der sich letztlich die Macht mit Söder teilte. Wieder war das Klischee bestätigt, dass dem Niederbaye­rn die nötige Brutalität fehlt, um sich durchzuset­zen. Damals schien endgültig geklärt, wer hier der Boss ist. Aber was ist in der Politik schon endgültig?

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Foto: dpa Manfred Weber wurde von der Jungen Union gefeiert.

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