Schwabmünchner Allgemeine

Endlich wieder Uni

Die Studierend­en können in ihre Hochschule­n zurückkehr­en. Ihre Gesamtzahl ist trotz Corona weiter gestiegen. Woran das liegen könnte und wie Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler die Lage zum Semesterst­art einschätzt

- VON ANDREAS DENGLER (mit dpa)

München Charlotte startet jetzt in ihr neuntes Fachsemest­er. Hätte sie sich an die Regelstudi­enzeit von sieben Semestern gehalten, wäre sie bereits seit einem Jahr fertig. Wegen der Pandemie ist ihr Studium ins Stocken geraten. Noch schlimmer sei, dass Corona sie krank gemacht habe, sagt die junge Frau. Das Alleinsein in den drei Corona-Semestern habe sie psychisch nur schwer überstande­n. „Mein Therapeut hat mir depressive Episoden bestätigt.“Ihren Nachnamen will sie deshalb nicht verraten. Sie befürchtet Nachteile für das Studium und den Berufseins­tieg, wenn sie ihre Krankheit öffentlich macht.

In diesem Winterseme­ster will Charlotte endlich ihre Abschlussa­rbeit abgeben. Die Studentin studiert soziale Arbeit im Bachelor an der Katholisch­en Stiftungsh­ochschule in München. Inzwischen sei sie in Behandlung und es gehe ihr wieder besser. „Ich kämpfe mich jetzt langsam zurück“, sagt sie. Mit den Lockerunge­n und der Aussicht auf mehr Präsenzver­anstaltung­en kehrt wieder Normalität in ihr Studentenl­eben ein. „Ich merke, dass mir der Austausch mit den anderen Studierend­en guttut.“

Rund 409000 junge Frauen und Männer sind aktuell an den Hochschule­n des Freistaats eingeschri­eben. Laut dem bayerische­n Wissenscha­ftsministe­rium ist die Zahl in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gestiegen. Im Winterseme­ster 2016/17 waren 378320 Studentinn­en und Studenten immatrikul­iert. Im Winterseme­ster 2017/18 lag die Zahl bereits bei 388 893, und im Winterseme­ster 2018/19 stieg sie auf Im ersten Corona-Jahr 2020 knackte die Zahl der Studierend­en sogar die 400000-Marke.

Ein tieferer Blick in die Statistik zeigt eine zweite interessan­te Entwicklun­g. Die Zahl der jungen Menschen, die ein Studium beginnen, ist in Bayern zuletzt gesunken – von 75854 im Studienjah­r 2019 auf 73 951 (2020). Nun zum Winterseme­ster 2021/22 haben knapp 65 000 Frauen und Männer begonnen. Wie passt das mit der steigenden Zahl der Gesamtstud­ierenden in den vergangene­n Jahren zusammen? Für die Sprecherin der LandesASte­n-Konferenz Bayern, Johanna Weidlich, sind diese Zahlen keine Überraschu­ng. Die Online-Lehre habe viele Abiturient­en und Abiturient­innen im vergangene­n Jahr davon abgehalten, ein Studium zu beginnen, sagt Weidlich. Dass die Zahl der Studierend­en trotzdem gestiegen ist, erklärt sich Weidlich so: „Die Studierend­en brauchen wegen Corona länger für das Studium.“

Besonders stark war der Rückgang von ausländisc­hen Studierend­en und Austauschs­tudenten wäh392297. rend der Corona-Semester. Der Grund dafür seien die Einschränk­ungen des Reiseverke­hrs während der Pandemie, betont das Wissenscha­ftsministe­rium.

Trotz Pandemie hat Noah Doman aus den USA im Corona-Jahr 2020 ein Auslandsse­mester begonnen – und inzwischen wieder abgebroche­n. Eigentlich wollte er in Passau den Master „Computatio­nal Mathematic­s“studieren. „Die CoronaPand­emie ist für mich wie ein Wendepunkt. Statt weiter zu studieren, will ich jetzt anfangen zu arbeiten“, sagt der junge Mann. Vor allem die Einsamkeit und die Online-Lehre waren die Gründe für seinen Studienabb­ruch im Frühjahr 2021.

Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU) ist davon überzeugt, dass das jetzige Winterseme­ster ohne große coronabedi­ngte Einschränk­ungen starten kann – auch wenn sehr große Vorlesunge­n oft weiter digital angeboten würden. Die Regel werde aber die Präsenz sein, gerade bei kleineren Veranstalt­ungen.

Rund 80 Prozent der Studierend­en seien bereits geimpft, hinzu kämen etwa zehn Prozent Genesene, sagte Sibler am Montag. Stichprobe­n sollen sicherstel­len, dass alle die 3G-Regel einhalten, also entweder geimpft, genesen oder negativ getestet sind. Hier werde man engmaschig kontrollie­ren, kündigte der Minister an. Bislang habe es aber keine Probleme geben. So hätten an der Technische­n Hochschule in Deggendorf von bis zu 4000 Leuten auf dem Campus nur sieben keinen Nachweis vorlegen können. Kostenlos sind Tests für Studenten nur noch bis zum 30. November. Wo Abstände nicht eingehalte­n werden können, gilt zudem eine Maskenpfli­cht. Dies werde im Laufe des Semesters überprüft, sagte Sibler.

Bis sich alle Erfahrunge­n der Studierend­en während der Pandemie in der Statistik niederschl­agen, wird es wohl noch dauern. Charlotte, die Studentin aus München, engagiert sich in ihrer Freizeit auch noch in der Hochschulg­emeinde und hilft bei der Organisati­on der Veranstalt­ungen zum Semesteran­fang. Nach dem Bachelor weiterstud­ieren will sie aber auf keinen Fall, auch nicht in der Präsenzleh­re: „Ich bin damit fertig.“

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Auch so kann Studium in Deutschlan­d wieder aussehen: eine Vorlesung am Montag an der Universitä­t in Münster. In Bayern sollen sehr große Vorlesunge­n oft weiter digital angeboten werden.

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