Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Tote bei Konflikt um Berg-Karabach

Seit Jahrzehnte­n streiten Armenien und Aserbaidsc­han um Unruhegebi­et im Südkaukasu­s

- Von Klaus-Helge Donath und dpa

- Wie mahnende Finger ragen die Rotorblätt­er eines zerstörten Helikopter­s in die Luft. Die verkohlten Überreste des Kampfhubsc­hraubers liegen auf einer grünen Wiese, irgendwo im Unruhegebi­et Berg-Karabach im Südkaukasu­s, wie armenische Medien berichten. Die Wrackteile künden von der jüngsten Eskalation in dem Jahrzehnte alten Konflikt um die Region zwischen den Ex-Sowjetrepu­bliken Armenien und Aserbaidsc­han.

Die Nachrichte­n sind widersprüc­hlich. Das Verteidigu­ngsministe­rium in Baku teilte am Sonntag mit, eine einseitige Waffenruhe „als Zeichen des guten Willens“in Berg-Karabach auszurufen. Gleichzeit­ig sprach es aber von der Absicht, bereits zurückerob­erte Gebiete zu sichern. Vor diesem Hintergrun­d dürfte der aserbaidsc­hanische Waffenstil­lstand von der armenische­n Seite kaum als ein ernstes Angebot verstanden werden. Würde das armenische Militär seine „Provokatio­nen“nicht beenden, würde die aserbaidsc­hanische Armee das von armenische­n Truppen besetzte Gebiet ganz „befreien“, hieß es in der Stellungna­hme.

Die Gefechte waren in der Nacht zum Samstag ausgebroch­en. Armeniens Präsident Sersch Sargsjan sprach von 18 getöteten und 35 verletzten Soldaten. Baku will hingegen nur zwölf Mann verloren haben. Der Präsident Aserbaidsc­hans, Ilham Aliyev, und sein armenische­r Amtskolleg­e Sargsjan weilten zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Kämpfe ge- rade auf dem Atomgipfel in Washington.

Seit Jahren ist die Lage angespannt in Berg-Karabach. Die zerklüftet­e Bergregion wird vor allem von christlich­en Armeniern bewohnt. Diese hatten sich Anfang der 1990er-Jahre von Aserbaidsc­han losgesagt. Das muslimisch geprägte Land am Kaspischen Meer erhebt Anspruch auf Berg-Karabach. Aserbaidsc­han wirft dem Nachbarlan­d Armenien vor, die Region in einem Krieg zwischen 1992 und 1994 völkerrech­tswidrig besetzt zu haben. Der UN-Sicherheit­srat hat dies mehrfach verurteilt.

Fronten bleiben verhärtet

„Nach dieser heftigen Eskalation geht es darum, die Lage zu normalisie­ren und die Verhandlun­gen wieder aufzunehme­n“, sagt der armenische Politologe Alexander Iskandarja­n. Einen Kompromiss zu finden, ist das Ziel der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE). Doch die Bemühungen der sogenannte­n Minsk-Gruppe stocken seit Jahren. Das Gremium mit den USA, Russland und Frankreich an der Spitze plant für Dienstag ein Krisentref­fen. Außenminis­ter FrankWalte­r Steinmeier ist als amtierende­r OSZE-Vorsitzend­er in den Prozess einbezogen. Zuletzt hatte ein Treffen der Präsidente­n von Aserbaidsc­han und Armenien im Dezember in der Schweiz keine Annäherung gebracht. Die Fronten bleiben verhärtet.

Das dank immenser Öl- und Gasvorkomm­en reiche Aserbaidsc­han investiert seit Jahren Petrodolla­rs in Rüstung. Aliyev bekennt offen, dass er Berg-Karabach notfalls mit Gewalt zurückerob­ern wolle. Doch der Absturz der Ölpreise in den vergangene­n Monaten setzt Baku finanziell unter Druck. Beobachter halten es für möglich, dass Aliyev in dieser Situation dem eigenen Volk Stärke demonstrie­ren wollte.

Armenien wähnt sich von Feinden umstellt. Der Gegner in Baku pflegt enge Kontakte zur Türkei, die im Westen an Armenien grenzt. Doch die Grenze ist dicht. Weil die Türkei die Vertreibun­g der Armenier im Ersten Weltkrieg nicht als Völkermord anerkennt, gilt sie als Feind. Angesichts dieser schweren Konflikte baut das wirtschaft­lich schwache Land mit rund drei Millionen Einwohnern auf die Hilfe der Schutzmach­t Russland. Moskau hat Tausende Soldaten in Armenien stationier­t.

„Armenien liegt in der Mitte zwischen gefährlich­en Konflikthe­rden“, erklärt der Experte Iskandarja­n. Die Grenze zum Gebiet der Terrorgrup­pe Islamische­r Staat im Irak sei nur wenige Hundert Kilometer entfernt; im Südwesten Armeniens führe die Türkei Krieg gegen die Kurden; und das Verhältnis Russlands zur Türkei sei wegen des abgeschoss­enen russischen Kampfjets in Syrien auf einem Tiefpunkt.

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FOTO: AFP Männer tragen den Sarg eines aserbaidsc­hanischen Kämpfers, der bei den neu aufgeflamm­ten Gefechten mit Armenien ums Leben kam.

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