Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Heilix Blechle: Muss das Auto glänzen wie neu?
Eines mal gleich vorweg: Ich habe keine Probleme mit dem Älterwerden, trage das verbliebene Haar offensiv ein bisschen offener, pflege die etwas weniger elastische Haut klaglos und ohne in tiefe Depressionen zu verfallen, suche keine 30 Jahre jüngere Gespielin – und fahre trotzdem einen dieser roten, sechszylindrigen Zwergboliden aus Zuffenhausen. Warum? Weil’s – ’tschuldigung, werte Öko-Fundamentalisten – teuflisch viel Spaß macht und im grauen Einerlei der Allerweltskarossen einfach hübsch aussieht.
Ein löblicher, ästhetischer Effekt, der maximale Pflege und Hygiene erfordert. Wöchentlich waschen, wienern, wachsen, so viel Zeit muss sein – man will ja schließlich nicht mit ei- ner Müllkutsche durch die Gegend rauschen, die das Auge schmerzhaft beleidigt. Ausdrücklich zu loben ist in diesem Zusammenhang übrigens der mir namentlich nicht bekannte Erfinder der Textilwaschstraße, die keine hässlichen, unverzeihlichen Spuren an Lack und Stoffverdeck hinterlässt. Unverzichtbar auch der Turbo-Hochleistungssauger, der selbst kleinste Krümel – große fallen wegen eines strikten Essverbots nicht an – zuverlässig eliminiert. Sie denken, das sei zu viel des Guten? Pferdebesitzer, sage ich, striegeln ihre Mähre doch auch fast jeden Tag. Ich aber muss 256 Gäule versorgen. Eben!
Ein Auto ist ein Gebrauchsgegenstand. Für die Reinigung gelten einfache Hygienestandards. Polieren, zumal von Gebrauchtwagen, ist reine Verschwendung von Lebenszeit, gerade im fortgeschrittenen Alter. Ein Auto gab es in meinem Leben, das es wert gewesen wäre, so geliebt zu werden. Ein gelber Opel Kapitän mit schwarzem Dach, der immer glänzte, obwohl er meiner Erinnerung nach nie poliert wurde – er glänzte quasi von innen heraus. Vielleicht weil vor einem halben Jahrhundert bei Familienausfahrten ins Grüne mehr gesungen wurde als gefuttert und gekrümelt und mit Überraschungseiern herumgeschmiert.
Meinen Söhnen war letzteres eine liebe Gewohnheit, sie durften sie, be- sonders auf den langen Fahrten zur Oma, auch ungeniert ausüben. Der patinierte Grundzustand der wechselnden Gefährte kam ihnen dabei zupass. Und dass ich an meinem Widerwillen gegenüber Gebrauchtwagen mit fremder Patina hart gearbeitet habe. Zugegeben, bis heute inspiziere und desinfiziere ich jeden neuen Altwagen innerlich und unterziehe ihn äußerlich einer Behandlung mittels Schaumreiniger und Hochdruckpistole. Früher bin ich damit sofort in die Waschstraße gefahren. Aber meine vorletzte Anschaffung ist gleich danach nicht mehr angesprungen – für einen reinen Gebrauchsgegenstand fatal.