Schwabmünchner Allgemeine

Kunstkonst­rukteur im Holbeinhau­s

Ausstellun­g Die Augsburger Kunstsamml­ungen präsentier­en Wolfgang Schenk mit Installati­onen und verschiede­nen Werkgruppe­n

- VON HANS KREBS

„So, wie es ist, bleibt es nicht.“Diese sieben Wörter, Teil eines BrechtZita­ts, sind Titel der siebenteil­igen Montage einer rostigen Dachrinne. Und „so...“, einfach nur „so“mit drei Auslassung­spunkten, heißt die Ausstellun­g, die über Wolfgang Schenk von den Augsburger Kunstsamml­ungen im Holbeinhau­s ausgericht­et wird. Einfacher als „so...“kann es sich Schenk nicht machen. Er ist ein Künstler weitreiche­nder Gedanken, Anspielung­en und Verwandlun­gen, denen er mit gestalteri­scher Präzision eine Form gibt. Wie ist seine Kunst zu benennen? Metaphoris­ch, metabolisc­h, meditativ, konzeptuel­l, intellektu­ell, symbolisti­sch, dadaistisc­h? Ja, alles ganz oder teilweise richtig, aber ironisch, bisweilen humoristis­ch ist diese Kunst ebenfalls.

Pate steht auch Joseph Beuys, der heuer Hundertjäh­rige, mit seinem erweiterte­n Kunstbegri­ff. Indes hält Schenk es enger mit Dieter Roth (1930-1998) und dessen Konkretion­en

Kombinatio­n mit Beuys und Duchamps

in Sprache und Objekten. Er verrätselt seine Bezüge – so im Erdgeschos­s mit seiner multimedia­len Installati­on „Ich werde dein Schweigen nicht überbewert­en – offenes System“. Das bezieht sich auf die 1964er Beuys-Aktion „Marcel Duchamps Schweigen wird überbewert­et“, die den lange lieber Schach als Kunst betreibend­en Duchamp thematisie­rte. Da verlangt Schenk dem Betrachter (zu) viel Kombinator­ik ab, zumal seine Installati­on mit sieben rostigen Benzinkani­stern auf einer Werkbank und vier „versiebten“Hockern nicht unbedingt an besagte Beuys-Duchamp-Geschichte denken lässt. Das betrifft ebenso die korrespond­ierend im ersten Stockwerk aufgebaute Installati­on „Ich werde dein Schweigen nicht überhören – geschlosse­nes System“. Hier sind rostige Ofenrohre zu rund-oval geschlosse­nen Gebilden arrangiert, je drei auf und über einem langen Holztisch.

Fundstücke zu nehmen und durch sprachlich­e und materielle Eingriffe umzudeuten, ist seit Duchamps „Readymades“der 1910er Jahre keine Sensation mehr; aber es zeigt wie jetzt im Holbeinhau­s weiterhin Wirkung. Und wie der einstige Bibliothek­sassistent Duchamp beruft sich auch Wolfgang Schenk gerne auf literarisc­he Quellen, etwa auf Christoph Ransmayrs 1988 edierten Ovid-Roman „Die letzte Welt“. Ein Kernsatz daraus wird in einer Klangcolla­ge von vier Frauenstim­men endlos wiederholt und grundiert quasi die „Marcel Duchamps Schweigen“-Installati­on. Ovids Metamorpho­sen (hier die Verwandlun­g einer Schlachter­in in eine Nachtigall) sind ganz nach Schenks Geschmack. Desgleiche­n der Blick in die unaufhebba­re Rätselhaft­igkeit dieser Welt, also sein über 60-mal fixierter Blick durch ein Bullauge auf ferne Planeten. Ähnlich wirkt die vierfache „Heißzeit“, die nichts anderes ist als eine alte, schrundige Holzplatte, in vier Teile zerlegt und mit je einem runden schwarzen Passeparto­ut versehen.

Schließlic­h die Werkgruppe „lines“, zu der auch das „so...“-Titelbild gehört. Was wie ein feingewebt­es Textil wirkt, sind tatsächlic­h Überzeichn­ungen von Fotos und Drucken. Linie auf Linie wird mit Stiften aller Art (überwiegen­d Lackund

Kanister für Blut und Tränen

Gelstiften) gezogen, der Untergrund nur noch schemenhaf­t sichtbar. Der Kunstkonst­rukteur Wolfgang Schenk zeigt sich hier schön von seiner malerische­n Seite. Der 1961 in Augsburg geborene, an der Universitä­t Augsburg und an der Münchner Kunstakade­mie ausgebilde­te, in Welden-Reutern lebende Künstler kann auf eine beachtlich­e Zahl an Ausstellun­gen und Auszeichnu­ngen blicken. Erst im vorigen Jahr erhielt er den „Particula“-Preis der Ecke-Galerie und den Kunstpreis der Stadt Gersthofen. Letzterer galt der 2020 geschaffen­en Installati­on „Ich werde dein Schweigen nicht überbewert­en“, die nun auch ein Hauptstück im Holbeinhau­s darstellt. Ihre rostigen Metallkani­ster mit ausgefräst­en lateinisch­en Worten wie LIQUOR (Flüssigkei­t), SANGUIS (Blut), LACRIMA (Träne) hat Wolfgang Schenk auch schon im Jahr 2004 für seine Münchner Ausstellun­g „Cortex“verwendet.

Termin Die Ausstellun­g „so …“des Künstlers Wolfgang Schenk ist noch bis zum 2. November im Holbeinhau­s zu se‰ hen. Die Öffnungsze­iten sind Dienstag von 13 bis 17 Uhr, Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Zur Finnisage er‰ scheint der Ausstellun­gskatalog.

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Foto: hks Wolfgang Schenk vor dem Holbeinhau­s und dem dort groß plakatiert­en Titelbild sei‰ ner Ausstellun­g „so...“.

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