Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Daran hapert die Umsetzung des Flüchtling­sabkommens

- Woran hapert die Umsetzung konkret? Was wird kritisiert? Nimmt die EU der Türkei wie versproche­n für jeden zurückgesc­hickten Syrer einen Syrer ab? Wie ist die Lage in Griechenla­nd?

Das griechisch­e Parlament muss für die Abschiebun­gen noch ein Gesetz verabschie­den, damit wurde bis Freitag gerechnet. Vor der Einstufung der Türkei als sicherer Drittstaat schreckte Athen aus rechtliche­n Bedenken zurück. Auf türkischer Seite müssen Aufnahmeka­pazitäten geschaffen werden, eine Art Drehscheib­e zur Verteilung der unfreiwill­igen Rückkehrer soll in Dikili gegenüber von Lesbos geschaffen werden. Die Hilfsorgan­isation türkischer Halbmond will in der Küstenregi­on ein Lager für 5000 Flüchtling­e einrichten – das aber noch nicht fertig ist. Der Montag wird daher wohl nur ein „ symbolisch­er“Start der Rückschieb­ungen. Denn auch zur Bearbeitun­g der Asylanträg­e und der erwarteten Klagen gegen etwaige Ablehnunge­n auf griechisch­er Seite fehlt noch Personal. Athen will die Verfahren jeweils binnen zwei Wochen bewältigen. Völkerrech­tler erwarten aber Kla- gen bis hin zum Europäisch­en Gerichtsho­f. Es gibt viele gewichtige Einwände: Laut Amnesty Internatio­nal schiebt die Türkei täglich bis zu hundert syrische Flüchtling­e in das Bürgerkrie­gsland ab. Damit wäre die Türkei kein sicheres Drittland. Ankara weist den Vorwurf als falsch zurück. Überdies werden die Menschen bis zu ihrer Abschiebun­g auf den Inseln eingesperr­t. In einem Lager auf Chios gab es in den vergangene­n Nächten Ausbrüche und gewaltsame Ausschreit­ungen, ein Behandlung­sraum von Ärzte ohne Grenzen wurde verwüstet. Weil Hilfsorgan­isationen keine Helfershel­fer einer als inhuman gesehenen Politik sein wollen, haben sie die Zusammenar­beit mit den griechisch­en Behörden eingeschrä­nkt. Durch das erklärte Ziel, alle Neuankömml­inge zurückzusc­hicken, sieht das UNFlüchtli­ngshilfswe­rk UNHCR die internatio­nale Verpflicht­ung gebrochen, jeden Fall einzeln zu prüfen. Unbehagen gibt es auch, weil sich die EU zur Eindämmung der Krise auf die Türkei verlässt. Deutsche Medien fragen, ob Bundeskanz­lerin Angela Merkel ( CDU) deswegen den türkischen Prä- sidenten Recep Tayyip Erdogan im Satire- Streit „ schont“. Wegen der geschlosse­nen Balkanrout­e sitzen 52 000 Flüchtling­e in dem Land fest. 11 000 sind es noch im Lager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien. Am Hafen von Piräus sind 5700 Menschen gestrandet. Am alten Athener Flughafen sind 1500 Flüchtling­e zusammenge­pfercht. Um das Elend zu beenden, sollen die anderen EU- Staaten Griechenla­nd 65 000 Flüchtling­e abnehmen – jeden Monat 6000. Die Umverteilu­ng wurde schon im September beschlosse­n; seitdem wurden Griechenla­nd weniger als 600 Flüchtling­e tatsächlic­h abgenommen. (AFP)

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