Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die ersten Flüchtlinge werden abgeschoben
Scharfe Kritik am Pakt mit der Türkei – Grüne Claudia Roth: „EU verkauft ihre Seele.“
ATHEN/ISTANBUL (dpa/epd/AFP) - Trotz anhaltender Proteste sollen heute die ersten illegal eingereisten Flüchtlinge aus Griechenland in die Türkei zurückgebracht werden. Die Regierung in Ankara erwartet, dass mindestens 400 Asylsuchende von den Inseln der Ostägäis abgeschoben werden. Die Behörden rechnen mit Widerstand. Die Stimmung sei explosiv, heißt es bei der Küstenwache. In der Türkei gibt es Proteste gegen die Aufnahme der Menschen.
Die Rückführung ist Teil eines Flüchtlingspaktes, den die EU am 18. März mit der Türkei geschlos- sen hat. Das Abkommen sieht vor, dass alle Migranten, die seit dem 20. März illegal nach Griechenland übergesetzt sind, von heute an zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden. Menschenrechtsorganisationen sehen die Vereinbarung kritisch. Laut Amnesty International soll die Türkei Flüchtlinge aus Syrien in das Bürgerkriegsland abgeschoben haben. Ankara bestreitet das.
Gleichzeitig werden heute in Deutschland und anderen EU-Ländern die ersten Syrer erwartet, die im Gegenzug legal und auf direktem Weg aus der Türkei in die Europäische Union reisen sollen. In Hannover werden 35 Syrer erwartet. Sie sollen mit zwei Linienmaschinen aus der Türkei eintreffen, vor allem Familien mit Kindern.
Außer Deutschland wollen die Niederlande, Frankreich, Finnland und voraussichtlich Portugal Flüchtlinge aufnehmen. Die EU will bis zu 72 000 Syrern auf diesem Wege Zuflucht gewähren, Deutschland gut 15 000 von ihnen. In vielen EU-Ländern gibt es gegen die Aufnahme von Syrern Widerstände. EU-Kommissar Günther Oettinger rief die europäi- schen Regierungen zu einer fairen Verteilung auf. „Das Übereinkommen mit der Türkei ist von allen 28 EU-Staaten mitgetragen worden. Daher erwarten wir auch, dass alle Mitgliedstaaten die sich daraus ergebenden Aufnahmeverpflichtungen erfüllen“, so Oettinger. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Die EU insgesamt verkauft hier ihre Seele und verrät ihre Werte.“Es gehe nicht mehr „um den Schutz von Flüchtlingen, sondern nur noch um den Schutz vor Flüchtlingen“.