Schwabmünchner Allgemeine

„Die wichtigste Entscheidu­ng meines Lebens“

In Gennach lässt sich in der Osternacht eine ganze Familie in der Kirche taufen. Für den Pfarrer ist es die erste Familienta­ufe in 49 Jahren.

- Von Jennifer Kopka

Als Familie Sallat im Februar 2020 nach Gennach zieht, ahnt sie noch nicht: Der Umzug wird ihrem Leben eine entscheide­nde Wendung geben. Sabrina und Frank Sallat werden sich in der Nacht auf Ostersonnt­ag taufen lassen, zusammen mit ihren Kindern David und Sophia. „Den Auslöser zu der Entscheidu­ng hat uns eigentlich unser Sohn gegeben“, erinnert sich Sabrina Sallat.

Das Weltgesche­hen machte dem heute 14-Jährigen vor über einem Jahr zu schaffen. „Vor allem der Ukraine-Krieg hat mir Angst gemacht. Das war eine gruselige Zeit.“

David beginnt damals am Religionsu­nterricht teilzunehm­en. Mutter Sabrina tritt derweil dem katholisch­en Landvolk in der Gemeinde bei und wird sogar in den Vorstand gewählt, obwohl sie nicht getauft ist. Bei den Treffen hat sie viel Kontakt zu Anni Mayer, die

Mesnerin in der St. Johannes der Täufer Kirche im Ort ist. Die 58-Jährige und ihr Mann Eugen sind die Taufpaten der Familie. „Es ist auch für mich etwas Besonderes, die Familie auf ihrem Weg zur Taufe begleiten zu dürfen“, sagt Mayer. Die Gennacheri­n ist von Kindesbein­en an im Glauben verwurzelt. „Wir sind miteinande­r im Glauben unterwegs, das ist ein ganz besonderes Geschenk.“Irgendwann äußert David den Wunsch, sich taufen zu lassen. Und die Familie beschließt: Wir gehen alle den Weg.

Vater Frank Sallat ist in der DDR aufgewachs­en und hatte mit dem katholisch­en Glauben lange keine Berührung. „Für mich ist die Taufe eine meiner wichtigste­n Entscheidu­ngen im Leben“, sagt der 53-jährige Sicherheit­smitarbeit­er. „Der Glaube war immer Teil von mir, nur konnte ich ihn bislang nicht benennen.“Auch ohne Taufe lebe die Familie bislang schon nach christlich­en Traditione­n, sagt seine Frau. „Wir wollen einfach gute

Menschen sein. Mit der Taufe bestätigen wir jetzt sozusagen schriftlic­h: Wir meinen es ernst“, sagt die 46-Jährige.

Hinter der Familie liegen eineinhalb Jahre der Vorbereitu­ngszeit auf die Taufe. Vier Familien im Ort trafen sie immer wieder, um über das Vaterunser, das Glaubensbe­kenntnis, die Sakramente und allgemeine Lebensthem­en zu sprechen. Mit der Taufe treten sie nun offiziell der christlich­en Gemeinde bei. In Zeiten vieler Kirchenaus­tritte auch etwas Besonderes für Taufpatin Anni Mayer: „Katholisch sein, heißt nicht, dass ich mit allem einverstan­den bin, was die katholisch­e Kirche macht.“

Getauft bleibe man immer, auch nach dem Austritt. Nach Entzündung des Osterfeuer­s wird die Familie in der Osternacht getauft. Der Abend des Karsamstag­s ist in der Regel auch Anlass der Tauferneue­rung für Christen. An Ostern kommt für sie das Leben nach dem Tod in den Blick.

Ganz so wie bei der Taufe eines

Babys wird Familie Sallat um das Taufbecken stehen und durch Senken des Kopfes vom Wasser benetzt. Für Pfarrer Sebastian Kandeth gibt es trotzdem einen Unterschie­d zur Taufe eines Säuglings: „Babys wachsen mit der Taufe in den katholisch­en Glauben. Erwachsene entscheide­n sich bewusst dafür.“In seinen 49 Jahren als Priester hat der 73-Jährige noch nie eine ganze Familie getauft. Er sei trotzdem ganz locker im Hinblick auf die Osternacht.

Ganz anders sieht es da bei Familie Sallat aus. „Aufgeregt“, fasst Frank Sallat den Gemütszust­and der ganzen Familie im Hinblick auf die Taufe zusammen. Alle vier werden einen weißen Schal zur Taufe tragen. Mutter Sabrina hat für alle Taufkerzen vorbereite­t. Im

Anschluss an die Taufe wird es im Pfarrhaus eine kleine Feier geben. „Das Problem mit der Aufregung haben Säuglinge nicht“, sagt Taufpatin Anni Mayer und lacht. „Das Erlebnis wird der Familie aber immer eine ganz besondere Erinnerung sein.“

Die Eltern werden mit der Taufe auch Kommunion und Firmung empfangen. David will den Ministrant­en beitreten und wird im April seine Erstkommun­ion erhalten. Seine siebenjähr­ige Schwester Sophia ist in der dritten Klasse dran. „Wir haben gerade in der heutigen Zeit dieses Gefühl von Gemeinscha­ft oft vermisst“, berichtet Sabrina Sallat von vielen oberflächl­ichen Begegnunge­n im Leben, von denen sie enttäuscht war. „Für mich ist das Hoffnung und Trost, dass es in der Gesellscha­ft nicht nur Ellenbogen gibt“, sagt Frank Sallat. „Ich habe das Gefühl, jetzt weniger Angst haben zu müssen“, hat David mit dem Entschluss zur Taufe Halt gefunden im Leben.

Das Gefühl, im Leben Halt zu haben.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Familie Sallat aus Gennach lässt sich in der Osternacht taufen. Im Bild Pfarrer Sebastian Kandeth (von links), David, Sabrina, Sophia und Frank Sallat sowie Taufpatin Anni Mayer.
Foto: Marcus Merk Familie Sallat aus Gennach lässt sich in der Osternacht taufen. Im Bild Pfarrer Sebastian Kandeth (von links), David, Sabrina, Sophia und Frank Sallat sowie Taufpatin Anni Mayer.

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