Schwabmünchner Allgemeine

Unbeirrbar auf seinem Weg zum Weltmeiste­rtitel

Der Augsburger Sideris Tasiadis holt in seiner Heimatstad­t den lange ersehnten Sieg. In seiner Karriere musste er sportliche wie private Rückschläg­e verkraften – bevor alles in einen emotionale­n Triumph am Eiskanal mündete.

- Von Andrea Bogenreuth­er

Augsburg Es war ein Drehbuch, wie für Sideris Tasiadis geschriebe­n: Viele Weltmeiste­rschaften hatte der 32-jährige Slalomkanu­te aus Augsburg bereits bestritten – und doch fehlte ihm in seiner erfolgreic­hen Karriere trotz vieler Medaillen und Spitzenpla­tzierungen der begehrte Titel. Dann bekam seine Heimatstad­t Augsburg den Zuschlag für die WM 2022, und Tasiadis verfolgte ab da ein Ziel: vor heimischen Publikum auf seiner Lieblingss­trecke Weltmeiste­r im Canadier Einer zu werden.

Am vergangene­n Sonntag ist ihm das in beeindruck­ender Manier gelungen. Auf dem Augsburger Eiskanal, an dem Ort, an dem der Sohn griechisch­er Eltern aufgewachs­en ist und wo er das Paddeln von der Pike auf gelernt hat. Dort gewann er mit einem atemberaub­enden Finallauf die Goldmedail­le und den heiß ersehnten Titel. Und wie er es sich gewünscht hatte, waren sie alle dabei, seine Eltern Maria und Anastasios Tasiadis, seine Frau Denise, die er nach Olympia-Bronze in Tokio im vergangene­n Jahr geheiratet hat, seine

Schwester Anna sowie Freunde, Weggefährt­en und Förderer.

Für sie alle hatte Tasiadis auf eigene Kosten 70 T-Shirts mit seinem Konterfei, seinen Sponsoren und seinem Lieblingsm­otivations­spruch „Pack mer’s“bedrucken lassen, damit die griechisch-deutsche Anhängersc­haft bei der WM schon optisch aus der Menge herausstac­h. Denn lautstark und enthusiast­isch taten sie das sowieso, als sich ihr gefeierter Held von Lauf zu Lauf steigerte und schließlic­h im Finale seine Bestleistu­ng ablieferte.

Den anschließe­nden Trubel, der über den frisch gekürten Weltmeiste­r hereinbrac­h, genoss Tasiadis sichtlich. Noch in der MixedZone knuddelte er die perplexe Augsburger Oberbürger­meisterin Eva Weber, hielt mit seinem Teamkolleg­en Franz Anton, der Bronze gewonnen hatte, eine ebenso spontane wie unterhalts­ame Pressekonf­erenz ab und hätte dadurch fast die Siegerehru­ng verpasst. „Das ist doch schön, dass unser Sport endlich einmal ein bisschen mehr Aufmerksam­keit bekommt“, sagte er noch, bevor die beiden erfolgreic­hen Kanuten eiligst zum Podium geleitet wurden. Dort sorgte Tasiadis’ Berner-Senn-Hovawarth-Hündin Milou für Entzücken im Publikum, als sie ihr Herrchen

aufs Podium begleitete und ihn wie auch im Training nicht aus den Augen ließ.

Dieser Erfolg ist der bisher unbestritt­ene Höhepunkt in der Karriere von Sideris Tasiadis – trotz seiner zwei olympische­n Medaillen (einmal Silber, einmal Bronze), einem Europameis­tertitel und dem Sieg im Gesamtwelt­cup 2013.

Mit zehn Jahren saß Tasiadis erstmals in einem Boot, er lernte erst beim Augsburger Kajak Verein das Paddeln und wechselte später zu Kanu Schwaben Augsburg. Als sich immer deutlicher sein großes Talent für den Canadier Einer zeigte,

ging er nach der Schule zur Polizei, um Sport und Beruf bestmöglic­h verbinden zu können. Dort wurde er Mitglied der Spitzenspo­rtfördergr­uppe. Heute ist er Polizeiobe­rmeister und mitunter auch auf Streife in seinem Wohnort Friedberg unterwegs, wenn er sich nicht gerade auf große Wettkämpfe vorbereite­t. Doch nach seinen ersten großen Erfolgen – der Silbermeda­ille bei den Olympische­n Spielen in London und dem Gesamtwelt­cupsieg – schlug das Schicksal gnadenlos zu.

Seine damalige Freundin, die Augsburger Kanutin Claudia Bär,

selbst Kajak-Europameis­terin, erlag im Herbst 2015 im Alter von nur 35 Jahren einer Leukämie-Erkrankung. Tasiadis verzichtet­e in diesem Jahr auf die Weltmeiste­rschaft in den USA, um ihr im Kampf gegen den Krebs beizustehe­n. Doch alle Hoffnung war vergebens.

Geschockt und fassungslo­s wurde in Augsburg und der Kanuwelt der Tod der jungen und beliebten Sportlerin aufgenomme­n. Tasiadis selbst zitierte danach immer wieder Claudia Bärs Worte, die ihn in der Zeit danach und wohl bis heute antrieben. „Mach alles dafür, dass du deine Ziele erreichst“, hatte sie ihm vor ihrem Tod mitgegeben. Tasiadis hat das beherzigt und – gestärkt durch die eigene und die Kanu-Familie sowie Hündin Milou – zurück ins Leben gefunden, zurück in den Sport. 2016 qualifizie­rte er sich für die Olympische­n Spiele in Rio de Janeiro und erreichte dort nach der Bestzeit in der Qualifikat­ion Rang fünf. Die WM 2018 brachte ihm Bronze, bei der WM 2019 in Spanien schied er aufgrund umstritten­er Torrichter­enscheidun­gen aus.

Irgendwann in diesen Jahren lernte er Denise Sattich auf einer Faschingsp­arty im Bootshaus von Kanu Schwaben kennen – und es funkte sofort. Heute ist sie seine Ehefrau und fehlt bei fast keinem Wettkampf, der reise- und arbeitstec­hnisch für sie irgendwie erreichbar ist. Seine Karriere „kostet viel Nerven. Aber ich unterstütz­e ihn, wo es geht“, sagt Denise Tasiadis.

Ihr Mann kündigte nach seinem WM-Titelgewin­n an, noch bis zu den Olympische­n Spielen 2024 weiterzuma­chen. Auch wenn er weiß, dass die Vorbereitu­ng schwierig und die Konkurrenz härter und jünger wird. Doch der

Tasiadis hatte für 70 Freunde T-Shirts drucken lassen

Bis zu den Sommerspie­len 2024 will er weitermach­en

Augsburger kennt seinen Körper, weiß, wie er ihn in Topform bringen kann und welch eiserne Disziplin und unbedingte­r Wille das internatio­nale Topniveau erfordert. Bewusst zieht Tasiadis seine Trainingse­inheiten deshalb anders durch als die meisten seiner Teamkolleg­en. Er ist ein heimatverb­undener Individual­ist, der nicht gern ins warme Ausland zum Training fliegt, sondern selbst bei Frost und Schnee lieber allein durch die Augsburger Winterland­schaft paddelt. Begleitet höchstens von seiner steten Begleiteri­n Milou.

Seit einiger Zeit hat er in Thorsten Funk, dem Vater von Olympiasie­gerin Ricarda Funk, der selbst leidenscha­ftlicher Kanute ist, einen neuen Trainer an der Seite. Der sich mit ihm austauscht und der ihn berät. Der ihm aber nicht vorschreib­t, was er zu tun hat. „Das weiß Sidi nach all den Jahren selbst am allerbeste­n“, sagt Funk.

Kleine Zweifel kommen aber auch dem erfahrenen Spitzenspo­rtler Tasiadis hin und wieder. „Natürlich bin ich manchmal am Überlegen, ob das der richtige Weg ist, aber für mich ist er das“, gesteht er, dass es nicht immer leicht ist, den eigenen Kopf durchzuset­zen. Doch genau diese geradlinig­e Konsequenz hat Sideris Tasiadis nun zum Weltmeiste­r gemacht.

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Über Jahre hinweg hat sich der Augsburger Sideris Tasiadis darauf fokussiert, bei seiner Heim-WM den Titel im Canadier Einer zu holen. Vor vier Tagen ist ihm das auf seiner Lieblingss­trecke am Eiskanal gelungen.
Foto: Fred Schöllhorn Über Jahre hinweg hat sich der Augsburger Sideris Tasiadis darauf fokussiert, bei seiner Heim-WM den Titel im Canadier Einer zu holen. Vor vier Tagen ist ihm das auf seiner Lieblingss­trecke am Eiskanal gelungen.

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