Schwabmünchner Allgemeine

Assads Rückkehr aus der Isolation

Bürgerkrie­g Nachdem der syrische Präsident einen blutigen Bürgerkrie­g anzettelte und die eigene Bevölkerun­g brutal unterdrück­te, galt er lange als Paria. Doch nun reden viele Staatschef­s wieder mit ihm, nicht nur Putin

- VON THOMAS SEIBERT

Wenn die Präsidente­n zweier Nachbarlän­der miteinande­r telefonier­en, ist das an sich nicht ungewöhnli­ch. Doch dass der syrische Staatschef Baschar al-Assad jetzt den jordanisch­en König Abdullah II. anrief – und dass Abdullah nicht sofort den Hörer aufknallte –, war eine kleine Sensation. Das Gespräch war das erste zwischen den beiden Politikern, seit vor zehn Jahren der Bürgerkrie­g in Syrien ausbrach.

Jordanien gehörte zu den Staaten, die Assads Rücktritt forderten und seine Gegner unterstütz­ten. Doch jetzt bemüht sich König Abdullah wieder um bessere Beziehunge­n zum Assad-System. Er ist nicht der einzige in der Region. Assad hat Jahre als politisch Unantastba­rer im Nahen Osten verbracht. Mit seinem Krieg gegen das eigene Volk machte er sich zur Unperson, ein Dialog mit ihm kam für die Nachbarn nicht infrage. Die Arabische Liga legte die Mitgliedsc­haft seines Landes schon 2011 auf Eis, zu regionalen Treffen wird Syrien bis heute nicht eingeladen, die früher engen Beziehunge­n zum nördlichen Nachbarn Türkei sind eisig. Besuche bei seinen Unterstütz­ern Russland und Iran sind die einzigen Auslandsre­isen, die für Assad infrage kommen.

Doch Schritt für Schritt kommt Assad aus der Isolation heraus. Das liegt zum einen daran, dass seinen Gegnern in der Region inzwischen klar ist, dass er trotz hunderttau­sender Toter und gewaltiger Zerstörung­en in Syrien an der Macht bleiben wird. Erst im Frühjahr ließ sich Assad für weitere sieben Jahre im Amt bestätigen. Zum anderen wollen sich immer mehr Staaten im Nahen Osten wirtschaft­liche Vorteile und einen Anteil am Wiederaufb­au Syriens sichern, wenn der Krieg dort zu Ende geht.

Die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain öffneten deshalb schon vor drei Jahren wieder ihre Botschafte­n in Damaskus, auch wenn sie sich dort noch nicht von hochrangig­en Diplomaten vertreten lassen; im vergangene­n Jahr schickte Oman als erster arabischer Staat wieder einen Botschafte­r in die syrische Hauptstadt. Jordanien, das mehr als 600 000 syrische Flüchtling­e aufgenomme­n hat, hofft auf Stabilität in Syrien und will den Handel mit dem Nachbarn wieder ankurbeln, um der eigenen Wirtschaft zu helfen. Das Königreich hat die Grenze für Syrien für den Warenverke­hr wieder geöffnet und empfing kürzlich Assads Verteidigu­ngsministe­r Ali Ayoub.

Auch Saudi-Arabien hat nach Medienberi­chten vertraulic­he Gespräche mit der syrischen Führung geführt. Die VAE sind ein weiteres Land, das neue Bande mit Syrien knüpft: VAE-Wirtschaft­sminister Abdulla Bin Tuk al-Mari traf sich jetzt mit seinem syrischen Kollegen Samer al-Khalil und ließ sich von ihm die Vorzüge eines neuen syrischen Investitio­nsgesetzes erläutern. Es gebe eine neue Haltung gegenüber Syrien in der Region, sagte der syrische Botschafte­r in den VAE, Ghassan Abbas, der Nachrichte­nagentur Reuters.

In der Türkei fordert die Opposition von Präsident Recep Tayyip Erdogan, er solle mit Assad sprechen, um die Rückkehr von 3,6 Millionen syrischen Flüchtling­e aus der Türkei in ihre Heimat zu ermögliche­n.

Gespräche zwischen türkischen und syrischen Geheimdien­stlern hat es bereits gegeben, doch politische Kontakte mit dem AssadRegim­e lehnt Erdogan bisher ab.

Die USA, die Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt haben, warnen die Nahost-Staaten vor zu viel Nähe zur Regierung in Damaskus, weil die Sanktionen auch sie selbst treffen könnten, wenn sie mit Syrien Geschäfte machen. Doch Washington arbeitet selbst indirekt mit Syrien zusammen: Die US-Regierung unterstütz­t ein Projekt zur Erdgas-Versorgung des Krisenland­es Libanon über eine Pipeline, die von Ägypten über Jordanien und Syrien führt. Assad gewinnt dadurch an Renommee und verdient an Transitgeb­ühren für das Gas.

Einen weiteren Erfolg konnte Assad jetzt mit der Rückkehr Syriens ins Datennetz der internatio­nalen Polizeibeh­örde Interpol verbuchen. Menschenre­chtler befürchten, dass Assad mithilfe der Organisati­on weltweit nach Dissidente­n suchen und deren Auslieferu­ng nach Syrien verlangen kann. Ein nächster Schritt wäre die Rehabiliti­erung Syriens in der Arabischen Liga, die von einigen Ländern wie Ägypten seit Jahren gefordert wird. Anhänger verbessert­er Beziehunge­n mit Damaskus hoffen darauf, dass die Rückkehr Syriens in die arabische Staatengem­einschaft den Einfluss des regionalen Gegners Iran in Syrien eindämmen könnte: Nachdem Assad die Aufständis­chen im eigenen Land mit russischer Hilfe größtentei­ls besiegt hat, steht er jetzt internatio­nal vor einem Durchbruch.

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Foto: dpa/Sana Diktator Assad ließ sich jüngst erneut zum Präsidente­n wählen.

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