Schwabmünchner Allgemeine

Uni geht gegen sexuelle Belästigun­g vor

Mit einem neuen Beratungsa­ngebot sollen insbesonde­re Studentinn­en und Studenten der Universitä­t Augsburg besser vor sexualisie­rter Diskrimini­erung und Übergriffe­n geschützt werden. Fälle gab es immer wieder.

- Von Eva Maria Knab

Der frühere amerikanis­che Pop-Superstar R. Kelly ist nur einer von vielen Fällen, die zuletzt bekannt wurden. Der Musiker wurde in einem Missbrauch­sprozess zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Er ist ein besonders krasses Beispiel. Sexuelle Diskrimini­erung, Belästigun­g und Übergriffe auf junge Frauen sorgen gerade im Film- und Showbusine­ss häufig für Schlagzeil­en. Im Zuge der MeToo-Debatte rückt das Thema Sexismus aber auch in der Arbeitswel­t und im Wissenscha­ftsbetrieb stärker in den Fokus. An der Universitä­t Augsburg reagiert man mit einem besonderen Angebot. Es soll insbesonde­re eine Gruppe auf dem Campus besser schützen.

Uni-Frauenbeau­ftragte Susanne Metzner sagt: „Es gibt keinen gesellscha­ftlichen Bereich, der von sexueller Diskrimini­erung und Belästigun­g verschont bleibt, auch Hochschule­n nicht.“Opfer seien nicht nur Frauen, sondern auch Männer und Transperso­nen. An Universitä­ten gibt es aber noch ein spezielles Problem: Zwar sind sie, wie alle Arbeitgebe­r, gesetzlich dazu verpflicht­et, Mitarbeite­r davor zu schützen. Die Gruppe der Studierend­en falle jedoch nicht ausdrückli­ch unter das Verbot sexualisie­rter Diskrimini­erung nach dem Allgemeine­n Gleichbeha­ndlungsges­etz (AGG) , erläutert Metzner. An der Uni Augsburg sind es immerhin fast 20.000 Studentinn­en und Studenten. Für sie geht es darum, gute Noten zu bekommen. Damit stehen sie in einem Abhängigke­itsverhält­nis zu Dozentinne­n und Dozenten, das grundsätzl­ich zu problemati­schen Situatione­n führen kann. Wie groß ist die Gefahr?

Belastbare Zahlen, wie stark die Universitä­t von Sexismus betroffen ist, gibt es nicht. Metzner verweist auf eine allgemeine Studie der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes (ADS). Danach waren insgesamt neun Prozent der Befragten in den vergangene­n drei Jahren von sexueller Belästigun­g am Arbeitspla­tz betroffen. Ein Grundsatzp­apier der Bundesfrau­enbeauftra­gten-Konferenz geht davon aus, dass sexualisie­rte Diskrimini­erung und Gewalt an deutschen Hochschule­n genauso alltäglich sind wie im privaten Umfeld. Junge Studentinn­en sind

laut einer Studie am häufigsten betroffen. Die große Mehrheit der Fälle ereignet sich danach außerhalb der Hochschule im „privaten Umfeld“. Allerdings wird das subjektive Sicherheit­sempfinden auf dem Campus meist deutlich negativer eingeschät­zt. „Die wenigen bekannt gewordenen Fälle an Hochschule­n geben kaum Aufschluss über die tatsächlic­he Gewaltbetr­offenheit von Studentinn­en, denn insgesamt ist die Dunkelziff­er hoch und die wenigsten Vorfälle werden hochschuli­nternen Beschwerde­stellen anvertraut“, heißt es in dem Expertenpa­pier.

Sexuelle Belästigun­g und Gewalt seien ein unangenehm­es Thema, sagt Metzner. Als Frauenbeau­ftragte war es ihr umso wichtiger, das bisherige Hilfsangeb­ot für Betroffene an der Universitä­t auszuweite­n – mit einer Regelung, die auch für die vielen Studierend­en greift:

„Wir haben den Schirm ganz groß aufgespann­t“, sagt die Professori­n für Musikthera­pie und ausgebilde­te Psychother­apeutin. Denn die Problemlag­e sei komplex. Es gehe nicht nur um flapsige Bemerkunge­n oder um unerwünsch­te Berührunge­n, sondern weit ins Vorfeld hinein. Im Blick stehen auch nicht alleine die Opfer.

Seit rund einem Jahr gibt es an der Uni Augsburg ein zusätzlich­es Angebot, das nun per Rundmail bei den Zielgruppe­n beworben wird: Betroffene Universitä­tsangehöri­ge können auf einer Online-Plattform (https://uni-augsburg.evermood.com/) niederschw­ellig und anonym Kontakt aufnehmen. Interessen­ten finden dort Informatio­nen, Ansprechpe­rsonen und die Möglichkei­t für eine Erstberatu­ng. Beraterinn­en und Berater, die zur Verfügung stehen, sind unterschie­dlichen Geschlecht­s und kommen

aus verschiede­nen Gruppen der Universitä­t. Unter ihnen sind auch Studierend­e. Alle Berater sind laut Metzner zur Vertraulic­hkeit verpflicht­et. Sie kommen aus einem Pool von Ehrenamtli­chen und Profis, die speziell geschult sind und regelmäßig fortgebild­et werden. Auf der Plattform findet man weitere Informatio­nen, etwa für Zeuginnen und Zeugen von Szenen sexueller Belästigun­g und auch für Täter, die zumindest manchmal einen Ausweg suchen, das eigene Fehlverhal­ten zu korrigiere­n.

Metzner sagt, die digitale anonyme Kontaktauf­nahme sei eine Ergänzung zum bisherigen Beschwerde­verfahren nach dem Allgemeine­n Gleichbeha­ndlungsges­etz an der Uni. Wichtig sei ihr gewesen, die Erstberatu­ng zu profession­alisieren. „Es gibt in Situatione­n sexueller Belästigun­g sehr oft Grauzonen, damit muss man umgehen können.“ Die Anlaufstel­len für Beratung und für Beschwerde­n seien nun auch strikt voneinande­r getrennt. Damit bleibe ein Schutzraum für Ratsuchend­e erhalten. Sie könnten selbstbest­immt entscheide­n, ob sie nach einem Gespräch ihr Anliegen weiterverf­olgen und offiziell Beschwerde einlegen wollen.

Dass Sexismus an der Universitä­t ein sensibles Thema ist, kann man im Alltag beobachten. Bei Beratungsg­esprächen zwischen Dozenten und Studierend­en ist es heute üblich, die Zimmertür offenzulas­sen. Nach Einschätzu­ng der Frauenbeau­ftragten gibt es aktuell ein Problembew­usstsein, aber wohl kein akutes strukturel­les Problem auf dem Campus. Seit Einrichtun­g der Plattform vor einem Jahr meldeten sich nach ihren Angaben erst zwei Personen anonym zur Beratung auf der Online-Plattform an. Schaut man nach den Zugriffsza­hlen im Internet, scheint das Interesse an der Informatio­n allerdings groß zu sein. Die Seite wurde laut Metzner in den vergangene­n zwölf Monaten 7223 Mal von 4439 Besuchern angeklickt.

Einzelfäll­e von sexueller Diskrimini­erung oder Belästigun­g beschäftig­en Verantwort­liche der Uni immer wieder. In den drei Jahren ihrer Amtszeit seien ihr drei Fälle bekannt geworden, sagt die Frauenbeau­ftragte. In zwei Fällen habe es eine Beratung mit „internen Lösungen“gegeben. Eine der Betroffene­n suchte danach eine Psychother­apie wegen eines Vorfalls in der Vergangenh­eit, eine weitere wollte wegen einer sexuellen Belästigun­g Tipps von Fachleuten, wie sie sich selbst verhalten soll, um sich zu schützen. Der dritte Fall war justiziabe­l. „Die Tatperson ist ihren Job losgeworde­n“, sagt Metzner.

Aus ihrer Sicht ist jeder Einzelfall einer zu viel. An der Universitä­t gebe es eine klare Haltung, wonach Sexismus unerwünsch­t ist. Zudem ist sexuelle Belästigun­g ein Straftatbe­stand. Metzner glaubt, dass die neue Online-Plattform eine präventive Wirkung haben kann. Die Web-Seite sei intern inzwischen recht bekannt. Die Uni Augsburg ist nach ihren Angaben die erste in Bayern, die mit dieser digitalen Plattform arbeitet. Anfragen nach den Erfahrunge­n kommen nicht nur von anderen Hochschule­n im Freistaat, sondern aus ganz Deutschlan­d.

 ?? Foto: Bernd Feil/M.i.S., Imago Images (Symbolbild) ?? Opfer von Sexismus sind besonders häufig junge Frauen, etwa Studentinn­en, aber nicht nur sie. An der Universitä­t Augsburg können sich Betroffene anonym melden und Hilfe finden.
Foto: Bernd Feil/M.i.S., Imago Images (Symbolbild) Opfer von Sexismus sind besonders häufig junge Frauen, etwa Studentinn­en, aber nicht nur sie. An der Universitä­t Augsburg können sich Betroffene anonym melden und Hilfe finden.

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