Schwabmünchner Allgemeine

Bärenhaus gibt obdachlose­n Männern ein Zuhause

Das Pfarrhaus der evangelisc­hen Erlöserkir­che im Bärenkelle­r beherbergt jetzt keinen Geistliche­n mehr, sondern lindert ein Stück weit die Wohnungsno­t in Augsburg. Wie die Gemeinde auf ihre neuen Nachbarn zugeht.

- VON ANDREA BAUMANN

Als sich Frank Hilliger von seiner Frau trennte, konnte er sich trotz Arbeit die teure Mietwohnun­g alleine nicht mehr leisten. Er landete im Übergangsw­ohnheim, zog dann in ein Wohnprojek­t nach Pfersee und hat seit Kurzem im Bärenkelle­r ein Dach über dem Kopf gefunden. „Hier ist es schön ruhig, und im Garten möchte ich gerne Gemüse anpflanzen“, sagt der 59-Jährige. Sein neues Zuhause, das er sich aktuell mit fünf weiteren Männern teilt, ist etwas Besonderes.

Bis Herbst 2020 lebte der Pfarrer der evangelisc­hen Erlöserkir­che mit seiner Familie in dem Haus. Weil es für seinen Nachfolger Andreas Stahl zu groß gewesen wäre, wagten sich die Gemeinde und das Diakonisch­e Werk Augsburg (DWA) an ein Pilotproje­kt und schufen in dem Gebäude Wohnraum für bis zu acht wohnsitzlo­se Männer.

DWA-Vorstand Fritz Graßmann ist glücklich über das jüngste Projekt der Wohnungslo­senhilfe. Hier sei es nicht um die Verwertung einer Immobilie gegangen, sondern darum, „diesen Männern einen Platz mitten unter uns zu geben. Menschen in Not wahrzunehm­en und ihnen Teilhabe zu ermögliche­n, ist Kirche im 21. Jahrhunder­t“, sagt Graßmann.

In den vergangene­n Monaten renovierte das Diakonisch­e Werk das ehemalige Pfarrhaus für rund 37. 000 Euro. Mit 5800 Euro ermöglicht­e die Stiftung Kartei der Not, das Hilfswerk der Mediengrup­pe Pressedruc­k, den Einbau einer Küche. Dort bereitet sich auch Mike Hänsel, 54, gerne eine Mahlzeit zu, die er dann entweder alleine in seinem Zimmer oder mit den anderen im Wohnzimmer verzehrt. „Ich bin froh, hier wohnen zu können. Denn als Alleinsteh­ender hat man keine Chance auf dem Wohnungsma­rkt.“Demnächst steht für Hänsel und seine Mitbewohne­r eine Einladung der Pfarrei zum gemeinsame­n Pizzaessen an. Pfarrer Stahl würde sich freuen, wenn sich im Laufe der Zeit noch mehr Kontakte ergäben. Die Männer seien eine Bereicheru­ng für die Gemeinde, meint der junge Geistliche.

Sozialpäda­gogin Anna Zott kümmert sich darum, dass die Männer der großen WG im Bärenhaus – benannt nach der Adresse Bärenstraß­e – harmoniere­n. „Sie sollten teamfäsein“, betont sie. Schließlic­h würden die Bäder, die Küche und das Wohnzimmer von den Bewohnern im Alter von Anfang 20 bis Anfang 60 gemeinsam genutzt. Vom Prinzip handele es sich beim Bärenhaus um Wohnen auf Zeit, mit dem Ziel, dass die Männer auf dem freien Wohnungsma­rkt eine angemessen­e Wohnung finden.

Mit insgesamt acht Plätzen zählt die neue Unterkunft zu den kleinen Angeboten. Insgesamt betreut das Diakonisch­e Werk im Stadtgebie­t rund 35 Personen im Bereich der Wohnungslo­senhilfe – in Apartments, Wohnungen und Gemeinscha­ftseinrich­tungen.

Generell arbeitet die Stadt bei ihrem Auftrag, wohnungslo­sen Bürgerinne­n und Bürgern ein Dach über dem Kopf zu verschaffe­n, eng mit den Trägern der freien Wohlfahrts­pflege zusammen. Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CSU) spricht von einer „sehr guten Zusammenar­beit“. In den vergangene­n Jahren sei vieles gemeingesc­hafft worden. Erste Anlaufstel­le für Betroffene sind häufig die beiden Übergangsw­ohnheime, die laut Schenkelbe­rg „oft den letzten Ausweg für Menschen ohne Obdach“darstellte­n. Die Einrichtun­g für obdachlose Männer in der Johannes-Rösle-Straße bietet 96 Plätze. In der Stadtberge­r Straße können bis zu 30 Frauen aufgenomme­n werden. Im Auftrag der Stadt bieten die Betreiber der Unterkünft­e, der Sozialdien­st katholisch­er Männer (SKM) und der Sozialdien­st katholisch­er Frauen (SkF) sozialpäda­gogische Hilfe an.

Von akuter Obdachlosi­gkeit bedrohte Familien mit minderjähr­igen Kindern bringt die Stadt in der Regel in sogenannte­n Obdachlose­nwohnungen – Unterkünft­e mit sehr einfachem Standard – unter. Nach Angaben des Sozialrefe­renhig ten stehen hier insgesamt 59 Wohnungen zur Verfügung, 17 davon sind derzeit frei.

Jüngst sind zwei Neubauproj­ekte dazugekomm­en. Die Caritas hat im Abbé-Pierre-Zentrum in der Hofrat-Röhrer-Straße im vergangene­n Jahr ein Wohnheim mit 20 Apartments für alkoholkra­nke Menschen eröffnet. Hier leben auch Menschen, die zuvor in den Übergangsu­nterkünfte­n untergebra­cht waren. Auch das GeorgBeis-Haus des St.-Ulrichs-Werks in Lechhausen, das in Trägerscha­ft des SKM steht, bietet rund 50 Männern in schwierige­n Lebenssitu­ationen ein neues Zuhause.

Um Frauen in Not kümmern sich die Mitarbeite­rinnen des von der Caritas getragenen Haus Lea, zu dem Wohnungen an zwei Standorten im Stadtteil Oberhausen gehören. Auch der Sozialdien­st katholisch­er Frauen würde gerne eine Frauenpens­ion betreiben, um eine Alternativ­e zum Pferseer Übergangsw­ohnheim anbieten zu könsam nen. Unter anderem wegen Corona liegt das Projekt momentan auf Eis.

Im Werden hingegen ist das Neubauvorh­aben der Stadt am Westendorf­er Weg im Norden Oberhausen­s. Insgesamt entstehen hier vier mehrstöcki­ge Mehrfamili­enhäuser mit bis zu 38 Wohneinhei­ten. Neben Alleinsteh­enden, Alleinerzi­ehenden und Familien ist laut Schenkelbe­rg geplant, dort Wohnraum für Seniorinne­n und Senioren zu schaffen. Bei diesen Menschen könne es sich auch um (ehemalige) Obdachlose handeln, die wohnfähig seien. Die Bewohnerst­ruktur werde aber insgesamt sehr vielfältig sein, betont der Sozialrefe­rent.

Dass die Schaffung regulärer Wohnangebo­te nicht zuletzt wegen der Ereignisse der vergangene­n Wochen ein großes Thema für Augsburg bleiben wird, ist Schenkelbe­rg bewusst. „Die Auswirkung­en des Ukraine-Krieges werden wir weiter aufmerksam beobachten müssen.“

Zwei Neubauproj­ekte sind jüngst dazugekomm­en

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Foto: Klaus Rainer Krieger Mike Hänsel (links) und Frank Hilliger freuen sich, im Bärenhaus ein neues Zuhause gefunden zu haben.

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