Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Von Friedrichshafen nach Rio
Unermüdlich arbeitet Läufer Richard Ringer für seinen Traum vom olympischen Edelmetall
- Viele Sportler träumen davon, doch für die meisten bleibt es ein Wunschtraum: Die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Richard Ringer aus Friedrichshafen hat die Nominierung für die Spiele im Sommer in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) so gut wie sicher. Es wäre eine weitere Steigerung für den Läufer – und das Ergebnis einer langen und konsequenten Vorbereitung. „2014 war mit dem vierten Platz bei der EM schon ein geniales Jahr, 2015 wurde noch besser“, blickt der 27Jährige, der erfolgreichste Leichtathlet, den der VfB LC Friedrichshafen bisher hervorgebracht hat, zurück.
Vom Bodensee an die Copacabana – es klingt wie ein Märchen. Doch wie fast alle großen Stories beginnt auch Ringers sportliche Laufbahn ganz profan im Schüleralter. Da war zunächst ein unbändiger Bewegungsdrang. Wie so viele in seinem Alter spielte der 10-jährige Unteruhldinger in jeder freien Minute Fußball. Es war seine ältere Schwester Katharina, die ihn erstmals mit zu einem Leichtathletik-Sportfest nahm, nach Salem. Auf Anhieb schaffte es der schmächtige Richard dort über 800 Meter aufs Podest. Es war der Beginn der Leidenschaft für das Lau- fen. „Seitdem drängte ich meine Eltern, an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen“, erinnert sich Ringer.
15 Jahre später wurde Ringer erstmals Deutscher Meister über 5000 Meter. Beharrlich setzte er seinen Weg fort: von der europäischen Spitzenklasse bis in die Weltklasse. Die Höhepunkte 2015: WM-Qualifikation in Heusten über 5000 Meter in 13:10,94 Minuten: Platz vier in der ewigen deutschen Bestenliste, Platz vier im europäischen Ranking. Er schaffte es im August in Peking ins WM-Finale über 5000 Meter. Eine Leistung, die seit 1997 keinem deutschen Langstreckler mehr gelungen war. Auch die Olympianorm für Rio, die 13:18,00 Minuten, hat er beim Istaf in Berlin punktgenau getroffen. Fast schon Routine war der sechste DMTitel über 5000 Meter.
Sein Erfolgsrezept: Talent, Trainingsfleiß, Trainingsqualität und eiserne Disziplin. Die ersten beiden Eigenschaften bringt er mit, die anderen hat er mit seinem Trainer Eckhardt Sperlich in zwölfjähriger Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt. In mühsamer Trainingsarbeit bauten beide an einer sogenannten Leistungs-Pyramide. Sie setzten Stein auf Stein aufeinander und sind jetzt sehr weit oben angelangt. Nur die Spitze, die fehlt eben noch: eine Medaille bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen – trotz der afrikanischen Dominanz auf den Langstrecken. Wie schwierig das wird? Seit Dieter Baumanns Olympiasieg 1992 in Barcelona hat kein weißer Läufer mehr eine Olympiamedaille geholt.
„Ich denke, mit jedem entdeckten Doper steigen die Chancen“
Ringers Ziel für Rio? „Das Finale und dort meinen Platz von Peking verbessern.“Damals reichte es für Rang 14. Traurigerweise erhöht die Doping-Krise der Leichtathletik seine Chancen in Brasilien. „Ich denke, mit jedem entdeckten Doper steigen die Chancen für uns extrem engmaschig kontrollierte Athleten. Besonders meine Hauptkonkurrenten aus Kenia und Äthiopien stehen unter besonderer Beobachtung. Leider schwinden mit jedem entdeckten Fall das Vertrauen in die sportliche Leistung und deren Wert.“
Wie hart Ringer an seinem erklärten Ziel arbeitet, zeigte das erste März-Wochenende: Am Freitag arbeitete er bis 13 Uhr an seinem Schreibtisch bei Rolls Royce als Controller für neue Projekte. Anschließend machte er sich mit Eckhardt Sperlich auf den Weg nach Herten, rund 650 Kilometer im ätzenden Ver- kehr am Freitagnachmittag auf der Autobahn. Am Samstag gewann er dort seinen dritten deutschen Crosstitel und sein siebtes DM-Gold bei den Männern. Den Lauf auf der aufgeweichten und völlig ramponierten Piste bezeichnete er selbst als Qual: 10,5 Kilometer unter schwierigsten Bedingungen in knapp über 32 Minuten. Nach der Siegerehrung ging es sofort zurück an den Bodensee, Ankunft gegen Mitternacht.
Was hätten die meisten Menschen am Sonntag gemacht? Ausschlafen, an diesem Tag Seele und Beine baumeln lassen. Richard Ringer jedoch, dies verriet er gegen Mittag am Telefon, hatte noch lange nicht genug. „Mir geht es gut, ich habe alles einigermaßen verkraftet und bin heute Vormittag lockere 20 Kilometer gelaufen“, erzählte er.
Aus diesem Holz müssen wohl Athleten geschnitzt sein, die es ganz nach oben schaffen wollen und können. Eckhardt Sperlich deutet die Perspektive an. „Erst um die 30 ist ein Langstreckler im besten Läuferalter“, sagte der Trainer. Bei Olympia 2016 ist Richard Ringer 27 Jahre alt, so alt wie Baumann bei seinem Olympiasieg in Spanien – und 2020 in Tokio zählt Ringer auch erst 31 Jahre. Zeit genug, um weitere Träume Realität werden zu lassen.