So funktionierte die HieselBande
Serie (4) Engster Vertrauter des Wildschützen Matthäus Klostermayr war der „Bube“. Welche Komplizen noch mit dem Räuber umherzogen
Landkreis Augsburg Über zwei Jahre verbreitete der bayerische Hiesel, auch Hiasl oder Hias’l genannt, mit seinem Komplizen Angst und Schrecken zwischen Iller und Lech. Als geschlossene Einheit darf man sich die Bande nicht vorstellen. Denn die Besetzung wechselte, erklärt Biograf Paul Ernst Rattelmüller. Der frühere oberbayerische Bezirksheimatpfleger geht davon aus, dass es mal 15 und dann wieder 20 Mann waren, die sich Hiesel anschlossen. Ein anderes Mal waren es nur vier oder fünf, die ihn begleiteten. Sie kamen zusammen, gingen gemeinsam auf die Jagd oder verübten Überfälle. Anschließend gingen sie auseinander, um sich an einem anderen Ort wieder zu treffen.
Zur Bande gehörten laut Rattelmüller auch ortsansässige Männer, die sich Klostermayr anschlossen, sobald er einmal in ihrer Nähe aufgetaucht war. Die Gefolgsleute kamen aus unterschiedlichen Verhältnissen: von ärmlich bis betucht und aus allen Bildungsschichten. Der Bobinger Geschichtsforscher Franz Xaver Holzhauser hat sich auf die Spur der Bandenmitglieder gemacht, um mehr über sie herauszufinden. Er kommt in seinen Recherchen auf insgesamt 80 Namen.
Treuester Gefährte von Hiesel war ein gewisser Andreas Mayer oder Mayr. Die Schreibweisen sind unterschiedlich. Er wird als kräftig, kühn und verwegen beschrieben. Vor allem war er loyal. Mayer hatte
dunkle Haare, aufgeworfene Lippen und eine breite, eher eingedrückt wirkende Nase. Er wurde zum Leibwächter und Aufpasser. Als engster Vertrauter weihte ihn Hiesel auch in die Geschäfte ein.
Der Bube Andreas Mayer stammte wohl aus Baierberg bei Mering. Im Verhör nannte er „Bahr eine dreiviertel Stund von Friedberg“als Herkunftsort. Wie Klostermayr hatte er schon in der Jugend eine ausgesprochene Neigung zum Wildern. Ob er einen richtigen Beruf erlernte, ist nicht bekannt. Nur so viel: Mit 15 Jahren wurde er Mitglied der Bande. Als Andreas Mayer auf die Bande traf, musste er eine Art Aufnahmeprobe meistern. Nach Erzählungen gab ihm Hiesel eine
Büchse und forderte ihn auf, wie jeder andere einen Probeschuss zu machen. Mayer zielte und traf perfekt.
Hiesel hielt seine Hand schützend über ihn. Nur einmal war er machtlos. In einem Waldstück bei Siebnach hatten sich im Sommer 1767 mehrere Jäger aus Türkheim auf die Suche nach der Räuberbande gemacht. Es kam sofort zum Gefecht. Ein Jäger wurde am Kopf und am Arm verwundet. Auch Andreas Mayer traf es: Er hatte gerade im Dorf eine Kanne Bier geholt, als er sich plötzlich mitten im Getümmel befand. Der Bube hatte keine Chance, sich zu wehren. Er wurde gefangen genommen. Der wütende Hiesel verfolgte die Jäger bis nach Ettringen.
Es gelang nicht, den „Buben“zu befreien. Andreas Mayer musste mehrere Monate ins Gefängnis. Im Frühjahr 1770 kehrte er treu und ergeben zurück. Hiesel schloss ihn in die Arme. Dann ein neuer Schicksalsschlag beim Gefecht in Leutkirch: Andreas Mayer wurde an beiden Knien schwer verletzt. Ein Bader in Maria Steinbach versorgte die Wunden und wusch sie mit Essig aus. Sechs Wochen konnte sich der Bub kaum rühren.
Nach der Festnahme in Osterzell wurden Hiesel und sein Bube nach Dillingen gebracht. Während Klostermayr in einem Turm schmachtete, saß Mayer mit drei anderen Räubern im „Blockhaus“. Dort glückte ihnen die Flucht. Andreas Mayer soll es sogar gelungen sein, sich in
Alpen in Sicherheit zu bringen. Die Flucht war damals noch einem anderen Bandenmitglied gelungen.
Joseph Ortlieb, genannt der Satt ler Er stammte aus Hurlach. Er hatte Hiesels Alter, war untersetzt und hatte ein rundliches Gesicht, das von Narben übersät war. Hiesel wollte den gelernten Sattler ursprünglich gar nicht in die Bande aufnehmen, weil er „ein schlechtes Wesen“hatte. Offenbar litt er an einer Spielsucht. Zeitweise verließ er die Bande, am 13. Dezember 1770 kehrte er zu den Räubern zurück. Der Sattler war zusammen mit dem Bräuknecht Erasmus Saur aus Zusmarshausen und dem Tafernwirt Joseph Säckler aus Hirblingen wegen Falschspiels mit Arrest bestraft worden. Absitzen mussten sie die Strafe in Täfertingen. Der Sattler entkam mit Saur und konnte Hiesel schließlich davon überzeugen, das Amtshaus von Täfertingen zu überfallen. Ortlieb war einer der wenigen Familienväter in der Hiesel-Bande, hat Franz Xaver Holzhauser herausgefunden. Joseph Ortlieb gehörte zu den Bandenmitgliedern, denen im Juli 1770 die Flucht aus dem Dillinger Gefängnis gelang.
Joseph Porth, der Amberger Seppel Er wird als blonder, mittelgroßer Bauernknecht beschrieben, der nicht zu den Fleißigsten gehörte. Er verließ die Bande, weil ihm angeblich „das ständige Umherziehen nicht bekomme“. Hiesel gab ihm einen Taler, damit er sich bei einem Bader kurieren könne. Tatsächlich aber hinterging Joseph Porth den
Räuberhauptmann: Er suchte Hiesels Geliebte, die Kellnerin Franzl, auf. Sie stammte aus Obermeitingen und hatte heimlich Geld für den Räuberhauptmann aufbewahrt. Das wusste Porth. Er behauptete, dass Hiesel verletzt worden wäre und sich in Kaufbeuren aufhalte. Er benötige dringend Geld. Die Kellnerin Franzl schickte daraufhin eine Magd nach Kaufbeuren – und Porth nahm ihr dort das Geld ab. Es ging immerhin um elf Gulden. Ein Gauner zog einen anderen Gauner über den Tisch. Als Hiesel davon erfuhr, tobte er und suchte sofort Porth im Huberwirt in Mering auf. Hiesel drohte ihm. Porth kam schließlich wieder zur Bande zurück. Er stammte ursprünglich aus gut situierten Verhältnissen. Für Franz Xaver Holzhauser ist er ein Beispiel dafür, wie ein unbedarfter Mensch in die Fänge von Hiesel geraten war. Porth soll in die Schweiz geflohen sein, berichtet Hiesel-Biograph Johann Nepomuk Nöggler.
Urban Lehenherr, der Allgäuer Urban Lehenherr war ein Bauernsohn aus Frankenhofen. Wegen seiner linkischen Art nahm ihn Hiesel zunächst nicht auf. Laut Hiesel-Experte Holzhauser stieß der „Allgäuer“im Herbst 1770 in Schwabstadel zur Bande. Beim letzten Gefecht in Osterzell soll er sich in einen Kamin geflüchtet haben. Aus der Haft in Dillingen konnte er entkommen. Entweder versuchte er sofort, in den heimatlichen Gefilden unterzutauchen oder kam bald aus dem Schweizer Exil zurück. Am 27. Jaden nuar 1773 wurde er in Lamerdingen erneut gefasst und am 1. April in Dillingen hingerichtet. Urban Lehenherrs Bruder Johann gehörte übrigens auch zur Hiesel-Bande.
Johann Georg Brandmayer, der Rote Der 19-jährige Bauernknecht wurde der „Rote“genannt, weil er einen roten Wams hatte. Er und sein Bruder Jakob stießen laut Franz Xaver Holzhauser kurz vor Weihnachten 1771 zu Hiesel. Er beschrieb in einem Verhör, wie die Bande einen Wirtssohn beim Schmuggeln von Getreide über den Lech als Schutzwache begleitet hatte und dabei beinahe ertrunken wäre.
»Serie
In einer weiteren Folge geht es um die Frage, warum Hiesel und Co. scheitern mussten. Mehr zu Matthäus Klostermayr und anderen Räubern gibt es im Magazin „Schwabens böse Buben“, das demnächst erscheint.