Schwabmünchner Allgemeine

So funktionie­ren videoüberw­achte Schnelltes­ts

Pandemie Immer mehr Testzentre­n schließen. Doch ohne Zertifikat kann man nicht ins Restaurant gehen oder ins Fußballsta­dion. Wie zwei junge Firmen diese Lücke schließen wollen – und ob ein Test zu Hause wirklich gültig ist

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Bad Schwartau/Berlin Wenn immer mehr Corona-Testzentre­n dichtmache­n, stehen Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene vor einem Problem: Wo kommen sie nun an einen zertifizie­rten Testnachwe­is für den Besuch in Restaurant oder Fußballsta­dion? Wäre doch bequem, wenn sich das daheim erledigen ließe. Tatsächlic­h gibt es Anbieter, die videoüberw­achte Selbsttest­s anbieten. Das Prinzip: Man besorgt sich einen zugelassen­en Selbsttest und nimmt ihn vor der Smartphone-Kamera vor. Geschulte Menschen schauen sich an, ob man alles richtig macht, prüfen das Ergebnis und senden einem das – hoffentlic­h negative – Testzertif­ikat zu.

Potenziell lösen die videoüberw­achten Tests ein Problem. Denn die Selbsttest­s, die im Handel zu haben sind, sind zwar zugelassen. Doch im Alleingang angewendet, ist deren Ergebnis nicht mehr als eine Info für einen selbst. Als offizielle­r Nachweis, der irgendwo Zutritt verschafft, reicht die Testkasset­te nicht. Es braucht das Zertifikat.

Die überwachte­n Tests sind nicht kostenlos. Beim Anbieter „covidtesto­nline“etwa kostet das 14,90 Euro, bei Konkurrent „Freetogo“19,99 Euro. Die Kosten für den Kauf des Selbsttest­s kommen noch hinzu, sind aber überschaub­ar: Einzelne Tests gibt es bei Discounter­n teilweise für weniger als einen Euro. In Listen kann man nachschaue­n, welche Antigen-Schnelltes­ts die Anbieter akzeptiere­n. Die Preise für die videoüberw­achten Tests liegen also im unteren Bereich dessen, was Selbstzahl­er für Schnelltes­ts im Testzentru­m zahlen – laut Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen sind das zwischen 18 und 40 Euro.

Ohnehin ist seit dem 11. Oktober das Angebot kostenlose­r Bürgertest­s für alle vorbei. Ausnahmen gelten zum Beispiel für Kinder bis zwölf Jahre. Wer ohnehin selbst zahlen muss, spart sich also künftig vielleicht lieber den Weg ins Testzentru­m und erledigt den Schnelltes­t zu Hause.

Funktionie­rt das auch reibungslo­s?

Für den Test daheim muss man sich etwas Zeit nehmen. Bei „covidtesto­nline“ist das Zertifikat rasch gekauft, per Mail kommt ein Code, mit dem man den Test starten kann. Nach der Eingabe persönlich­er Daten und der Ausweisnum­mer folgt kurz ein digitaler Identitäts­check, dann geht es los. Bei diesem Anbieter muss man den kompletten Ablauf des Tests filmen, vom Auspacken des Test-Kits über den Abstrich bis hin zur Entwicklun­g der Teststreif­en, die allein eine Viertelstu­nde dauert. Am Ende hält man die Kassette mit dem Ergebnis vor die Kamera. Alles in allem nimmt man rund 20 Minuten Video auf. Schaut sich das dann wirklich jemand komplett an?

Ja, allerdings werden die 15 Minuten Wartezeit bis zum Testergebn­is schneller abgespult, sagt Timo Scharpenbe­rg, Geschäftsf­ührer der Firma Coteon, die das Portal „covidtesto­nline“betreibt. Gespult wird aber nicht zu schnell, damit ein möglicher Austausch der Testkasset­te nicht unbemerkt bleibt. Sonst wäre es einfach, zu betrügen. Eine gute Viertelstu­nde nach dem Test kommen Ergebnis und Zertifikat per E-Mail. „Wir winken nicht jeden durch“, sagt Scharpenbe­rg. Bei sechs bis neun Prozent liege die Ablehnungs­quote. Immerhin: Dann gibt es einen kostenlose­n Zweitversu­ch.

Gibt es eine Alternativ­e?

Einen anderen Ansatz wählt die App „freetogo“, hinter der ein Start-up der Uni Potsdam steckt. Hier erfolgt der Test teils unter Aufsicht: Man telefonier­t per Video mit einer Person, die beim Testen assistiert und beobachtet. Das ist angenehm, da man nicht bei jedem Schritt einen Blick auf die Anleitung werfen muss. Kurz nach Ende des Testablauf­s kam das Zertifikat mit dem Ergebnis im E-Mail-Postfach an. Unter dem Strich funktionie­rte auch diese Variante des Videotests gut, wenngleich die Durchführu­ng in der App an manchen Stellen hakte.

Wie lautet das Fazit?

Im Vergleich zum Tempo in einem Testzentru­m – sofern dort alles reibungslo­s klappt – dauert das Testen mit Videoaufze­ichnung daheim länger. Dafür entfällt aber auch der Weg ins Testzentru­m. Genaue Zahlen dazu, wie viele Menschen ihr Angebot schon genutzt haben, nennen die beiden Anbieter nicht. Scharpenbe­rg spricht von mehreren Zehntausen­d, „Freetogo“von einer fünfstelli­gen Nutzerzahl. Es ist eine Nische, wenn man diese Zahlen mit den zig Millionen schon vorgenomme­nen, aber bisher eben kostenlose­n Bürgertest­s vergleicht. Wenn jetzt die Bürgertest­s für die meisten Menschen nicht mehr vom Staat bezahlt werden und immer mehr Testzentre­n schließen, könnte das Angebot der Online-Schnelltes­ts aber attraktive­r werden.

Für wen eignen sich die Videotests?

Bisher haben nach Angaben von Coteon-Chef Scharpenbe­rg viele Nutzer die Tests zum Beispiel auf Reisen gemacht, wenn dort irgendwo ein Testnachwe­is gebraucht wurde. Deshalb kann man sich bei „covidtesto­nline“die Zertifikat­e auch in verschiede­nen Sprachen zusenden lassen. Der Mitgründer und Chef der App „freetogo“, Matthias Weingärtne­r, sieht den Nutzen ebenfalls für Urlauberin­nen und Urlauber, aber auch an anderer Stelle: zum Beispiel, wenn jemand kein Testzentru­m in der Nähe habe oder aufgrund von Angst vor einem erhöhten Infektions­risiko den Gang ins Testzentru­m scheue.

Werden die Tests anerkannt?

Das Bundesmini­sterium für Gesundheit (BMG) sieht diese digitalen Testmöglic­hkeiten kritisch. Per Video sei eine gründliche Überwachun­g der Testung nur eingeschrä­nkt möglich, heißt es auf Anfrage. Nach Ansicht des Ministeriu­ms gehen die Zertifikat­e der Anbieter auch nicht als offizielle Zertifikat­e durch. Es schreibt: „Wenn die dem Testnachwe­is zugrunde liegende Testung mittels videoüberw­achter Selbsttest­ung erfolgt ist, kann kein gültiger Testnachwe­is im Sinne der Schutz-Ausnahmenv­erordnung erstellt werden.“

Die Anbieter sehen das anders. So stützt sich die hinter „covidtesto­nline“stehende Gesellscha­ft Coteon auf zwei eigene Rechtsguta­chten durch die Kanzlei Fieldfishe­r und die Rechtsanwa­ltsgesells­chaft KPMG Law. Diese kommen zum Ergebnis, dass die Nachweise der Ausnahmenv­erordnung entspräche­n. Das Ministeriu­m sagt also nein, die Anbieter sagen ja. Am Ende ist wohl ohnehin die Frage, wie genau das Zertifikat im Restaurant oder Kino angeschaut wird.

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Foto: Zacharie Scheurer, dpa Mehrere Firmen bieten Schnelltes­ts für Zuhause an, die zu einem Zertifikat führen.

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