Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Neues Abschiebegefängnis: Aus Zellen werden Zimmer
Ausländer ohne Bleiberecht werden künftig in Pforzheim untergebracht – Kaum Interesse an Bürgerinformation
- Die Fenster sind vergittert, die Mauer rund um das Gebäude ist bestückt mit Stacheldraht. Rein äußerlich sieht die ehemalige Jugendstrafanstalt in der Pforzheimer Oststadt auch nach dem Umbau aus wie ein gewöhnliches Gefängnis. Im Inneren gibt es jetzt aber Wohngruppen, Gemeinschaftsküchen und Freizeiträume. Ab diesem Wochenende werden hier bis zu 21 Ausländer auf ihre Abschiebung warten. Weil sie nicht wie Straffällige behandelt werden, investiert das Land sieben Millionen Euro in den Umbau. Die Betriebskosten bezifferte Gall auf jährlich rund 7,8 Millionen Euro.
Nachts bleiben die Zimmer zu
Im Juli 2014 hatte der Europäische Gerichtshof dem Land sein bisheriges Vorgehen untersagt. In ihrem Urteil erklärten die Richter, dass Flüchtlinge, die potenziell vor ihrer Abschiebung untertauchen, besser untergebracht werden müssen. Männer, auf die das zutraf, wurden bis dahin in einem separaten Teil der Mannheimer Justizvollzugsanstalt, Frauen im Frauengefängnis von Schwäbisch Gmünd untergebracht.
Das Land arbeitet bisher mit Rheinland-Pfalz zusammen. Im Abschiebegefängnis im dortigen Ingelheim können andere Bundesländer bis zu 15 Plätze nutzen. In Mannheim gab es dagegen 64 Plätze, die laut Innenminister Reinhold Gall (SPD) „eigentlich immer voll benötigt“wurden, wie er am Freitag sagte. Beim Rundgang durch den bisher umgebauten Trakt des Gefängnisses erklärt er: „Wir haben einen vernünftigen Kompromiss finden können.“Die Abschiebehäftlinge können sich innerhalb der Gefängnismauern weitgehend frei bewegen. Eingeschlossen sind sie in ihren Zimmern nur zwischen 22 und 7 Uhr, erklärt Hans-Peter Paukner, Leiter der Einrichtung. Für Ordnung sorgen die Angestellten des ehemaligen Jugendgefängnisses, die während der ersten Umbauphase für ihre neue Aufgabe geschult wurden.
Einige Unterschiede zu normalen Gefängnissen sind augenscheinlich: Die Häftlinge haben ein Besuchsrecht, sie dürfen, müssen aber nicht arbeiten. Die Zimmer wirken zwar noch immer wie Zellen, doch es gibt in jedem einen Fernseher. Im Computerraum haben die im ersten Schritt ausschließlich männlichen Insassen Internetzugang. Wenn bis 2018 das gesamte Gefängnis umgebaut ist, soll es Platz für 80 Menschen geben – dann auch für Frauen.
Gegen die Einrichtung des Abschiebegefängnisses hatte es Proteste gegeben. Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) kritisierte in einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unter anderem, dass die Einrichtung mitten in einem Wohngebiet liegt und die Stadt kein eigenes Polizeipräsidium hat. Bürger machten ihrem Ärger in Leserbriefen in der Lokalzeitung Luft. Man habe auch Standorte in Bruchsal, Mannheim und Wertheim geprüft, erklärte Gall. Doch Pforzheim sei wegen seiner zentralen Lage ideal, um die Insassen schnell zu den Flughäfen Frankfurt, Stuttgart und zum Baden Airpark zu bringen.
Stadtteil mit sozialem Brennpunkt
Am Freitag bleibt der große Widerstand aus. Rund einDutzend Interessierte sind zur Bürgerinformation mit Rundgang gekommen. „Wir wollen uns nur informieren“, sagt etwa das Ehepaar Mattheyer aus Pforzheim. „Das Gebäude hat uns schon immer interessiert.“Bestens vertraut mit dem Gebäude ist Werner Sulzer. Der knapp 60-Jährige ist im Eckhaus gegenüber aufgewachsen, betreibt dort einen Werkzeughandel für die Schmuckindustrie.
Seine Eltern waren Bäcker, sie belieferten das Gefängnis mit Brot. Er selbst hat die Lehrwerkstatt im Keller eingerichtet. Vielleicht werden Familienangehörige der Insassen auf der Straße protestieren, vermutet er. Doch all das werde man abwarten müssen.
Sulzer spricht eher von grundsätzlicheren Fehlern in der Stadtplanung. Die Oststadt sei sowieso ein sozialer Brennpunkt, in unmittelbarer Nähe sei ein Flüchtlingsheim mit 610 Menschen belegt. Über die Jahre sei immer mehr Industrie weggezogen, Arbeitsplätze seien verloren gegangen. Der Ausländeranteil in Pforzheim sei hoch. „Wenn man das so mitkriegt, ist es nicht verwunderlich, dass ein AfD-Mann gewählt wurde“, sagt er.