Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Überlebend­e Studenten in Kenia suchen einen Weg zurück zur Normalität

Blutiger Anschlag auf Universitä­t Garissa vor einem Jahr lässt Betroffene nicht los – Deutsches Stipendium hilft

- Von Robert Oluoch Agumba und Anna Kerber

(dpa) - Die Backsteinw­ände der Wohnheime auf dem Campus in Eldoret sind voll gepflaster­t mit Werbung für Laptops, USB-Sticks und billige InternetTa­rife. Die Korridore sind lang, dunkel – und ein wenig unheimlich. Besonders für Evelyn Jepkemboi. Sie wohnt hier, seit sie vor einem Jahr von islamistis­chen Terroriste­n angeschoss­en wurde. Die Krücken, die sie seither zum Gehen braucht, erinnern sie jeden Tag an den verheerend­en Terroransc­hlag.

Am 2. April 2015 stürmten vier Kämpfer der somalische­n Terrormili­z Al-Shabaab die Universitä­t Garissa im Osten Kenias. Etwa 15 Stunden lang hielten die sunnitisch­en Extremiste­n die Hochschule in ihrer Gewalt. Sie zogen durch die Wohnheime und töteten 148 Menschen – zumeist christlich­e Studenten. Es war der Anschlag der islamistis­chen Al- Shabaab in Kenia mit den bisher meisten Opfern.

Sobald Jepkemboi heute Polizisten mit automatisc­hen Waffen sieht, wird die schmerzlic­he Erinnerung an den Anschlag wieder wach. „Da läuft es mir kalt den Rücken hinunter“, sagt die 21-Jährige. Sie gehört zu den gut 600 überlebend­en Studen- ten, die nach dem Anschlag zumeist an die Moi Universitä­t in Eldoret im Westen Kenias transferie­rt wurden. Jepkemboi ist zudem eine von etwa 300 bedürftige­n Studenten, die nach dem Massaker von Garissa ein Stipendium vom Deutschen Akademisch­en Auslandsdi­enst (DAAD) bekommen haben. Damit soll ihnen „der Weg zurück in die Normalität“geebnet werden. Die Universitä­t in Eldoret hat eine psychologi­sche Beratungss­telle für die Überlebend­en eingericht­et.

Schwere Sicherheit­smängel

Experten warnen, dass es in Kenia erneut zu Anschlägen kommen könnte. „Es gibt schwere Sicherheit­smängel“, sagt Afrika-Experte Ben Payton von der Risikobera­tung Verisk Maplecroft. „Es ist nicht auszuschli­eßen, dass es einen weiteren Anschlag im Ausmaß von Garissa oder Westgate geben könnte“, sagte er. Bei dem Anschlag auf das Einkaufsze­ntrum Westgate in Nairobi 2013 töteten Kämpfer der Al-Shabaab mindestens 67 Menschen.

Die sunnitisch­e Terrormili­z nimmt Kenia verstärkt ins Visier, seit sich die kenianisch­en Streitkräf­te an der Friedensmi­ssion der Afrikanisc­hen Union (Amisom) im benachbart­en Krisenstaa­t Somalia beteiligen. Kenia stellt 3700 der 22 000 Sol- daten der Truppe. Bei dem Einsatz seit 2011 musste Kenia bereits schwere Verluste hinnehmen. Bei einem Angriff der Al-Shabaab auf kenianisch­e Truppen im Januar sollen somalische­n Behörden zufolge bis zu 200 Soldaten getötet worden sein. Kenia bestritt die Angaben, weigerte sich jedoch, eine Opferzahl zu nennen.

In Kenia hat der Einsatz viele Menschenle­ben gekostet: Bei Terroransc­hlägen wurden dort seit 2012 Verisk Maplecroft zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Der Regierung von Präsident Uhuru Kenyatta wird daher immer wieder vorgeworfe­n, zu wenig für den Schutz der Bevölkerun­g zu tun.

„Ich bin wütend“, sagt die 22-jährige Literaturs­tudentin Dorine Okech, die sich während des Anschlags in einem Schrank versteckte. Die Regierung habe in Garissa versagt und sei schuld am Tod zahlreiche­r Menschen. „Sie brauchten zu lange und eine ganze Armee, um vier Männer zu überwältig­en.“

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FOTO: DPA Evelyn Jepkemboi, Studentin an der Moi Universitä­t, ist eine der Überlebend­en des Anschlags auf die Universitä­t Garissa in Kenia.

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