In Langerringen wurde mit Dampfnudeln gekegelt
Serie Wikipedia scheint über die ganze Welt Bescheid zu wissen. Aber wie gut kennt das Onlinelexikon die Orte im Landkreis Augsburg? Heute im Blick: Langerringen
Landkreis Augsburg Dampfnudelkegeln? Nein, das ist keine neue olympische Disziplin. Allerdings hätte es Potenzial, Heimatartsportart der Gemeinde Langerringen zu werden. Denn die kuriose Begebenheit, mit süßen Hefeklößen Kegel umzuwerfen, soll sich laut einer Sage so einmal im Ort zugetragen haben.
Als gebürtiger Langerringer weiß Franz Filser um den Kultstatus dieser Geschichte. Selbst der Musikverein hat sich in Anlehnung daran auf den Namen „Dampfnudelgebläse“getauft. Die Sage soll sogar erklären, warum es die Langerringer Burg, deren Turm heute noch auf dem Gemeindewappen zu sehen ist, nicht mehr gibt.
Aber ganz von vorne: Es thronte einmal jene stolze Burg oberhalb von Langerringen. Schon die alten Römer sollen dort sesshaft gewesen sein. Nach deren Ansiedlung nahmen „die Vornehmen des Landes“alte Römerburgen überall im Lande ein. Auf diese Weise fiel auch die Burg in Langerringen an ein vermögendes Geschlecht. Anfangs stifteten sie der Gemeinde Langerringen viel Gutes. Dann wurden sie jedoch übermütig: Sie mussten nicht arbeiten und konnten es sich gut gehen lassen, denn die Bauern unten an der Singold arbeiteten für sie. Doch der Übermut der Reichen war der Beginn allen Übels. Weil die Burgherren bald sogar zum Kochen zu faul wurden, sollten die Bauern ihnen auch das Essen auf die Burg liefern. „Sonntags gab es Braten, freitags gab es Mehlspeisen“, erklärt Franz Filser, der im Ruhestand begonnen hat, sich ausführlich mit der Geschichte seiner Heimatgemeinde auseinanderzusetzen. Bald forderten sie aber jeden Tag Fleisch und den Bauern blieb nichts anderes übrig, als dem nachzukommen.
Der Sage zufolge schleppten die Bauern an einem Freitag wieder ein
W
mal die ganzen Speisen die Burg hinauf und die Burgherren stopften so viel Essen in sich hinein wie nur möglich. Mitten in der Schlemmerei trugen die Bauern die Dampfnudeln auf. Das brachte die Burgherren auf eine dumme Idee: Wie es wohl wäre, ein wenig zu kegeln?
Die neun Bauern mussten sich also in Formation aufstellen und die Burgherren griffen zu den Dampfnudeln, um sie als Kugeln zu verwenden und auf die Bauern zu zielen. Als es plötzlich laut im Saal hieß: „Alle Neune getroffen!“soll der Sage zufolge ein mächtiges Donnergrollen die Burg erschüttert und sie samt ihrer Bewohner in die Tiefe
gerissen haben. Das Bauwerk ward dem Erdboden gleich, doch die neun Bauern standen. Noch heute wird eine Stelle Burghof genannt, doch die Burg selbst gibt es tatsächlich nicht mehr. Neben der Dampfnudelsage kennt Franz Filser eine weitere Kuriosität aus seiner Heimatgemeinde. Denn in Langerringen ticken die wortwörtlich die Uhren anders. Der Grund liegt in der konfessionellen Vergangenheit von Langerringen, denn der Ort hatte bereits 1820 eine große evangelische Gemeinde – eine Besonderheit im damals katholischen Bayern.
Die Gemeinde entstand, weil es Langerringen zeitweise schlicht an
Geld mangelte, erklärt Filser: 1817 gab es kaum Ernte, worauf eine Hungersnot folgte. 1818 ist das Dorf niedergebrannt. Die Folge: Die Bauern kamen auf die Gant, sie waren also insolvent, erklärt Filser. Ein evangelischer Beamte im Ort brachte das Ganze dann ins Rollen: Er hatte Kontakt zu evangelischen Gemeinden im Elsass und der Pfalz und ließ dort verkünden, dass es in Langerringen Land zu kaufen gäbe.
Filser sagt, dass auf diese Weise 20 Familien aus evangelischen Gemeinden nach Langerringen übersiedelten und zu einer „gut vernetzten Diaspora“heranwuchsen. Da sie aus dem Rheingebiet stammten, wurden sie von den Langerringern als „Überrheiner“bezeichnet, sagt Filser. Mithilfe von Spenden anderer evangelischer Gemeinden konnten sich die Überrheiner in Langerringen eine eigene Kirche bauen.
Plötzlich gab es also zwei Kirchen im Dorf – und ein Problem: Die Glocken der katholischen und der evangelischen Kirchen läuteten nun gleichzeitig, wobei die evangelische Glocke von der katholischen übertönt wurde, erklärt Filser. Die Lösung: Man entschied sich dazu, die evangelische Glocke fortan um 11.55 Uhr klingeln zu lassen und die katholische zur vollen Stunde um 12 Uhr, damit beide gehört werden.