Böses Erwachen aus dem Traum vom Heim
Am Jahresbeginn hat die Regierung die Zuschüsse für Häuslebauer gestrichen. Jetzt kürzt sie bei den Sanierungshilfen. Familien fehlen dadurch zehntausende Euro – und viele Bauprojekte werden immer nur Pläne bleiben.
Berlin/Blaubeuren Das Jahr ist noch jung, als es für Elin Tichy die erste Schreckensnachricht bringt. Von einem Tag auf den anderen fehlen ihr 75.000 Euro für den Bau ihres Hauses. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte über Nacht das Förderprogramm für Häuslebauer gestoppt. Von Sonntag auf Montag. Das war am 24. Januar. „Ich war extrem schockiert“, erinnert sich Elin Tichy ein halbes Jahr später.
Die 30-Jährige träumt einen Traum, den Millionen Menschen in Deutschland träumen. Ein eigenes Häuschen mit Garten. Und Kinderzimmern für die beiden Jungs. Es soll in Asch entstehen, einem Dorf bei Blaubeuren auf der Schwäbischen Alb. Dort ist die Welt, wie sie sein soll. Kirche, Fußballplatz, Schule, Bäcker und Metzger.
Tichy und ihr Freund Daniel Rieger haben ein altes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert wegreißen lassen, um ein neues zu bauen. „Das alte war schon dreimal abgebrannt, da war nichts mehr zu retten“, sagt Tichy. Das neue soll eine
Solaranlage bekommen, eine gute Dämmung, einen Batteriespeicher und eine Lüftungsanlage zur Rückgewinnung von Wärme. Die ganze Technik ist teuer, sorgt aber dafür, dass die Familie wenig Energie verbrauchen und das Klima schützen wird. Derzeit wohnen sie in einer Dreizimmerwohnung zur Miete. Eltern und Kinder schlafen alle zusammen in einem Zimmer. „Das ist kein Zustand“, sagt Tichy.
Die 75.000 Euro Zuschuss von der staatseigenen KfW-Bank waren fest eingeplant. Weil in den vergangenen Monaten die Preise am Bau explodiert sind, ist das Loch in der Tasche noch größer. Tichy schätzt es auf 75.000 Euro. Zusammen fehlen der Familie jetzt also 150.000 Euro für den Traum vom eigenen Heim. Dabei waren sie kurz davor, ihn Wirklichkeit werden lassen zu können. „Wir hätten im Winter anfangen können zu bauen“, sagt die verhinderte Bauherrin.
Doch dann zog Habeck den Stecker. Er tat es nicht allein. Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollte kein Geld mehr nachschießen. Die Förderung wurde zwar über die KfW ausgereicht, aber bei den Prämien handelte es sich um Geld aus dem Bundeshaushalt. Das Programm war beliebt. Es lagen Anträge im Wert von 20 Milliarden Euro vor, die die vorgesehenen Mittel weit überstiegen. Aus diesem Grund beschlossen Habeck und Lindner das abrupte Ende – eine Woche vor dem geplanten Auslaufen am 31. Januar.
Genau das macht Elin Tichy so wütend. Hundertmal hat sie sich die Frage gestellt, ob sie nicht hätten schneller sein können – ein, zwei Tage? Aber es gab ja die Zusage der Regierung, dass die Anträge bis Ende Januar gestellt werden können. Ihr Energieberater Paul Maute hatte alles vorbereitet. „Ich habe Anträge gerechnet wie noch nie, hatte alles fertig. Am Montag wollte ich dann alles bei der KfW einreichen“, erzählt er. Denn die Zuschüsse beantragen müssen die Energieberater, die zuvor ermitteln, wie klimafreundlich ein Gebäude wird. Neben der Familie Tichy/Rieger wollten 13 andere Bauherren den staatlichen Bonus über Maute einstreichen. Sie gingen alle leer aus. „Ich kam bei der KfW nicht einmal mehr in das System. Bei den Familien war natürlich dann ein großes Hallo, also im negativen Sinne natürlich“, sagt der Energieberater.
Ihn regt nicht nur die vergebliche Arbeit auf und die Sorgen seiner Kunden, sondern die Folgen für den Klimaschutz. „Die, die jetzt trotz der weggefallenen Förderung bauen, bauen zu einem deutlich schlechteren Standard.“Für Maute geht das nicht zusammen: Ausgerechnet ein Minister der Grünen sorgt dafür, dass es weniger statt mehr Klimaschutz gibt. Es bleibt ja nicht bei seinen 14 Klienten, deutschlandweit handelt es sich um tausende Fälle. Das bestätigt Marita Klempnow aus dem Vorstand des Deutschen Energieberater Netzwerkes (DEN). „Das ist wirklich eine üble Situation“, sagt Klempnow. Die Bauingenieurin ist sauer, weil Habeck, sechs Monate nach seinem ersten Tiefschlag, Häuslebauern und Unternehmen einen zweiten versetzt hat.
Vor wenigen Tagen hat er entschieden, die Zuschüsse für die energetische Sanierung zusammenzustreichen. „Damit bremst man das Flaggschiff der Sanierung aus.“Klempnow sitzt als Expertin in den Runden im Wirtschaftsministerium. In ihr brodelt es. Sie ist es leid, mit Leuten über den Bau zu reden, die von der Materie nichts verstehen. „Viele Bauherren werden jetzt nur das unbedingt Notwendige tun“, sagt sie voraus. Die Deutsche Umwelthilfe gibt ihr recht und kreidet ausgerechnet dem Minister von den Grünen eine „Katastrophe für den Klimaschutz“an.
In Asch bei Blaubeuren wird genau das eintreten. Elin Tichy und ihr Partner wollen trotzdem bauen. Im Herbst soll es losgehen. Der Kredit steht bereit. Sie prüfen jetzt, was gestrichen werden muss. Vielleicht kommt keine Solaranlage aufs Dach, vielleicht fällt die Lüftungsanlage weg. „Wir bauen eigentlich den Sanierungsfall von morgen“, sagt sie lakonisch. Die junge Frau muss es wissen. Sie und ihr Mann sind Bauingenieure. „Obwohl wir vom Fach sind, hat es uns auch getroffen.“
Die Energieberater hat die Änderung kalt erwischt