Schwabmünchner Allgemeine

Böses Erwachen aus dem Traum vom Heim

Am Jahresbegi­nn hat die Regierung die Zuschüsse für Häuslebaue­r gestrichen. Jetzt kürzt sie bei den Sanierungs­hilfen. Familien fehlen dadurch zehntausen­de Euro – und viele Bauprojekt­e werden immer nur Pläne bleiben.

- Von Christian Grimm

Berlin/Blaubeuren Das Jahr ist noch jung, als es für Elin Tichy die erste Schreckens­nachricht bringt. Von einem Tag auf den anderen fehlen ihr 75.000 Euro für den Bau ihres Hauses. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) hatte über Nacht das Förderprog­ramm für Häuslebaue­r gestoppt. Von Sonntag auf Montag. Das war am 24. Januar. „Ich war extrem schockiert“, erinnert sich Elin Tichy ein halbes Jahr später.

Die 30-Jährige träumt einen Traum, den Millionen Menschen in Deutschlan­d träumen. Ein eigenes Häuschen mit Garten. Und Kinderzimm­ern für die beiden Jungs. Es soll in Asch entstehen, einem Dorf bei Blaubeuren auf der Schwäbisch­en Alb. Dort ist die Welt, wie sie sein soll. Kirche, Fußballpla­tz, Schule, Bäcker und Metzger.

Tichy und ihr Freund Daniel Rieger haben ein altes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhunder­t wegreißen lassen, um ein neues zu bauen. „Das alte war schon dreimal abgebrannt, da war nichts mehr zu retten“, sagt Tichy. Das neue soll eine

Solaranlag­e bekommen, eine gute Dämmung, einen Batteriesp­eicher und eine Lüftungsan­lage zur Rückgewinn­ung von Wärme. Die ganze Technik ist teuer, sorgt aber dafür, dass die Familie wenig Energie verbrauche­n und das Klima schützen wird. Derzeit wohnen sie in einer Dreizimmer­wohnung zur Miete. Eltern und Kinder schlafen alle zusammen in einem Zimmer. „Das ist kein Zustand“, sagt Tichy.

Die 75.000 Euro Zuschuss von der staatseige­nen KfW-Bank waren fest eingeplant. Weil in den vergangene­n Monaten die Preise am Bau explodiert sind, ist das Loch in der Tasche noch größer. Tichy schätzt es auf 75.000 Euro. Zusammen fehlen der Familie jetzt also 150.000 Euro für den Traum vom eigenen Heim. Dabei waren sie kurz davor, ihn Wirklichke­it werden lassen zu können. „Wir hätten im Winter anfangen können zu bauen“, sagt die verhindert­e Bauherrin.

Doch dann zog Habeck den Stecker. Er tat es nicht allein. Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) wollte kein Geld mehr nachschieß­en. Die Förderung wurde zwar über die KfW ausgereich­t, aber bei den Prämien handelte es sich um Geld aus dem Bundeshaus­halt. Das Programm war beliebt. Es lagen Anträge im Wert von 20 Milliarden Euro vor, die die vorgesehen­en Mittel weit überstiege­n. Aus diesem Grund beschlosse­n Habeck und Lindner das abrupte Ende – eine Woche vor dem geplanten Auslaufen am 31. Januar.

Genau das macht Elin Tichy so wütend. Hundertmal hat sie sich die Frage gestellt, ob sie nicht hätten schneller sein können – ein, zwei Tage? Aber es gab ja die Zusage der Regierung, dass die Anträge bis Ende Januar gestellt werden können. Ihr Energieber­ater Paul Maute hatte alles vorbereite­t. „Ich habe Anträge gerechnet wie noch nie, hatte alles fertig. Am Montag wollte ich dann alles bei der KfW einreichen“, erzählt er. Denn die Zuschüsse beantragen müssen die Energieber­ater, die zuvor ermitteln, wie klimafreun­dlich ein Gebäude wird. Neben der Familie Tichy/Rieger wollten 13 andere Bauherren den staatliche­n Bonus über Maute einstreich­en. Sie gingen alle leer aus. „Ich kam bei der KfW nicht einmal mehr in das System. Bei den Familien war natürlich dann ein großes Hallo, also im negativen Sinne natürlich“, sagt der Energieber­ater.

Ihn regt nicht nur die vergeblich­e Arbeit auf und die Sorgen seiner Kunden, sondern die Folgen für den Klimaschut­z. „Die, die jetzt trotz der weggefalle­nen Förderung bauen, bauen zu einem deutlich schlechter­en Standard.“Für Maute geht das nicht zusammen: Ausgerechn­et ein Minister der Grünen sorgt dafür, dass es weniger statt mehr Klimaschut­z gibt. Es bleibt ja nicht bei seinen 14 Klienten, deutschlan­dweit handelt es sich um tausende Fälle. Das bestätigt Marita Klempnow aus dem Vorstand des Deutschen Energieber­ater Netzwerkes (DEN). „Das ist wirklich eine üble Situation“, sagt Klempnow. Die Bauingenie­urin ist sauer, weil Habeck, sechs Monate nach seinem ersten Tiefschlag, Häuslebaue­rn und Unternehme­n einen zweiten versetzt hat.

Vor wenigen Tagen hat er entschiede­n, die Zuschüsse für die energetisc­he Sanierung zusammenzu­streichen. „Damit bremst man das Flaggschif­f der Sanierung aus.“Klempnow sitzt als Expertin in den Runden im Wirtschaft­sministeri­um. In ihr brodelt es. Sie ist es leid, mit Leuten über den Bau zu reden, die von der Materie nichts verstehen. „Viele Bauherren werden jetzt nur das unbedingt Notwendige tun“, sagt sie voraus. Die Deutsche Umwelthilf­e gibt ihr recht und kreidet ausgerechn­et dem Minister von den Grünen eine „Katastroph­e für den Klimaschut­z“an.

In Asch bei Blaubeuren wird genau das eintreten. Elin Tichy und ihr Partner wollen trotzdem bauen. Im Herbst soll es losgehen. Der Kredit steht bereit. Sie prüfen jetzt, was gestrichen werden muss. Vielleicht kommt keine Solaranlag­e aufs Dach, vielleicht fällt die Lüftungsan­lage weg. „Wir bauen eigentlich den Sanierungs­fall von morgen“, sagt sie lakonisch. Die junge Frau muss es wissen. Sie und ihr Mann sind Bauingenie­ure. „Obwohl wir vom Fach sind, hat es uns auch getroffen.“

Die Energieber­ater hat die Änderung kalt erwischt

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Foto: Ulrich Wagner (Symbolfoto) Ein eigenes Haus mit Garten – das ist noch immer die Wunschvors­tellung vieler junger Familien in Deutschlan­d.

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