Unbeirrbar auf seinem Weg zum Weltmeistertitel
Der Augsburger Sideris Tasiadis holt in seiner Heimatstadt den lange ersehnten Sieg. In seiner Karriere musste er sportliche wie private Rückschläge verkraften – bevor alles in einen emotionalen Triumph am Eiskanal mündete.
Augsburg Es war ein Drehbuch, wie für Sideris Tasiadis geschrieben: Viele Weltmeisterschaften hatte der 32-jährige Slalomkanute aus Augsburg bereits bestritten – und doch fehlte ihm in seiner erfolgreichen Karriere trotz vieler Medaillen und Spitzenplatzierungen der begehrte Titel. Dann bekam seine Heimatstadt Augsburg den Zuschlag für die WM 2022, und Tasiadis verfolgte ab da ein Ziel: vor heimischen Publikum auf seiner Lieblingsstrecke Weltmeister im Canadier Einer zu werden.
Am vergangenen Sonntag ist ihm das in beeindruckender Manier gelungen. Auf dem Augsburger Eiskanal, an dem Ort, an dem der Sohn griechischer Eltern aufgewachsen ist und wo er das Paddeln von der Pike auf gelernt hat. Dort gewann er mit einem atemberaubenden Finallauf die Goldmedaille und den heiß ersehnten Titel. Und wie er es sich gewünscht hatte, waren sie alle dabei, seine Eltern Maria und Anastasios Tasiadis, seine Frau Denise, die er nach Olympia-Bronze in Tokio im vergangenen Jahr geheiratet hat, seine
Schwester Anna sowie Freunde, Weggefährten und Förderer.
Für sie alle hatte Tasiadis auf eigene Kosten 70 T-Shirts mit seinem Konterfei, seinen Sponsoren und seinem Lieblingsmotivationsspruch „Pack mer’s“bedrucken lassen, damit die griechisch-deutsche Anhängerschaft bei der WM schon optisch aus der Menge herausstach. Denn lautstark und enthusiastisch taten sie das sowieso, als sich ihr gefeierter Held von Lauf zu Lauf steigerte und schließlich im Finale seine Bestleistung ablieferte.
Den anschließenden Trubel, der über den frisch gekürten Weltmeister hereinbrach, genoss Tasiadis sichtlich. Noch in der MixedZone knuddelte er die perplexe Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber, hielt mit seinem Teamkollegen Franz Anton, der Bronze gewonnen hatte, eine ebenso spontane wie unterhaltsame Pressekonferenz ab und hätte dadurch fast die Siegerehrung verpasst. „Das ist doch schön, dass unser Sport endlich einmal ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekommt“, sagte er noch, bevor die beiden erfolgreichen Kanuten eiligst zum Podium geleitet wurden. Dort sorgte Tasiadis’ Berner-Senn-Hovawarth-Hündin Milou für Entzücken im Publikum, als sie ihr Herrchen
aufs Podium begleitete und ihn wie auch im Training nicht aus den Augen ließ.
Dieser Erfolg ist der bisher unbestrittene Höhepunkt in der Karriere von Sideris Tasiadis – trotz seiner zwei olympischen Medaillen (einmal Silber, einmal Bronze), einem Europameistertitel und dem Sieg im Gesamtweltcup 2013.
Mit zehn Jahren saß Tasiadis erstmals in einem Boot, er lernte erst beim Augsburger Kajak Verein das Paddeln und wechselte später zu Kanu Schwaben Augsburg. Als sich immer deutlicher sein großes Talent für den Canadier Einer zeigte,
ging er nach der Schule zur Polizei, um Sport und Beruf bestmöglich verbinden zu können. Dort wurde er Mitglied der Spitzensportfördergruppe. Heute ist er Polizeiobermeister und mitunter auch auf Streife in seinem Wohnort Friedberg unterwegs, wenn er sich nicht gerade auf große Wettkämpfe vorbereitet. Doch nach seinen ersten großen Erfolgen – der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in London und dem Gesamtweltcupsieg – schlug das Schicksal gnadenlos zu.
Seine damalige Freundin, die Augsburger Kanutin Claudia Bär,
selbst Kajak-Europameisterin, erlag im Herbst 2015 im Alter von nur 35 Jahren einer Leukämie-Erkrankung. Tasiadis verzichtete in diesem Jahr auf die Weltmeisterschaft in den USA, um ihr im Kampf gegen den Krebs beizustehen. Doch alle Hoffnung war vergebens.
Geschockt und fassungslos wurde in Augsburg und der Kanuwelt der Tod der jungen und beliebten Sportlerin aufgenommen. Tasiadis selbst zitierte danach immer wieder Claudia Bärs Worte, die ihn in der Zeit danach und wohl bis heute antrieben. „Mach alles dafür, dass du deine Ziele erreichst“, hatte sie ihm vor ihrem Tod mitgegeben. Tasiadis hat das beherzigt und – gestärkt durch die eigene und die Kanu-Familie sowie Hündin Milou – zurück ins Leben gefunden, zurück in den Sport. 2016 qualifizierte er sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro und erreichte dort nach der Bestzeit in der Qualifikation Rang fünf. Die WM 2018 brachte ihm Bronze, bei der WM 2019 in Spanien schied er aufgrund umstrittener Torrichterenscheidungen aus.
Irgendwann in diesen Jahren lernte er Denise Sattich auf einer Faschingsparty im Bootshaus von Kanu Schwaben kennen – und es funkte sofort. Heute ist sie seine Ehefrau und fehlt bei fast keinem Wettkampf, der reise- und arbeitstechnisch für sie irgendwie erreichbar ist. Seine Karriere „kostet viel Nerven. Aber ich unterstütze ihn, wo es geht“, sagt Denise Tasiadis.
Ihr Mann kündigte nach seinem WM-Titelgewinn an, noch bis zu den Olympischen Spielen 2024 weiterzumachen. Auch wenn er weiß, dass die Vorbereitung schwierig und die Konkurrenz härter und jünger wird. Doch der
Tasiadis hatte für 70 Freunde T-Shirts drucken lassen
Bis zu den Sommerspielen 2024 will er weitermachen
Augsburger kennt seinen Körper, weiß, wie er ihn in Topform bringen kann und welch eiserne Disziplin und unbedingter Wille das internationale Topniveau erfordert. Bewusst zieht Tasiadis seine Trainingseinheiten deshalb anders durch als die meisten seiner Teamkollegen. Er ist ein heimatverbundener Individualist, der nicht gern ins warme Ausland zum Training fliegt, sondern selbst bei Frost und Schnee lieber allein durch die Augsburger Winterlandschaft paddelt. Begleitet höchstens von seiner steten Begleiterin Milou.
Seit einiger Zeit hat er in Thorsten Funk, dem Vater von Olympiasiegerin Ricarda Funk, der selbst leidenschaftlicher Kanute ist, einen neuen Trainer an der Seite. Der sich mit ihm austauscht und der ihn berät. Der ihm aber nicht vorschreibt, was er zu tun hat. „Das weiß Sidi nach all den Jahren selbst am allerbesten“, sagt Funk.
Kleine Zweifel kommen aber auch dem erfahrenen Spitzensportler Tasiadis hin und wieder. „Natürlich bin ich manchmal am Überlegen, ob das der richtige Weg ist, aber für mich ist er das“, gesteht er, dass es nicht immer leicht ist, den eigenen Kopf durchzusetzen. Doch genau diese geradlinige Konsequenz hat Sideris Tasiadis nun zum Weltmeister gemacht.