Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Millionens­chwere Diven im Tresor

Geigen als Spekulatio­nsobjekte – Musiker sind auf Mäzene angewiesen

- Infos unter www. zeller. de Von Nada Weigelt

(dpa) - Eine Stradivari als Geldanlage? Immer mehr Investoren setzen auf wertvolle Geigen, um vom sicheren Wertzuwach­s der Streichins­trumente zu profitiere­n. Dadurch werden die Preise für ein Instrument künstlich in die Höhe getrieben. Um gerade jungen Musikern dennoch das Spiel mit hochwertig­en Geigen zu ermögliche­n, verleiht beispielsw­eise die Deutsche Stiftung Musikleben in Hamburg Instrument­e. Oder ein Mäzen ermöglicht eben das Spiel auf einer guten Geige.

„Das hat mit Musik eigentlich nichts mehr zu tun. Wie auf dem Kunstmarkt werden hier künstlich die Preise in die Höhe getrieben“, sagt der britische Stargeiger und Neu-Berliner Daniel Hope. Drastischs­tes Beispiel für die Kostenexpl­osion: Vor fünf Jahren erzielte die 1721 gefertigte „Lady Blunt“des legendären italienisc­hen Baumeister­s Antonio Stradivari bei einer BenefizAuk­tion den Rekordprei­s von umgerechne­t 11,6 Millionen Euro.

Doch längst sind bei Investoren und Spekulante­n nicht mehr nur die alten italienisc­hen Meister aus Cremona gefragt. Einen riesigen Wertzuwach­s verzeichne­n nach Einschätzu­ng des Aachener Auktionato­rs Georg Bongartz derzeit auch Geigen aus den 1930er- und 1940er-Jahren. „In Zeiten, in denen man für sein Geld keine Zinsen bekommt, versuchen sich Anleger in Sachwerten abzusicher­n“, sagt der auf Saiteninst­rumente spezialisi­erte Experte, Vater des deutschen „Teufelsgei­gers“David Garrett. Die Folge: Viele der ohnedies raren Geigen landen im Tresor, die Preise explodiere­n weiter. „Das sind Größenordn­ungen, bei denen Künstler kaum mitgehen können.“

Stiftung verleiht Instrument­e

Die Deutsche Stiftung Musikleben in Hamburg hat sich auf Abhilfe spezialisi­ert. Sie verleiht seit 1993 wertvolle historisch­e Instrument­e an junge Spitzenmus­iker. Die 21-jährige Berliner Studentin Mayumi Kanagawa etwa erspielte sich beim Wettbewerb vor wenigen Wochen eine mehr als 300 Jahre alte Violine des italienisc­hen Baumeister­s Pietro Guarnerius. „Sie hat einen wunderbar kräftigen und tiefen Klang, der auch in einem Konzertsaa­l trägt“, sagt die in Frankfurt geborene und in den USA aufgewachs­ene Japanerin.

Inzwischen hat die Stiftung fast 200 Instrument­e zu verleihen. Auch Stargeiger­in Julia Fischer gehörte einst zu den Stipendiat­en. Stiftungsp­räsidentin Irene Schulte-Hillen: „Auch der begnadetst­e Geiger kann aus einer alten Holzkiste nicht das Beste rausholen.“

Selbst Spitzenmus­iker können sich oft das eigene Trauminstr­ument nicht mehr leisten. Der Starviolin­ist Frank Peter Zimmermann sorgte für Aufsehen, als er im Januar seine neue Leih-Stradivari in der Berliner Philharmon­ie vorstellte. Ein deutschchi­nesischer Geschäftsm­ann hatte ihm die „Grumiaux“von 1727 zur Verfügung gestellt, nachdem Zimmermann seine geliebte „Lady Inchiquin“in den Querelen um die Kunstsamml­ung der WestLB abgeben musste. 4,9 Millionen Euro hatten als Kaufangebo­t nicht gereicht. „Herr Yu ist ein weiser Mann“, sagte Zimmermann über seinen neuen Leihgeber. „Er kauft Geigen nicht nur als Wertanlage. Er weiß: Geigen müssen arbeiten.“

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FOTO: DPA Die Geigerin Mayumi Kanagawa spielt leihweise mit einer über 300 Jahre alten Violine des italienisc­hen Baumeister­s Pietro Guarnerius.

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