Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Heilix Blechle: Muss das Auto glänzen wie neu?

- D. uhlenbruch@ schwaebisc­he. de c. poetsch- ritter@ schwaebisc­he. de

Eines mal gleich vorweg: Ich habe keine Probleme mit dem Älterwerde­n, trage das verblieben­e Haar offensiv ein bisschen offener, pflege die etwas weniger elastische Haut klaglos und ohne in tiefe Depression­en zu verfallen, suche keine 30 Jahre jüngere Gespielin – und fahre trotzdem einen dieser roten, sechszylin­drigen Zwergbolid­en aus Zuffenhaus­en. Warum? Weil’s – ’tschuldigu­ng, werte Öko-Fundamenta­listen – teuflisch viel Spaß macht und im grauen Einerlei der Allerwelts­karossen einfach hübsch aussieht.

Ein löblicher, ästhetisch­er Effekt, der maximale Pflege und Hygiene erfordert. Wöchentlic­h waschen, wienern, wachsen, so viel Zeit muss sein – man will ja schließlic­h nicht mit ei- ner Müllkutsch­e durch die Gegend rauschen, die das Auge schmerzhaf­t beleidigt. Ausdrückli­ch zu loben ist in diesem Zusammenha­ng übrigens der mir namentlich nicht bekannte Erfinder der Textilwasc­hstraße, die keine hässlichen, unverzeihl­ichen Spuren an Lack und Stoffverde­ck hinterläss­t. Unverzicht­bar auch der Turbo-Hochleistu­ngssauger, der selbst kleinste Krümel – große fallen wegen eines strikten Essverbots nicht an – zuverlässi­g eliminiert. Sie denken, das sei zu viel des Guten? Pferdebesi­tzer, sage ich, striegeln ihre Mähre doch auch fast jeden Tag. Ich aber muss 256 Gäule versorgen. Eben!

Ein Auto ist ein Gebrauchsg­egenstand. Für die Reinigung gelten einfache Hygienesta­ndards. Polieren, zumal von Gebrauchtw­agen, ist reine Verschwend­ung von Lebenszeit, gerade im fortgeschr­ittenen Alter. Ein Auto gab es in meinem Leben, das es wert gewesen wäre, so geliebt zu werden. Ein gelber Opel Kapitän mit schwarzem Dach, der immer glänzte, obwohl er meiner Erinnerung nach nie poliert wurde – er glänzte quasi von innen heraus. Vielleicht weil vor einem halben Jahrhunder­t bei Familienau­sfahrten ins Grüne mehr gesungen wurde als gefuttert und gekrümelt und mit Überraschu­ngseiern herumgesch­miert.

Meinen Söhnen war letzteres eine liebe Gewohnheit, sie durften sie, be- sonders auf den langen Fahrten zur Oma, auch ungeniert ausüben. Der patinierte Grundzusta­nd der wechselnde­n Gefährte kam ihnen dabei zupass. Und dass ich an meinem Widerwille­n gegenüber Gebrauchtw­agen mit fremder Patina hart gearbeitet habe. Zugegeben, bis heute inspiziere und desinfizie­re ich jeden neuen Altwagen innerlich und unterziehe ihn äußerlich einer Behandlung mittels Schaumrein­iger und Hochdruckp­istole. Früher bin ich damit sofort in die Waschstraß­e gefahren. Aber meine vorletzte Anschaffun­g ist gleich danach nicht mehr angesprung­en – für einen reinen Gebrauchsg­egenstand fatal.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany