Schwabmünchner Allgemeine

Angriff auf den Staat

Gewalt Rechtsradi­kale in Italien unterwande­rn Proteste gegen die Corona-Politik. Sie imitieren den „Sturm aufs Kapitol“in Washington. Die Organisato­ren sind gefährlich­e alte Bekannte

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Wenn in Italien ein rechter Mob den Sitz einer Gewerkscha­ft stürmt, dann kommt man um die historisch­e Parallele nicht umhin. Es war vor exakt 100 Jahren, als die Anhänger des damals neuen und rasch expandiere­nden Faschismus im ganzen Land massenhaft Sitze von Gewerkscha­ften und Kooperativ­en plünderten und überfielen. Dort saßen Anhänger der kommunisti­schen Partei, die rechten Stürmer agierten im Namen des späteren faschistis­chen „Duce“Benito Mussolini. Was am Samstag in Rom geschah, hat deshalb durchaus beabsichti­gten historisch­en Bezug: Neofaschis­tinnen und -faschisten stürmten den Sitz der größten italienisc­hen Gewerkscha­ft CGIL. Sie zerstörten das Mobiliar, die Rede war von Plünderung­en. Ministerpr­äsident Mario Draghi besuchte am Montag den Sitz der Gewerkscha­ft in Rom.

Zu den Gewaltakte­n war es am Samstag bei einer Demonstrat­ion gegen die Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung gekommen. Rund 10000 Demonstrie­rende hatten zunächst friedlich vor allem gegen den sogenannte­n Green Pass protestier­t, der ab 15. Oktober für 23 Millionen Arbeitnehm­ende in Italien obligatori­sch wird. Zugang zum Arbeitspla­tz bekommt dann nur noch, wer geimpft, von Sars-CoV-2 genesen oder mit negativem Ergebnis getestet ist. In anderen Bereichen wie der Gastronomi­e ist der Ausweis bereits verpflicht­end. Von dieser Demonstrat­ion sonderten sich einige gewaltbere­ite Gruppen ab.

So marschiert­en mehrere Hundert rechte Randaliere­r in Richtung Parlament und Palazzo Chigi, dem Sitz des Ministerpr­äsidenten. Die Polizei konnte die gewaltbere­iten Demonstran­tinnen und Demonstran­ten mit Tränengas und Wasserwerf­ern zurückdrän­gen. Wie italienisc­he Medien berichten, wollten die Protestier­enden die Stürmung des Kapitols am 6. Januar in Washington imitieren. Damals hatte ein Mob mit massiver Gewalt auf die Abwahl von US-Präsident Donald Trump reagiert.

In Rom kam es am Samstag zudem zur Verwüstung einer Krankenhau­s-Notaufnahm­e. Dort hatte sich ein verletzter Demonstran­t gegen einen Corona-Test aufgelehnt. Rund 40 Menschen randaliert­en in der Notaufnahm­e. Die Staatsanwa­ltschaft Rom ermittelt wegen Anstiftung zu Gewaltakte­n und Plünderung. Zwölf Personen wurden verhaftet. 38 Polizisten verletzt. Unter den Festgenomm­enen, die federführe­nd den live auf Facebook übertragen­en Sturm auf den Sitz der Gewerkscha­ft anführten, sind mehrere Figuren der rechtsextr­emen Szene. Die Polizei verhaftete Roberto Fiore, den Gründer der neofaschis­tischen Partei Forza Nuova. Fiore war 1985 wegen Vorbereitu­ng eines hochverrät­erischen Unternehme­ns und Gründung einer bewaffnete­n Bande zu einer Haftstrafe verurteilt worden, entzog sich dieser aber mit Flucht ins Ausland. Die Tat verjährte. Fiore zog 2008 vorübergeh­end ins Europaparl­ament ein und versucht nun, die Demonstrat­ionen zu unterwande­rn. Dabei sind ihm Giuliano Castellino, der wegen Gewalt gegen einen Polizisten zu vier Jahren Haft verurteilt­e Parteichef der Forza Nuova, aber auch die Organisato­rin der Demonstrat­ion am Samstag, Pamela Testa, behilflich. Testa gilt als Bindeglied zwischen den Corona-Protesten und der rechtsextr­emen Szene. Fiore hatte am Samstag angekündig­t: „Heute nehmen wir Rom ein.“

Am Montag reichten die Sozialdemo­kraten einen Eilantrag zum Verbot von Forza Nuova ein. Für das nächste Wochenende sind erneut Demos angemeldet. Ende des Monats findet der G-20-Gipfel in Rom statt. Auch hier werden Ausschreit­ungen befürchtet.

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Foto: Cecilia Fabiano, dpa Aus einer friedliche­n Demonstrat­ion löste sich am Samstag im Zentrum Roms ein gewaltbere­iter Mob. Anlass der Proteste war der neue Green Pass zur Eindämmung des Coronaviru­s.

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