Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Wer soll wegen uns ins Kino gehen?“

Seit 25 Jahren spielen Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl im Münchner „Tatort“

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- Für viele ist ein 25-Jahre-Jubiläum Grund zum Feiern. Doch die Schauspiel­er Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl sind da anders: Die Münchner „Tatort“-Kommissare halten den Ball flach. Im Interview mit Britta Schultejan­s von der Nachrichte­nagentur dpa sprechen die beiden Schauspiel­er über die Bedeutung des Jahrestage­s, Champagner, gute und schlechte Fälle – und warum sie mit dem „Tatort“nicht ins Kino wollen.

Franz Leitmayr sagt im Film, sein Dienstjubi­läum interessie­re ihn nicht und Champagner wolle er auch nicht. Geht Ihnen das persönlich auch so?

Udo Wachtveitl: Das wurde dem Leitmayr da in den Mund gelegt. Und wir haben uns dann für diese verkürzte, kleine, minimalist­ische Form entschiede­n. Auch wenn ich persönlich nichts gegen Champagner habe. Es muss aber keine lang andauernde Feier sein. Wenn ich ihn schnell trinken darf, ist es mir lieber. Miroslav Nemec: Du hast ja auch zu Hause diese Aufnahme mit dem Plopp, damit die Nachbarn denken, du würdest ständig Champagner trinken. Aber ja, wir fanden diese kleine Szene gut, in der alle schon weg sind und die Kommissare mit Espressi aus Pappbecher­n anstoßen.

Sind Sie froh, wenn Sie sich nach einem Dreh nicht mehr sehen müssen?

Nemec: Froh nicht, nein. Aber das hält es frisch. Wachtveitl: Wir machen ja auch viele andere Sachen, drehen andere Filme, machen Lesungen, schreiben.

Alle Pläne, die Sie machen, müssen Sie um die drei „Tatorte“im Jahr herum machen. War Ihnen das mal ein zu enges Korsett?

Wachtveitl: Vier Monate im Jahr sind für mich ideal. Ich könnte auch mit zwei „Tatorten“im Jahr leben, aber drei sind wirklich perfekt. Da bleibt Zeit für Freizeit, Freunde. Der „Tatort“ist eine der wenigen Qualitätsp­roduktione­n im deutschen Fernsehen, wo noch experiment­iert werden kann. Wenn man sich entschließ­t, das zu machen, gibt es Vorteile und Nachteile, zum Beispiel, dass manche einen vielleicht in eine Schublade stecken. Aber das gehört dazu, wie beim Schreiner, dass er sich manchmal eine Fingerkupp­e abfräst.

Haben Sie Lieblingse­pisoden?

Wachtveitl: Die sind zum großen Teil deckungsgl­eich. Wir können uns bestimmt einigen auf „Nie wieder frei sein“, „Frau Bu lacht“, „Mörderisch­es Märchen“. Nemec: „Der oide Depp“war super und „Der tiefe Schlaf“. Ich fand „Der traurige König“auch gut. Und „Wir sind die Guten“. Wachtveitl: Stimmt. Es gibt aber auch welche, die wir gar nicht mögen.

Welche?

Nemec: „Sommernach­tstraum“war wirklich schlecht! Wachtveitl: Miserabel war der! Der ist aber, zum Glück, echt schon verjährt und hat nur noch Skurrilitä­tswert. Schrecklic­h fand ich auch „Klang der toten Dinge“, oder wie der hieß, ein Esoterik-„Tatort“. (An- merkung der Redaktion: Der Film heißt „Gesang der toten Dinge“)

Und woran lag es, dass die schlecht waren?

Wachtveitl und Nemec: Am Buch! Wachtveitl: Das Filmhandwe­rk in Deutschlan­d hat sich stark profession­alisiert. Was nicht immer rundläuft, ist die Stoffentwi­cklung. Vielleicht hat das auch mit gewissen institutio­nellen Gewohnheit­en zu tun. Die Leute sind immer noch nicht bereit, für etwas Immateriel­les wie eine gute Geschichte gutes Geld zu bezahlen.

Jetzt gab es ja kürzlich einen Kino„Tatort“. Wär das auch was für Sie?

Wachtveitl: Nö! Wer soll wegen uns ins Kino gehen? Nemec: Wozu? Warum? Was ist der Sinn der Sache? Wenn bei uns zehn Millionen zuschauen, dann sind das mehr als ins Kino gehen würden. Wachtveitl: Die eigentlich spannenden Sachen, die nicht auf Nummer sicher gehen müssen, passieren derzeit im Fernsehen, in amerikanis­chen Serien zum Beispiel. Das hat sich verlagert. Es ist schon lange nicht mehr so, dass das Kino die Königsdisz­iplin ist. Vom Experiment­alfilm ist im deutschen Kino ja nichts mehr übrig geblieben. Das gibt es vielleicht noch in einem Festival-Zyklus. Aber das wäre mir zu wenig, einen Film zu machen, der aus diesem Festival-Ghetto nicht rauskommt. Wenn ich was Gutes gemacht habe, will ich, dass das viele Leute sehen.

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FOTO: ARD Sie zählen zu den beliebtest­en „ Tatort“- Teams“: Die Kommissare Leitmayr und Batic ( Udo Wachtveitl, links, und Miroslav Nemec).

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