Wie Lieferengpässe die Region treffen
Konjunktur In der Industrie sorgen Materialengpässe weiterhin für Probleme. Davon sind auch Unternehmen in Schwaben betroffen. Zum Teil werden Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt
Augsburg Sie sind kaum mit bloßem Auge zu erkennen, aber sie sorgen derzeit bei vielen Unternehmen für Probleme. Lieferengpässe bei Halbleitern, die Hauptbestandteil von Mikrochips sind, sowie anderen Rohstoffen sorgen bei Herstellern für Produktionsausfälle und Kurzarbeit. Erst vor kurzem sagte Clemens Fuest, der Präsident des Münchner ifo-Instituts, im Gespräch mit unserer Redaktion, die Materialknappheit sei so groß wie nie in den vergangenen 30 Jahren. Fast 80 Prozent der Unternehmen sind laut einer ifo-Umfrage aktuell davon betroffen. Besonders ernst ist es in der Autoindustrie: Bei fast allen Unternehmen (97 Prozent) ist der Materialmangel ausgeprägt. Unternehmen mit elektrischen Ausrüstungen (93 Prozent), in der Chemieindustrie (67 Prozent) und im Maschinenbau (89 Prozent) berichten ebenfalls von Problemen. Auch die Industrie in der Region hat aktuell mit Lieferengpässen zu kämpfen.
Die Lage bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm ist aktuell angespannt. Der Autohersteller geht davon aus, dass die Versorgung mit Halbleitern in den kommenden Monaten weiterhin schwierig bleiben wird. Das wirkt sich auf die Produktion aus. Aktuell ist laut einer Sprecherin des Konzerns „weiterhin phasenweise mit kurzfristigen Produktionsanpassungen“zu rechnen. Die Beschäftigten, die von Arbeitsausfällen betroffen sind, werden in Kurzarbeit geschickt.
An den bayerischen Audi-Standorten Ingolstadt und Neckarsulm arbeiten die Beschäftigten teilweise in verringerten Schichten. Für einige Modelle wie A3, A4 und Q2 ruhte gar die Produktion. Eine Task Force und ein Krisenstab analysieren bei Audi permanent den weltweiten Engpass und versuchen diesen zu minimieren. Die Abstimmung zwischen den Zulieferern und Spediteuren sei eng, wie die Audi-Sprecherin berichtet. Der Volkswagen-Konzern und Audi konnten im 1. Halbjahr 2021 mehr Autos ausliefern als im Vorjahreszeitraum, die Nachfrage blieb stabil.
Die Lieferengpässe von Halbleitern bereiten dem Hausgerätehersteller BSH in Dillingen ebenfalls Probleme. Als Reaktion wurde am Standort Dillingen die Samstagsschicht bis Ende des Jahres ausgesetzt. Der gestiegenen Nachfrage durch die Corona-Pandemie kann das Unternehmen aktuell nicht immer in der üblichen Zeit nachkommen, wie BSH-Sprecher David Hofer berichtet. Betroffen sind alle Produktkategorien. Hinzu kommt, dass einige Fabriken für diese elektronischen Komponenten in asiatischen Ländern aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie vorübergehend geschlossen sind.
Aufgrund der anhaltenden Knappheit sei das Unternehmen voraussichtlich dazu gezwungen, die Produktion und das Sortiment anzupassen. In Einzelfällen könne die Produktion auch vorübergehend unterbrochen werden. Es werde mit mehreren Wochen Lieferverzögerungen, insbesondere bei Geschirrspülern, gerechnet. BSH-Sprecher Hofer geht davon aus, „dass diese Situation mindestens bis Ende 2021 und vielleicht sogar bis Anfang 2022 andauern wird.“
Auch beim Großmotoren- und Turbomaschinenhersteller MAN Energy Solutions in Augsburg ist die angespannte Liefersituation zu spüren. Das gilt sowohl für elektronische Bauteile wie Halbleiter als auch für Stoffe wie Eisen und Stahl, bei denen sich die Lieferung ebenfalls verzögert. Trotzdem steht die Produktion nicht still: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass der Einkauf von Volkswagen uns bei der Beschaffung unterstützt und sehen daher derzeit noch keine Einschränkungen für unsere Produktion“, sagt Jan Hoppe, Sprecher von MAN Energy Solutions. Das Unternehmen rechnet in naher Zukunft damit, dass die Lage im Bereich Rohteilund Automationszulieferung weiterhin angespannt bleiben wird.
Die globalen Lieferengpässe bei Halbleitern haben auch Auswirkungen für den Augsburger Roboterund Anlagenbauer Kuka. Doch bisher sei die Lage noch nicht prekär. „Aufgrund unserer sehr gut organisierten und flexiblen Lieferkette können wir die Bestellungen bei uns bedienen“, berichtet Sprecherin Teresa Fischer.
Der Hersteller von Hubschraubern und Flugzeugbauteilen Airbus Helicopters in Donauwörth ist bisher nicht von den Lieferschwierigkeiten betroffen. Den Grund dafür erklärt ein Sprecher: „Da wir nicht mit der Automobilindustrie vergleichbar sind, was die Produktionsraten und die benötigte Menge an Elektronikbauteilen betrifft, ist die Krise für unsere Branche weniger schwerwiegend.“Zulieferer informierten die Firma jedoch bereits darüber, dass das Problem immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Niemand rechnet mit einer schnellen Entspannung