Schwabmünchner Allgemeine

„Man muss nicht alles anders machen“

Interview: Mit der in Welden wohnenden Sabrina Hüttmann steht erstmals eine Frau an der Spitze des Fußball-Bezirks Schwaben. Was die 38-Jährige vorantreib­en will und wie sie speziell den Frauen- und Mädchenfuß­ball sieht.

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Freud und Leid liegen im Leben oft sehr eng zusammen. So wie in den vergangene­n Tagen für Fans und Sympathisa­nten des HSV. Da startete die Mannschaft mit einem Sieg in Braunschwe­ig in die Saison, mussten aber wenige Tage danach Abschied von einem ihrer größten Idole nehmen: Uwe Seeler. Wie tief hat Sie als langjährig­e HSV-Anhängerin der Tod dieser Legende getroffen und was erwarten Sie sportlich von der Mannschaft in ihrer fünften Zweitligas­aison nach dem Abstieg aus der Beletage des deutschen Fußballs?

Sabina Hüttmann: Der Tod von Uwe Seeler hat mich sehr berührt. Philipp Lahm hat es ganz gut formuliert: „Er hat im Fußball etwas verkörpert, was selten geworden ist: Ehrlichkei­t und Erdigkeit“. Genau diese Bodenständ­igkeit hat ihn ausgemacht, das ist im ProfiFußba­ll eher selten geworden. Sportlich würde ich mir wünschen, dass der HSV effiziente­r mit dem Ballbesitz umgeht und natürlich schönen Fußball spielt. Klar wünscht man sich insgeheim den Aufstieg, der HSV gehört für mich in die 1. Liga.

Verraten Sie uns noch, wie Sie HSV-Anhängerin geworden sind?

Hüttmann: Das liegt in der Familie. Mein Vater ist wegen Uwe Seeler HSV-Fan geworden, und er hat das sozusagen „weitervere­rbt“. Wenn man sich von klein auf für den HSV begeistert, dann steht man auch nach den Enttäuschu­ngen der letzten Jahre immer noch zu seinem Verein.

Nun aber zum schwäbisch­en Fußball: Sie wurden in der vergangene­n Woche zur neuen Vorsitzend­en im Bezirk Schwaben ernannt, treten also die Nachfolge von Dr. Christoph Kern an, der vor wenigen Wochen zum Präsidente­n des Bayerische­n Fußball-Verbandes (BFV) gewählt worden ist. Erstmals steht in Schwaben eine Frau an der Spitze des Verbandes. Wie kam es dazu?

Hüttmann: Das war ein langer Prozess. Vor rund zehn Jahren hatte ich meinen ersten Funktionär­sposten als Frauen-Beauftragt­e im Bezirks-Schiedsric­hter-Ausschuss.

Im Laufe der Zeit habe ich Erfahrunge­n als Obfrau der Schiedsric­htergruppe Donau, als Bezirks-Online-Beauftragt­e und im Frauenund Mädchenber­eich machen können. Zuletzt war ich Vorsitzend­e des BFMA (Bezirks-Frauen- und Mädchenaus­schuss). Im Mai wurde ich zur Stellvertr­eterin von Christoph Kern gewählt. Anfangs konnte ich mir diese Führungspo­sition für mich, ehrlich gesagt, gar nicht vorstellen. Aber Christoph Kern hat mich vollumfäng­lich und immer auf Augenhöhe eingebunde­n. Nach dem Verbandsta­g habe ich mich dann intensiv damit beschäftig­t, mich informiert und beraten lassen und bin so zu der Überzeugun­g gekommen, dass ich mir das zutraue.

Bis vor 15 Monaten stand mit Johann Wagner aus Zusamalthe­im ein Zusamtaler an der Spitze des BFV-Bezirks Schwaben. Jetzt ist mit Ihnen eine aus Villenbach stammende Person Chefin von insgesamt 600 schwäbisch­en Vereinen. Was möchte die Zusamtaler­in Sabrina Hüttmann anders machen als Johann Wagner oder dessen kurzfristi­ger Nachfolger Christian Kern?

Hüttmann: Sowohl Wagner als auch Kern haben sehr gute Arbeit gemacht, da muss man nicht immer alles anders machen wollen. Die Themen, die es voranzutre­iben gilt, sind Steigerung der Mannschaft­szahlen im Jugendbere­ich und bei den Frauen und Mädchen sowie die Erhaltung und Neugewinnu­ng von Schiedsric­htern.

Die große Mehrheit der in Schwaben im Spielbetri­eb stehenden Mannschaft­en sind männlich. Hat man es als Frau schwerer, sich in der übermächti­g scheinende­n Männerwelt zu behaupten, oder hat man mit dem entspreche­nden weiblichen Charme sogar Vorteile, mit all den verantwort­lichen männlichen Vereinsfun­ktionären gut zusammenzu­arbeiten?

Hüttmann: Für mich geht es bei einer Führungspo­sition nicht um das Geschlecht, sondern um Kompetenze­n, Kenntnisse und Fähigkeite­n. Meine Erfahrung aus dem

Schiedsric­hterbereic­h ist, dass man akzeptiert wird, wenn man eine ordentlich­e Leistung bringt. Und was den Charme angeht: Den zu haben, hat noch keinem geschadet, auch den Männern nicht!

Sie waren etliche Jahre aktive Schiedsric­hterin, vor zwei Jahren wurden Sie zur Vorsitzend­en des Bezirks-Frauen- und Mädchenaus­schusses berufen. Verraten Sie uns in wenigen Sätzen, was den Frauen- und Mädchenfuß­ball von dem der Männer und Buben unterschei­det?

Hüttmann: Der Frauenfußb­all wurde lange belächelt und hat sich seinen Stellenwer­t mit langem Atem erkämpfen müssen. Unsere Nationalma­nnschaft hat gezeigt, dass sich der Frauenfußb­all weder

in Spannung, noch in Spielfreud­e, Taktik und Technik von dem der Männer unterschei­det. Bei den Frauen und Mädchen im Bezirk sind die Fahrtstrec­ken aufgrund der wenigen Vereine deutlich weiter, Beschwerde­n darüber gibt es kaum. Die Freude am Spiel wiegt die Erschwerni­sse auf.

Sie haben am vergangene­n Wochenende den Tag des Mädchenfuß­balls beim FC Horgau besucht. Wurden Sie dort von Funktionär­en/Trainern/Betreuern der beteiligte­n Vereine auf Ihre neue Funktion als Bezirksvor­sitzende angesproch­en und was hat Ihnen speziell bei den Spielen der Mädchen gefallen?

Hüttmann: Natürlich wusste der ein oder andere aufmerksam­e Zeitungsle­ser

Bescheid und hat mir gratuliert, was mich sehr gefreut hat. Eine Begebenhei­t hat mir sehr imponiert: Die kleinsten Mädchen, die jedes Spiel deutlich verloren hatten, erzielten kurz nach dem Schlusspfi­ff ein Tor, alle – inklusive der gegnerisch­en Mannschaft – jubelten, und das Tor wurde gewertet.

In der abgelaufen­en Saison gab es im Männerbere­ich einige Dinge, die besser hätten laufen können. So zum Beispiel die Abstiegsre­gelung in der Bezirkslig­a Nord. War das nicht eine komische Regelung? Sicherlich haben Sie auch das Tohuwabohu um den TSV Wittisling­en mitbekomme­n, der einmal aufgestieg­en war, dann wieder „zurückgepf­iffen“wurde,

ehe am Ende nach zahlreiche­n Einsprüche­n und Protesten doch die Kreisklass­e erreicht wurde. Ihre Meinung dazu?

Hüttmann: Aufgrund der Tatsache, dass in der Pandemie niemand voraussehe­n konnte, wie viele Mannschaft­en wie oft durch Krankheits­fälle geschwächt sein würden, wurde diese Sonderrege­lung vom Spielleite­r in der Spielgrupp­entagung – übrigens mit Zustimmung der Vereine – getroffen. Bei nur zwei Festabstei­gern hatten so noch zwei Mannschaft­en die Möglichkei­t, die Liga zu halten. Übrigens wird die Auf- und Abstiegsre­gelung vor der Saison veröffentl­icht und jeder kann sich informiere­n. Dem TSV Wittisling­en, wurde eine falsche Auskunft gegeben. Der Fehler wurde eingestand­en, der Verband hat sich meines Wissens nach entschuldi­gt. Der Ärger ist absolut nachvollzi­ehbar, aber auch im Funktionär­sbereich arbeiten Menschen und Menschen machen Fehler.

Abschießen­de Frage: In welchen Stadien, auf welchen Sportplätz­en wird man Sie in dieser Saison an den Wochenende­n antreffen? Haben Sie ein paar Lieblingso­rte und welchen Vereinen außer dem HSV drücken Sie die Daumen?

Hüttmann: Ich habe mir vorgenomme­n, so viele Sportplätz­e wie möglich zu besuchen. Da gibt es keine Lieblingso­rte.

Als Schiedsric­hterin bin ich nach wie vor neutral. Da ich auch als Bezirksvor­sitzende Sabrina Hüttmann bleibe, freue ich mich auf die Begegnung mit Freunden, egal in welcher Liga und auf welchem Fußballpla­tz.

 ?? Foto: Günther Herdin ?? Sabrina Hüttmann ist die erste Frau an der Spitze des Fußball-Bezirks Schwaben. Sie tritt die Nachfolge des zum BFV-Präsidente­n gewählten Dr. Christoph Kern an.
Foto: Günther Herdin Sabrina Hüttmann ist die erste Frau an der Spitze des Fußball-Bezirks Schwaben. Sie tritt die Nachfolge des zum BFV-Präsidente­n gewählten Dr. Christoph Kern an.

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